Am nächsten Morgen erschien Evelyn alleine und auch später als sonst am Frühstückstisch, wo Blaise als einziger noch verblieben war. "Verzeih bitte den Ausdruck, aber du siehst aus als sei eine Herde Graphörner über dich getanzt."
Ihre Antwort war nur ein leises Murren, während sie sich ihm gegenüber auf die Bank fallen ließ. Eher unwillig griff sie nach der Teekanne; was würde sie jetzt für einen Kaffee geben. Zum ersten Mal seit langem dachte sie auch wieder an eine Zigarette, die ihre Nerven sicherlich beruhigt hätte. Beide Drogen würde sie als Schüler hier nicht bekommen. Unglaublich, die machen mich wieder zum Raucher. Ohne das Essen anzufassen schluckte sie eine ganze Tasse warmen Tees hinunter und verzerrte das Gesicht.
"Pansy?", riet Zabini vorsichtig in den Raum, woraufhin Evelyn schwach nickte. "Ja, die anderen Mädchen waren auch nicht gesprächig gewesen."
Sie hatte eine fürchterliche Nacht hinter sich, in der sie trotz Müdigkeit kaum geschlafen hatte. Teilweise, weil sie ständig das Gefühl hatte Paimon würde es doch schaffen aus seinem seidenen Käfig zu fliehen, und teilweise, weil sich Pansy und Daphne beinahe die ganze Nach durch geschlossene Vorhänge hindurch gestritten hatten. Irgendwann hatte Evelyn aus Verzweiflung nach ihrem Zauberstab gegriffen und, die Spitze auf die Vorhänge gerichtet, die Formel für den Schweigezauber gemurmelt. Außer ein paar flackernden Funken hatte sich aber nichts getan; wäre auch zu schön gewesen.
Kaum, dass es endlich ruhig geworden war, hatte die Uhr sie geweckt. Der erste Unterrichtstag hatte noch nicht begonnen und Evelyn fühlte sich bereits hundeelend und geistig erschöpft.
"Was hat Draco gestern noch gesagt?", fragte sie schließlich mit heiserer Stimme an Blaise gewandt. Das Essen ignorierte sie noch immer und begnügte sich stattdessen mit einer weiteren Tasse Tee.
"Nichts, um ehrlich zu sein. Weder über Pansy noch zu der ganzen Heiratssache. Eigentlich hat er sich nur beschwert, wie schlimm sein Rücken weh tut nach der Zugfahrt, dieser alte Greis. Oh, und ich glaube er hat etwas zum Quidditch Team gesagt, ich habe ihm aber schon nicht mehr zugehört." Er schmunzelte und Biss von seinem Brot ab, während er Evelyn eingehend betrachtete.
"Wieso bist du eigentlich so früh hier?" Evelyns Kopf begann nur langsam in Fahrt zu kommen. Selbst die lange kalte Dusche, die sie sich gegönnt hatte, wollte nicht so recht anschlagen. Sie wünschte sich wirklich einen Kaffee, der ihr half den Nebel in ihren Gedanken zu vertreiben. Zumindest redete sie sich ein, das bittere Getränk wäre dazu im Stande.
"Früh? Evelyn, der Unterricht beginnt gleich. Du, meine Liebe, bist spät. Hast du nicht gemerkt, dass die anderen schon hier waren?" Unbeeindruckt von Evelyns irritiertem Gesicht schob er ihr sowohl ein Päckchen, als auch ein vertrautes Pergament vor die Nase. "Das kam mit den Eulen", er deutete mit deinem Brot auf das gebundene Paket, "und das haben uns die Vertrauensschüler gegeben. Unser Stundenplan ist Folter, schau's dir ruhig an." Er wartete gar nicht, dass Evelyn etwas erwiderte, sondern biss erneut von seinem Frühstück ab. Dass der Unterricht tatsächlich in kürze begann, schien ihn kaum in seiner Ruhe zu stören.
