„Mir gefällt meine Uniform.“
„Ich kann dir trotzdem etwas Neues anbieten“, hörte Bucky Shuri sagen, bevor er den Raum betrat.
„Brauchst du nicht. Sie passt mir noch.“
„Steve, es hat schon hier und da kleine Löcher. Der Stern geht auch schon ab.“
Steve zuckte nur mit den Schultern. Diese Löcher hatte Tony im verpasst. Sie hatten eine Bedeutung. Eine Geltung, die Steve nie vergessen wollte. Und dieser Stern? Es hatte seine Symbolik verloren. Hatte der Stern ihm eine Richtung gewiesen, ist er nun vom Weg abgekommen?
„Ich brauche den Stern nicht.“ Mit einem Ruck riss er ihn ab und warf ihn in die den Papiereimer. Ein Beschützer war Steve auch nicht mehr. Nicht in den Augen der Regierung. Aber im Verborgenen, was der dunkle Abdruck des Stern auf seiner Brust ziemlich gut symbolisierte.
„T‘Challa, sag es ihm.“
„Shuri hat recht, wir können dir was Neues geben.“
„Nicht nötig“, sagte Steve und erblickte Bucky, der etwas verloren dastand. „Bucky! Wie hast du geschlafen? Hast du Hunger?“ Steve war dankbar für die Ablenkung, das las Bucky ihm vom Gesicht ab.
„Er isst kaum was“, petzte Shuri, worauf Bucky ihr einen bösen Blick zuwarf. So etwas sollte man Steve nicht sagen. Er war wie eine Glucke. Kümmerte sich um alle und vor allem um Bucky.
„Hi, Shuri“, begrüßte Bucky das Mädchen, das ihn frech angrinste. „Guten Morgen, T‘Challa“, begrüßte er den König von Wakanda höflich, der die Begrüßung erwiderte.
„Ich hoffe, es geht dir besser, mein Freund“, in T‘Challas Worten lag eine Frage, die auf eine Antwort persistierte.
„Ja, danke. Viel besser“, Bucky wand sich wieder an Steve. Er öffnete den Mund um was zu sagen, schloss ihn jedoch wieder ohne ein Wort. Ihm war erst am nächsten Tag bewusst geworden, wie seltsam der Abend zuvor gewesen war. Natürlich lagen sie sich oft in den Armen, aber bisher hatte es einen Zweck gehabt. Die gestrige Umarmung unterschied sich von allen, die sie jemals hatten.
„Lass uns was essen gehen“, schlug Steve vor und strahlte über beide Ohren.
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„Shuri kann dir einen neuen Arm machen.“
Buckys Kaubewegungen wurden langsamer und er senkte die Gabel, auf dem Salat aufgepickt war. Das Essen bewegte sich in seinem Rachen in die falsche Richtung und er spürte, wie er Husten musste, unterdrückte es aber. Stattdessen schluckte er ununterbrochen.
„Um ehrlich zu sein, hat sie bereits damit angefangen“, fuhr Steve fort und löste damit bei Bucky doch noch einen Husten aus.
„Ich weiß nicht, was Shuri meinte. Du isst doch gut. Schlingst sogar ziemlich arg. Du solltest langsamer machen“, kicherte Steve, während Bucky sich den Mund abwischte.
„Ich hab ihn gesehen. Den neuen Arm. Er sieht toll aus“, Steve klang begeistert. Sein Gesicht strahlte.
Bucky ließ die Gabel in den Teller fallen und sah Steve an, der etwas verunsichert auf Buckys Teller starrte und den Blick schließlich hoch wandern ließ.
„Ich will es nicht“, waren die einzigen Worte, die Bucky rausbrachte. Er warf die Serviette auf den Tisch.
„Warum?“ Es klang beinahe entsetzt. Verstand er Bucky wirklich nicht?
„Steve, dieser Arm, hat mich zu einer Maschine gemacht. Er ... Er hat mich zu einer Waffe gemacht. Ich will das nicht mehr. Keine Kämpfe mehr. Keine Kriege. Ich habe genug.“
„Okay“, antwortete Steve sanft. „Aber der Arm muss keine Waffe sein.“
Bucky schüttelte den Kopf. „Du verstehst das nicht. Ich habe Menschen damit getötet. Ich habe dich beinahe getötet“, der letzte Satz war so leise, dass es beinahe ein Flüstern war. Daran wollte er sich nicht erinnern und ausgerechnet Steve brachte ihn dazu.
Sie wurden still. Für einen Moment passierte nichts. Etwas Hartes traf Bucky an der Stirn. Überrascht sah er hoch. Mit erhobenem Löffel, die Mundwinkel frech verzogen, sah Steve ihm aufrichtig in die Augen.
„Du kannst alles benutzen, um jemanden anzugreifen“, sagte der Blonde und wedelte mit dem Löffel. „Sei ehrlich zu dir, brauchst du den Arm um mich oder einen anderen zu töten?“
Schwer atmete Bucky aus. Er hatte recht. Wenn er wollte, würde er nur mit einem Bein und einem Arm jemanden töten können. Dieser Gedanke tröstete ihn nicht. Andersherum, es machte ihn noch immer gefährlich. Für alle. Für Steve. Er stand auf und ging auf den Balkon hinaus. Steve folgte ihm erst nach einigen Sekunden. Er blieb schweigend hinter Bucky stehen.
