In Zeiten der beta-Beziehungen, Mingels und Freundschaft+ sind seltsame Beziehungsmodelle keine Seltenheit mehr. Im Grunde genommen ist eine Art Beziehung ohne Gefühle eine relativ entspannte, unkomplizierte Sache. So habe auch ich mich in eine äußerst bizarre zwischenmenschliche Verbindung begeben, über die ich im Folgenden gern ein paar Gedanken äußern möchte.
Von welcher abstrusen Relation ich spreche? Eine Beziehung mit festgelegtem Ende. Oder anders gesagt: eine Beziehung mit Ablaufdatum. Wie Milch nach einem bestimmten Zeitpunkt verdirbt, so würden auch wir verderben. Ursprünglich entsprang diese Idee dem Gehirn meines Objekts der Begierde, da wir uns zwar mehr mögen als Freunde (meiner Meinung nach), aber gefühlsmäßig nichts füreinander übrig haben. Vermutlich kann man nicht sagen, dass wir füreinander absolut nichts empfinden, aber es ist eben nicht das, was man Liebe nennt.
Ich weiß, dass er nicht der Richtige für mich ist aus verschiedenen Gründen. Aber der schmerzvollste ist, dass ich mir von einem potentiellen Lebensgefährten wünsche, dass er mein größter Fan ist. Ich meine, ich bin Schriftstellerin und Pianistin. Auch nur ein ganz klein wenig Anerkennung oder Interesse für das, was ich tue, wäre einfach schön. Deswegen habe ich auch keine Angst, dass er diesen Artikel liest. Es interessiert ihn einfach nicht.
Wenn ich mir die ganzen Photos an seiner Wand ansehe, was ich so gut wie jedes Mal tue, wenn ich bei ihm bin (also 24/7), frage ich mich immer, mit wie vielen Mädchen von den Bildern er schon etwas hatte. Ich weiß, dass es nicht wenige sein können. Das tut weh, obwohl ich weiß, dass die Vergangenheit vergangen ist und er jetzt mit mir zusammen ist. Noch.
Vor anderthalb Monaten hatte er schon mal Schluss gemacht. Eine Woche später kamen wir wieder zusammen, weil ihm auffiel, was für ein Idiot er war und was er alles weggeworfen hat. Selbstverständlich hatte er in der Zeit etwas mit einer anderen. Natürlich. Wie sollte es auch anders sein. Ich hatte das sowieso erwartet, aber es dann aus seinem Mund zu hören, war trotzdem ein Schlag ins Gesicht. Ich weiß, es sollte mich nicht kümmern, denn wir waren ja offiziell getrennt; dennoch schmerzt es mich, so leicht zu ersetzen zu sein. Ich wette, dass genau das wieder passiert, dass er - Verzeihung - wieder irgendeine Alte fickt, wenn wir uns dann in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten trennen.
Die letzten Tage verbrachten wir zusammen im Urlaub und es war wirklich eine schöne Zeit. Selbstverständlich kann man es ihm nie zu einhundert Prozent recht machen, aber daran habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Egal wie sehr ich auch versuche, genug zu sein; letztlich bin ich, und was ich tue, es nie. Jedenfalls verbrachte ich ziemlich viel Zeit damit, darüber nachzudenken, ob er mir nach diesen gemeinsamen Tagen einfach die Tür vor der Nase zuschlagen und sagen wird, dass es vorbei ist. Denn genau das hat er vor dem Urlaub geäußert; dass er überlegt, es zu tun, um uns zu schützen. Natürlich konnte keiner damit rechnen, dass wir quasi 24/7 aufeinander hängen, aber schließlich war ich nicht diejenige, die das initiiert hat. Ich habe mich noch nie so oft mit einem Menschen getroffen oder bei jemandem geschlafen wie bei ihm. Noch nicht mal meine beste Freundin und ich waren pausenlos zusammen. Aber wie dem auch sei - unsere Beziehung hat von vornherein ein unbestimmtes Ablaufdatum aufgezwungen bekommen und damit musste ich, mussten wir, Wohl oder Übel leben. Das Schlimme ist nicht, zu wissen, dass es passiert; das Schlimme ist, nicht zu wissen, wann es passiert.
