DIE KLEINE WALDMAUS FINDET EINEN FREUND
An einem warmen Sommertag war die kleine Waldmaus im tiefen Wald unterwegs, um nach Nüssen, Käfern und Regenwürmern zu suchen. Sie schnüffelte mit ihrer kleinen Mäuse-Nase im Boden herum, denn sie hatte gerade einen dicken fetten Regenwurm entdeckt, den sie ausgraben und verspeisen wollte. Doch aufeinmal hörte sie ein lautes Fauchen und Schnaufen, das von tief unter der Erde kam. Nanu, was konnte das sein? Aber noch bevor die kleine Waldmaus weiter darüber nachdenken konnte, flog sie schon in hohem Bogen durch die Luft! Plumps, da landete sie genau in den Brennesseln die hier überall wuchsen. Die kleine Waldmaus hörte plötzlich eine Stimme: „He! Du da, was fällt dir denn ein, hier einfach an meinem schönen Bau herum zu graben. Siehst du denn nicht, das ich hier wohne?“ Die kleine Waldmaus erschrak, denn sie hatte diese Stimme noch nie gehört. Da kaum aufeinmal etwas kleines mit einem schwarzen Pelz und langen spitzen Krallen aus der Erde heraus gekrabbelt. Es fauchte und schnaufte ganz laut. Nanu, was war denn das für ein komisches Tier? Eine Spinne? Ein Tausendfüssler? Oder vielleicht ein dicker schwarzer Käfer, den die kleine Waldmaus verspeisen konnte? Nein, es war keine Spinne, kein Tausend- füssler und auch kein dicker schwarzer Käfer. Es war ein kleiner schwarzer Maulwurf! Die kleine Waldmaus hatte gar nicht bemerkt, dass sie an einem Maul- wurfshügel gegraben hatte. „Hallo, ich bitte vielmals um Entschuldigung.“ Sagte die kleine Waldmaus. „Was bist du denn für ein komisches Tier? Und was für kleine Augen du hast! Kannst du denn damit überhaupt richtig sehen?“ „Aber hallo.“ Sagte da der Maulwurf, der aus seinem Maulwurfshügel herausgekrabbelt war. „Das wird ja immer schöner – zuerst gräbst du mir meinen ganzen Maulwurfshügel um, und dann machst du dich auch noch lustig über mich? Hast du denn noch nie einen Maulwurfshügel gesehen?“ Fragte der Maulwurf. „Nein.“ Antwortete die kleine Waldmaus. „Wer bist du denn? Und woher kommst du?“ Fragte der Maulwurf. „Ich bin die kleine Waldmaus, und ich wohne hier im Wald, und weil ich so großen Hunger hatte, habe ich nach Nüssen, Regenwürmern und Käfern gesucht." Antwortete die kleine Waldmaus. „Und wie heißt du?“ Da sagte der Maulwurf: „Ich heiße Egon, und ich erzähl dir mal etwas: Wir Maulwürfe leben tief unter der Erde. Wir haben große Krallen zum Graben und eine sehr gute Nase zum Riechen. Wir haben auch sehr gute Ohren, mit denen wir alles hören können. Für uns Maul- würfe ist es nicht so wichtig, das wir nur ganz schlecht sehen können. Hier unter der Erde ist es so dunkel, das ich meine Augen gar nicht gebrauchen kann. Deshalb sind meine Augen auch so klein. Unter der Erde brauche ich meine Nase zum Riechen, meine Krallen zum Graben und meine Ohren zum Hören. Verstehst du das, kleine Waldmaus?“ Fragte der Maulwurf die kleine Waldmaus. „Ach so, darum hast du also so kleine Augen.“ Antwortete die kleine Waldmaus. „So ist es.“ Sagte Egon Maulwurf. „Du wohnst also auch hier im Wald? Aber warum habe ich dich dann noch nie gesehen? „Das liegt wahrscheinlich daran, dass du dein Futter immer unter der Erde suchst, während ich mein Futter immer über der Erde suche.