Weil er Bucky verstand, war es schwer die richtigen Worte zu wählen. Steve wusste, worum es ging, und um den Zweifel und Hass, die in Bucky wüteten. Steve musste sie unbedingt zum Schweigen bringen. Das war er Bucky schuldig. Damals hatte Steve ihn nicht beschützen können. Er hatte Bucky verloren, weil er unaufmerksam war. Ihn erneut zu verlieren, kam nicht ihn Frage. Nie wieder würde er das zulassen.
„Buck. Du siehst das falsch.“
Steve lehnte sich mit der Hand an das Geländer. Mit der Rechten richtete er sich den Gürtel und stemmte sie schließlich in die Hüfte. Seit sie hier waren, hatte er sich nicht rasiert und der raue ,Look‘ gab ihm etwas Ernstes. Etwas unglaublich Heldenhaftes und Starkes. Ein Mann, dem man vertrauen konnte. Sich an ihn lehnen konnte. Eine Schulter, die einen stützend überall hinbringen würde. Bucky sah den Abdruck des Sterns auf seiner Brust und es gefiel ihm. Sollte er sich dafür schämen? Er sah die Brandlöcher auf Steves Brust und senkte den Blick. Er fühlte sich schuldig.
„Ich habe Angst davor, Steve. Wieder die Maschine zu werden, die ich war. Der Selbsthass in mir ängstigt mich und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Es ekelt mich an, was ich getan habe. Es widert mich an, wie schwach ich bin. Ich verabscheue den Mann, zu dem ich geworden bin.“
Für einen kurzen Augenblick ließ Steve den Kopf hängen. Er leckte sich über die Lippen und atmete tief ein. Als er zum Himmel blickte, atmete er aus, als würde etwas seine Brust beschweren.
„Ich weiß, dass du leidest. Du leidest unter dem Verlust. Weil du denkst, dass du eine Last bist. Du konzentrierst dich auf die Opfer, die du getötet hast und auf deine Vergangenheit. Buck. Sieh mich an“, er machte eine schwere Pause, ließ seinem Freund Zeit, die Stärke zu finden, seinem Blick zu begegnen.
Bucky schloss für einen Augenblick die Augen, hob seinen Blick und öffnete sie wieder in dem Moment, als er ausatmete. Es kostete ihn Kraft und Überwindung.
„Wir denken immer, dass es wichtig wäre, was uns zustößt“, fuhr Steve fort. „Aber, damit liegen wir falsch. Jedem kann alles Mögliche zustoßen. Es kann immer irgendwas passieren. Wichtiger ist es aber, welchen Platz wir diesen Vorfällen einräumen. Welches Gewicht. Welche Macht geben wir diesen Ereignissen. Es liegt in unserer Hand, ob es uns zerstört oder stärkt.“
Bucky schwieg weiterhin. In seinen Blick veränderte sich aber etwas. Steve sah, dass er mit seinen Worten einen Punkt getroffen hatte, der in Bucky eine Veränderung hervorrief.
„Und du bist stark, Buck. Wer du warst, spielt keine Rolle mehr. Versuch es, bitte. Du wirst keine Waffe werden, wenn du es nicht willst“, er legte seine Hand auf Buckys linke Schulter. „Das verspreche ich dir. Ich bin wieder da und ich werde alles tun, um dich zu schützen. Keiner wird uns wieder trennen können.“
Bucky schwieg, schlug die Augen nieder, worauf Steve ihm über die Wange strich. Er trat näher an Bucky heran. Mit einer Hand nahm er Buckys rechte Hand in seine und drückte sie. Die andere strich Bucky durch das Haar. „Der Punkt ist“, Steves Stimme nahm einen schwermütigen Unterton an. „Ich bin da. Für immer. Du musst dich nur umdrehen. Ich reiche dir meine Hand. Du musst sie nur ergreifen, Buck.“
Keiner der beiden wusste, wie lange es dauerte, bis Bucky den Druck auf seiner Hand erwiderte. Er hob den Kopf und sah in Steves trauriges Gesicht. Er verstand, was sein Freund damit sagen wollte.
„Ich seh‘ dich“, sagte Bucky und diese Worte bedeuteten Steve so viel. Mehr als alles andere auf der Welt. Und Bucky wurde schmerzlich bewusst, dass da etwas war, dass schon immer wichtiger war, als Bucky selbst. Steve. Er hatte sich immer nur um Steve gekümmert, weil er sein Anker war. Seine Stärke.
Steve nahm Bucky in die Arme. Diese Umarmung schien Ewigkeiten zu dauern. Als Steve, Bucky losließ fühlte er den kühlen Wind. Die Wärme war fort und Bucky erschauderte. Er wünschte, Steve würde ihn noch einen Moment länger halten.