Ich habe mich oft gefragt, zu oft, wie es wäre, diese Tage mit jemandem zu verbringen, ohne sich sicher sein zu müssen, dass es in naher Zukunft vorbei sein wird; wie es wäre, sie mit jemandem zu verbringen, der mich liebt - dem ich genug bin. Aber so ist das wohl in der heutigen Zeit. Irgendwo ist unsere und vermutlich auch die kommende Generation einfach ein wenig beziehungsinkompetent. Es lässt sich sicherlich spekulieren, woran genau das liegt; Leistungsgesellschaft, Selbstdarstellung und social media tun sicherlich ihr übriges.
Manchmal denke ich mir, dass es wirklich besser ist, wenn wir uns bald trennen. Dann muss ich mir zumindest nicht mehr fünf Mal in der Woche anhören, was Mädchen A doch für einen »geilen Arsch« oder Mädchen B für eine »gute Figur« hat. Mag sein, dass ich ihm dabei auch zustimme, aber es tut weh. Ich komme mir dann immer so vor, als wäre ich nicht genug, einfach weil ich nun mal nicht so aussehe wie Mädchen A oder B. Als mein (noch) Freund letztens sagte, ich sei »zu heiß für diese Welt«, hat es sich zum ersten Mal so angefühlt, als fände er das wirklich. Es ist traurig, aber die ganze Zeit über dachte ich, dass er mich nicht annähernd als »heiß« bezeichnen würde. Vor allem da er mich immer dazu auffordert, mehr Sport zu treiben, um meinen »Bauch zu verflachen«. Ich fühle mich dann immer ziemlich minderwertig und frage mich, warum er überhaupt mit mir zusammen ist.
Ich weiß wahrlich nicht, ob diese etwas-mehr-als-Freunde-aber-weniger-als-Liebe-Beziehung so empfehlenswert ist. Es kann wundertraumtastisch sein, wenn man im Hier und Jetzt lebt. (Das habe ich für meinen Teil auch die längste Zeit getan. Ich war wirklich glücklich, wenn ich mit ihm zusammen war.) Wenn man jedoch zu viele Gedanken an die Zukunft, an das Ende verschwendet, so ist es einfach nur belastend, einen innerlich auffressend. Ich bin gleichermaßen glücklich und traurig, fast ein halbes Jahr in diesem Schwebezustand zugebracht zu haben. Wobei... ich denke, das Glück überwiegt, trotz der ein oder anderen Schwierigkeit. Ich bin ihm unendlich dankbar für all die schönen Momente, für das Leben, das er mir gezeigt hat. Zu wissen, ihn bald zu verlieren, zerreißt mich innerlich. Aber es ist, wie es ist. Unsere Tage sind gezählt.
Als ich diesen Artikel vor ein paar Tagen zu schreiben begann, waren wir noch zusammen. Mittlerweile haben wir uns getrennt, nach 165 Tagen. Wobei das auch nicht ganz korrekt formuliert ist. Aus Angst, erneut von ihm verlassen zu werden, habe ich das Ablaufdatum unnötigerweise mehrere Tage vorverlegt. Ironischerweise wollte ich gerade mit ihm darüber reden, die Trennung auf in einem Monat anzusetzen, weil wir noch so vieles zusammen machen wollten. (Wie so oft jedoch hielt die Ambition seinen Vorhaben die Treue nicht. Ich wünschte, ich könnte jedes »Wir müssen unbedingt noch« aus meinem Hirn verbannen. Doch leider straft mich mein Gedächtnis, indem es mich nicht vergessen lässt.) Dadurch habe ich aber auch erfahren, dass er beispielsweise nur meinte, ich solle mehr Sport treiben, damit ich nicht hungere oder mich übergebe. Er wollte, dass ich es für mich tue. (»Du siehst für mich gut genug aus.«)
Je mehr ich über mein überhastetes Verhalten nachdenke, desto mehr bereue ich. Ich habe unsere letzten gemeinsamen Tage einfach in den Müll geworfen.
Und nun sitze ich hier - so einsam und falsch es nur sein kann.