“ Meinte da die kleine Waldmaus. „Weißt du was?“ Sprach Egon Maulwurf zu der kleinen Waldmaus. „Ich habe da eine Idee. Hast du Lust, dir meinen Maulwurfshügel einmal anzusehen?“ „Ich war noch nie in einem Maulwurfshügel.“ Antwortete die kleine Waldmaus. „Nun, dann komm doch einfach mal mit, dann zeige ich dir, wie ich wohne.“ Sagte Egon Maulwurf. Die kleine Waldmaus schaute ängstlich in den engen und dunklen Gang des Maulwurfhügels. Da sollte sie hineinkriechen? Es war alles so eng und so tief, und auch so dunkel da drinnen. Aber dann wurde die kleine Waldmaus doch sehr neugierig, denn sie wollte zu gerne einmal sehen, wie ein Maulwurf so tief unter der Erde wohnte. Und so kroch sie dem Maulwurf hinterher in seinen Maulwurfshügel. Als die kleine Waldmaus in den tiefen und engen Gang des Maulwurfhügels gekrabbelt war, konnte sie aufeinmal gar nichts mehr sehen, denn es war so dunkel im Maulwurfshügel. Da sprach Egon Maulwurf: „Hey kleine Waldmaus, halte dich einfach an meinem Pelz fest und laß dich von mir führen. Achtung: aufgepaßt! Jetzt geht es los! Festhalten bitte!“ Die kleine Waldmaus konnte ihre Augen jetzt gar nicht mehr gebrauchen, und so hielt sie sich einfach am Pelz von Egon Maulwurf fest. Egon Maulwurf führte sie sicher durch die vielen Gänge in seinem Maulwurfshügel. Da ging es einmal nach oben und dann wieder nach unten. Sie krabbelten ein Stück geradeaus, und dann ging es nach rechts. Auf einmal krabbelte der Maulwurf kreuz und quer durch die vielen Gänge in seinem Maulwurfshügel – so schnell, daß die kleine Waldmaus Mühe hatte, sich am Pelz von Egon Maulwurf festzuhalten. Sie wußte am Ende gar nicht mehr, wo sie jetzt gerade waren. Waren sie schon ganz weit unten im Maulwurfshügel? Oder vielleicht in einem der oberen Gänge des großen Maulwurfshügels? Dann kam plötzlich eine ganz enge Kurve nach links. Egon Maulwurf krabbelte so schnell durch diese enge Kurve, das die kleine Waldmaus Egon Maulwurf vor Schreck losließ und fast rückwärts einen der vielen Gänge des Maulwurfhügels hinuntergekullert wäre: „Hey Egon, nicht so schnell.“ Sagte die kleine Waldmaus. Da hielt Egon Maulwurf kurz an, damit sich die kleine Waldmaus wieder an seinem Pelz festklammern konnte. Die kleine Waldmaus sagte zu Egon Maulwurf: „Wie weit ist es denn noch?“ „Nicht mehr weit.“ Antwortete Egon Maulwurf. „Nur noch ein kleines Stück geradeaus, dann kommen wir zu meiner Wohnhöhle.“ „Du hast aber einen großen Maulwurfshügel. Hast du dich denn da noch nie verlaufen?“ Fragte die kleine Waldmaus. „Aber nein:“ Antwortete Egon Maulwurf. „Ich kenne alle Gänge in meinem Maulwurfshügel. Ich habe ja alle Gänge selber mit meinen langen Krallen gegraben. Und außerdem: Ich kann jeden Gang in meinem Maulwurfshügel erriechen. Ich finde daher auch immer den Eingang meines Maulwurfshügels wieder.