Die Scharen streiften umher, ganz wie befohlen. Oftmals wurden sie fündig und ließen ihren gesamten aufgestauten Gram an jenen aus. Mehr noch, sie wollten die Verbliebenen leiden sehen. An ihnen ein Exempel statuieren, welches weitere mittlerweile Flüchtende bis ins Mark erschütterte. Vermutlich entstand so eines der vielen Gerüchte um dieses Inselvolk.
Gebunden, an allem, was kräftig genug aussah und auch starken Männern trotzte, schnitten sie mit scharfen Messern deren Haut. Jeweils einen Längsschnitt an Armen und Beinen, um Hals und Hüfte rundherum sowie an den Rippenbögen hinauf. Ihre Klingen drangen nicht sonderlich tief. Nur so weit, dass es keine klaffenden Wunden sein würden. Sie waren ja nun bei Leibe nicht als Unmenschen bekannt. Für das, was sie danach hingegen taten, sollte sich diese blauhäutige Schlampe aus dem kalten Norden zu jeder zeit des Tages mit zugehaltenen Ohren winden.
Gellende Schreie trug der Wind von einer Seite der Insel bis hinüber zu gegenüberliegenden. Es waren nicht nur die angestammten Bewohner, die so erfuhren, dass ihre Scharen abermals fündig waren. Auch jene, die kamen, um zu plündern, vergewaltigen und zu morden, wussten es. Sie sollten in Furcht erzittern.
Aus Leibeskräften pressten sie ihre lauthalsigen Schmerzen heraus. Stemmten sich mittels Kraft der Todesangst gegen ihre Fesseln, doch niemand der ihnen zu helfen vermochte, schritt ein oder hielt sich in unmittelbarer Nähe auf.
Niemals, wenn auch behauptet, waren die Mannen der See dermaßen barbarisch vorgegangen. Sie verhielten sich grobschlächtig in ihrem tun, zweifelsfrei aber Menschen auf derlei Art zu höhnen, wurde ihnen aufgezwungen. Von den gleichen Individuen, welchen sie sich nun erwehrten.
Sie ließen ihre Opfer gebunden wie geschunden, wo sich das verbliebene Wild gütig fressen sollte. Wölfe, Bären und Aasfresser mussten sich schließlich auch nähren. Der durchdrängend kupferne Geruch würde sie unmittelbar anlocken.
Die in Gänze abgezogene Haut der gequälten lag blutige rundherum. Es gab noch genügend der verbliebenen Invasoren, um das Land mit ihrem Lebenssäften zu düngen.
Die blauhäutige Herrscherin Thules ließ dem Seevolk nicht viel, was sich lebenswert nennen mochte.
Nahezu alle Waldflächen wurden dem Feuer anheimgegeben oder wild gerodet. Weitere Tage mehr und die Inseln wären vollends entwaldet. Einem jeden war schmerzlichst bewusst, dass würden sie dieses letzte Holz auch noch schlagen, ihnen ein Teil ihrer Nahrungs- wie Lebensgrundlage abhandenkommen. Anders denkend mussten sie überlegen, die Baumbestände nachhaltig wieder aufzuforsten.
Was Verwertbares blieb, waren knorrige Bestände. Weder zum Wiederaufbau von Häusern geschweige denn der Festungen dienlich. Das wenige, welches sich halbwegs nutzen ließ, wurde als löchriger Wall rings um ihre Behausungen eingesetzt. Zumindest so lange, wie die Winterstürme nicht zu kalt und frostig bliesen. Die Überlebenden klaubten aus den Trümmern, was noch zu brauchbar war und begannen so nach und nach ihre Höfe und Weiler wieder aufzubauen. Wo einst Bretter vorherrschten, schlossen die Breschen nunmehr Stein, vorerst zumeist aus den geschliffenen Festungen, die man sich selbst überließ. Die Schäden waren zu umfangreich, als das man diese mit den wenigem was ihnen blieb, nicht hätte beheben können.
Ihre Herden grasten, wo sich das Grün zurück an die Oberfläche drängte. Wie ein Phönix aus der Asche behauptete sich die Natur gegen die Gewalten des Menschen. Anfangs, als noch keine Ställe für den nächtlichen Schutz der Tiere sorgten, nächtigten deren Hüter mit ihnen unter freiem Himmel. An mickrigen, durchgängig stinkenden Feuern, hielten sie sich ansatzweise warm.
Zuerst ergrünten die Ebenen, anschließend erfreuten bunte Blütenblätter das trübe Antlitz der Bewohner. Mit ihren verbliebenen Barken stahlen die Mannen anfangs und in nächtlichen Anlandungen junge Bäume jeglicher Gattung. Die Jarls waren sich dahingehend einig, dass der Forstbestand der Inseln dringend wieder hergerichtet werden musste, auch wenn dieses Unterfangen Generationen bedurfte.
Überall dort, wo etwas wuchs, woraus dem Anschein nach einmal ein Baum erwachsen würde, wurde in Schonungen verpflanzt. Vorrangig an den vorhandenen Baumgrenzen, fernerhin verteilt auf den Inseln.
Die kleinen Boote, kaum das sie die schroffen Küsten berührten, wurde deren Last befreit und sodann mit ausgeruhten Männern besetzt, um abermals das Festland anzusteuern.
Nach und nach, Tag um Tag und Jahr um Jahr. Der Tag der Rache würde kommen, darin blieben sich alle samt sicher. Dies war ihr Antrieb.
Im Inneren ihrer Herzen glomm der Keim. Auf dem Festland war es jener der Hoffnung, bei ihnen nannte selbiger sich Abrechnung. Das, was die Blaubluter den ihren antaten, sonn nach Vergeltung.
Sobald sie zum Handeln, die einzig mögliche Hafenstadt Holmfirth anliefen, wurden sie weithin als das beschimpft, was das nördlichste Reich aus ihnen machte. Grobschlächtige Barbaren, die sich in grobes Leinen kleideten und mit Fellen behingen.
Darunter, gut verborgen trugen sie gehärtetes Leder, besetzt mit solidem Eisen beschlagen. Das Einzige, was als Handelsgut geblieben war.
Hass und Missgunst schweißte das Seevolk näher zusammen, wenngleich sie nicht mehr die See wie einst beherrschten.
Der damalige Großjarl, der die Inseln als geeintes Königreich der ›Siebenkönigslande‹ anbinden wollte, glaubte nicht an Verrat des Adels. Die Berichte sprachen eindeutig dagegen. Dennoch, das Wort einzelner wog schwer und so blieb eine alte Schuld unbeglichen.
Die Inseln würden Worthalten, so schworen einst die vereinten Jarls mit ihrem Blute. Jene, die damals ihre Klingen auf dem schwankenden Deck der Schiffe schwangen, taten dies nun auf festen Grund. Mehr Gewicht belastete ihre breit wachsenden Schultern und verlieh ihnen eine überproportionale Statur. Sie mussten sich nicht länger dem Gefüge der See angleichen. Einzig der Gedanke eines fernen Tages die Stimme zum Gefecht zu erheben, gab einem jeden Anlass genug sich bis zur Ohnmacht zu stählen.
In beschlagenem Leder umgeben, ein Fell um die Schultern gelegt und mit wuchtig wachsendem Bart, gaben viele der Männer mit ihrer muskulösen Statur ein Furcht erregendes Bild.