Unsagbare Hitze.
Die Sonne brannte erbarmungslos auf das Freibad 'spritziger Spaß' herab, brutzelte die versammelten Badegäste und ruinierte so manches Hautbild.
Im Pool kühlten sich die jüngeren Generationen ab, um danach sofort wieder durchs Graß hin zum Eisstand zu rennen. Es war ein schöner Sommertag und es war friedlich. Eigentlich war alles in Ordnung. Naja, fast alles.
Elias wischte sich über die Stirn. Funkelnd wie das kristallklare Wasser einer Bergquelle rann ihm der Schweiß am Gesicht herunter. Für uns Übergewichtige ist der Sommer nicht gerade die beste Zeit um raus zu gehen, dachte er bitter.
Er war bereits seit etlichen Minuten - oder waren es bereits Stunden? - im Freibad angekommen, doch schämte er sich für seine üppige Figur. Und was war das erste, das er im Schwimmbad gemacht hatte? Natürlich hatte er sich erstmal ein belegtes Brötchen besorgt. Elias seufzte. Er hatte schon oft versucht, eine Diät zu machen. Oder Sport. Hölle noch eins, er hatte ja sogar beides zugleich gemacht. Doch immer geschah das Selbe: Zuerst war er motiviert, dann schleppte er sich mit Muskelkater, Sodbrennen und Rückenschmerzen immer wieder ins Fitness-Center, und nach ca. einem halben Monat gab er es dann wieder auf. Und begann er auch wieder zu essen. "Verdammter Fitnesswahn", grummelte er vor sich hin, als er eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche kramte. Er wusste genau, wie ungesund das Rauchen war, doch anders konnte er sich nunmal nicht entspannen. "Früher waren wir Molligen das Schönheitsideal. Und in der heutigen Zeit schäme ich mich für das, was ich bin." Nachdem er sein Feuerzeug hervorgeholt hatte, hielt Elias inne: Ihm war gerade das "rauchen verboten" Schild aufgefallen. "Verdammt."
Nachdem Elias sich umgezogen hatte - er hatte gerade mal eine weitere halbe Stunde gebraucht um sich dazu zu überwinden - legte er sich auf sein Handtuch und genoss die Sonne. Er hatte in der Arbeit schon genug Stress, und er war hier, um sich zu entspannen, verdammt noch mal. Das würde er sich nicht durch seine eigene, ihm von der Gesellschaft aufgezwungene Scham nehmen lassen.
Er zog sein Handy hervor, steckte die Ohrenstöpsel ein, setzte seine Sonnenbrille auf und genoss den Ausblick.
Eine gute Sache hat dieses Wetter ja, dachte er bei sich, die jungen Mädels zeigen wesentlich mehr Haut als im Winter. Gerade kam ein ganzer Schwarm junger Mädchen an ihm vorbei. Möglicherweise eine Schulklasse auf Sommerausflug. Sie alle hatten sehr auf ihre Figuren geachtet. Sie gingen gerade, was ihre gerade erblühenden Körper geradezu obszön zur Schau stellte. Die hiesige Bademode wurde immer knapper, wie es schien. So gut wie nichts blieb noch der Fantasie überlassen. Die Mädchen mochten - wie alt? vielleicht sechzehn? sein. Ihre straffen Bäuche und festen Hintern erinnerten ihn auf boshafte Weise an seine eigenen Problemzonen. Am liebsten würde er schreien. Oder den lachenden Mädchen . sicher lachten sie über ihn und seine blassen Fettschichten - mit der Faust ins Gesicht schlagen. Aber am allerliebsten würde er zu ihnen hingehen, ihnen die knappe, aufreizende Bekleidung vom wohlgeformten Körper reißen und sie so richtig - STOPP!
Elias' ganzer Körper war angespannt.
Reiß dich zusammen! Das sind noch Kinder! Nur weil sie nicht viel an haben, heißt das noch lange nicht, dass jeder dahergelaufene Bastard sie nach Lust und Laune begrapschen kann! Mit einem Ächzen drehte er die Musik lauter, damit er das Kichern nicht hören musste. Ganz ruhig, Elias, dachte er sich. Atme tief durch. Lass die Bestie nicht hervorkommen. Du bist ganz ruhig. Du bist in Ordnung.
Seine Laune hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht. Heute Abend würde er sich vermutlich wieder vollfressen und dann einen Porno reinziehen - so wie er es beinahe jeden Abend tat.
Elias packte seine Sachen wieder ein. Die Lust auf ein Bad war ihm gründlich vergangen.