“ Endlich waren sie in der großen Wohnhöhle von Egon Maulwurf angekommen. Und obwohl die kleine Waldmaus gar nichts sehen konnte, staunte sie: Donnerwetter! Ist das eine große Wohnhöhle. Die kleine Waldmaus ertastete die Wohnhöhle von Egon Maulwurf mit ihren Pfötchen und mit ihrer Nase. Egon Maulwurf führte die kleine Waldmaus anschließend auch noch in seine Speisekammer. Darin lagen viele dicke fette Regenwürmer. Egon Maulwurf lud die kleine Waldmaus zu einem großen Regenwurm-Festessen ein. Und als sich die beiden dick und satt gefressen hatten, sagte die kleine Waldmaus zu Egon Maul- wurf: „Es war sehr schön bei dir Egon, aber jetzt muß ich langsam wieder nach Hause gehen, bevor es dunkel wird. Denn mein Weg ist noch weit, und ich muß noch vor der Dunkelheit zurück in meinem Mauseloch sein. Wollen wir ab heute Freunde sein?“ fragte die kleine Waldmaus. „Ich würde mich sehr darüber freuen:“ Antwortete Egon Maulwurf. „Schön, dann können wir uns ja in Zukunft öfter besuchen.“ Meinte die kleine Waldmaus. „Aber gerne.“ Sagte Egon Maulwurf. „Was meinst du, findest du ganz alleine wieder aus meinem Maulwurfshügel heraus?“ Fragte Egon Maulwurf die kleine Waldmaus. „Vielleicht schon, aber das würde bestimmt noch die ganze Nacht dauern!“ Sagte die kleine Waldmaus. „Und ich bin so müde vom Essen der vielen Regenwürmer. Ach, lieber Egon, bitte führe mich doch wieder zurück zum Eingang deines Maulwurfshügels.“ „Also gut, dann halte dich wieder an meinem Pelz fest.“ Sagte Egon Maulwurf: „Achtung! Aufgepaßt! Jetzt geht es los – Festhalten bitte!“ Rief Egon Maulwurf der kleinen Waldmaus zu und er führte die kleine Waldmaus wieder sicher durch die vielen Gänge seines Maulwurfshügels zurück nach oben zum Eingang seines Maulwurfhügels. Ein Stück geradeaus, dann wieder durch die enge Links-Kurve, kreuz und quer durch die vielen Gänge nach oben und nach unten, dann wieder nach rechts, ein Stück geradeaus, und wieder nach links. Endlich kamen sie zum Ausgang des Maulwurfshügels. Puh, ob sich die kleine Waldmaus wohl jemals merken konnte, durch welche der vielen Gänge sie laufen mußte, um zur großen Wohnhöhle von Egon Maulwurf tief unter der Erde zu gelangen? In welche Richtung mußte sie laufen? Und wie würde sie wohl alleine wieder den Weg zurück zum Eingang des Maulwurfhügels finden?
Da war die kleine Waldmaus aber froh, daß Egon Maulwurf sie so schnell und sicher zurück zum Eingang seines Maulwurfshügels gebracht hatte. Die Sonne ging schon langsam unter, aber sie war noch so hell, das die kleine Waldmaus ihre Augen erst einmal wieder ganz langsam an das Sonnenlicht gewöhnen mußte. Jetzt aber schnell nach Hause, bevor es ganz dunkel wird, dachte sich die kleine Waldmaus. Und sie verabschiedete sich noch einmal von ihrem neuen Freund Egon Maulwurf. Sie versprach ihm, ihn bald einmal wieder zu besuchen. Dann lief sie schnell nach Hause in ihr gemütliches Mauseloch tief im dunklen Wald. Sie kuschelte sich ganz fest in ihr weiches Nest aus Blättern, Moos und Gras. Und während es draußen vor ihrem Mauseloch ganz dunkel wurde, schlief die kleine Waldmaus ein und träumte von ihrem neuen Freund Egon Maulwurf. Im tiefen Wald wurde es Nacht und die Eulen und Füchse machten sich auf den Weg, um ihr Futter zu suchen, während die kleine Waldmaus sicher in ihrem gemütlichen Mauseloch schlief.
Autor: AnnaEmilia