Der Stundenplan war genauso wie der vom ersten Jahr in Spiralen aus sich bewegenden Buchstaben geschrieben, die sie nun jedoch weitaus schneller entschlüsselte, nun, da sie wusste, wie man ihn lesen musste. Stumm drehte sie in Leserichtung das Papier in ihren Fingern und baute sich in Gedanken ihren Stundenplan für das Jahr. Zabini hatte recht, das war Folter. Schon ihre ersten Stunden, die gleich beginnen würden, würden Verwandlung sein, und das gleich doppelt, gefolgt von Zaubertränke. Genau das hatte sie noch gebraucht.
"Binns? Am Nachmittag? Heute?" Einen Satz brachte sie nicht zustande, doch Blaise hatte sie auch so verstanden.
"Leider. Der wird sowieso wieder glauben, wir hätten seinen Unterricht geschwänzt. Alle. Simultan. Zwei Monate lang."
"Haben die auch die Zeiten geändert?" Sie wusste nicht ob es an ihr und ihrem müden selbst lag, dass die fliegenden Zahlen zwischen den Buchstaben eine andere Periodenlänge anzeigten, als sie es vom ersten Jahr gewohnt war.
"Haben sie", bestätigte Blaise und klang so, als wäre er selbst nicht begeistert.
Seufzend betrachtete sie erneut das Pergament und prägte es sich so gut es ging ein, wobei sie schnell erkannte, dass sie sich nichts davon merken konnte. Sie registrierte dennoch zufrieden, dass der Flugunterricht von ihrem Stundenplan verschwunden war. Ein Unterricht, dem sie nicht nachweinte.
Ohne auf Schönheit zu achten faltete sie das Pergament grob und widmete sich dann dem Paket, von dem sie schon eine gute Vorstellung hatte, was es beinhaltete. Ein schmaler Brief, kaum größer als die Innenfläche ihrer Hand, war an einem Band daran befestigt. Darin waren nur wenige Worte:
Öffnen Sie es in Ihrem Zimmer.
G. Ollivander
Er hatte ihr, wie gehofft, Paimons Terrarium geschickt, und offenbar in geschrumpfter Version. Der Blick in die Halle, die wirklich auffällig leer war, wie sie nun feststellte, machte klar, dass sie keine Zeit haben würde Paimon jetzt ins Terrarium zu legen. Professor McGonagall mochte es nicht, wenn man zu spät kam wie eigentlich jeder Lehrer hier.
Sie packte das Terrarium zusammen mit dem Stundenplan weg und trank den Rest ihres Tees aus, der ihr ganzes Frühstück bleiben sollte.
"Schluck runter, wir müssen los."
Sie wartete nicht ab, ob Zabini protestierte, sondern lief am Tisch vorbei, vor zur Tür, von wo aus sie ihre Beine den Weg zu Professor McGonagalls Klassenraum finden ließ. Blaise, der ihr hinterhergerannt kam, war jedoch die größere Hilfe, indem er sie sanft daran erinnerte, wann sie abbiegen musste.
"Wenigstens ein Danke schön hätte ich ruhig verdient, immerhin war ich der einzige, der auf dich gewartet hat. Aber nein, was bekomme ich? Sie rennt einfach davon und lässt mich nicht mal mein Brot aufessen."
Blaise gestikulierte wild neben ihr und mimte den aufgebrachten Jungen. Wäre Evelyn ausgeschlafen gewesen und hätte sie nicht die letzten Stunden in angespannter Atmosphäre verbracht, hätte sie womöglich einfach über Zabinis gespieltes Verhalten gelacht. So aber nahm sie alles viel zu ernst.
"Entschuldige bitte, natürlich bin ich dir dankbar. In letzter Zeit habe ich ein Händchen dafür, alle gegen mich aufzuhetzen."
"Ich mach doch nur Spaß", meinte Blaise schnell als er erkannte, dass Evelyn diesem Mal nicht mit seinem Humor aufzuheitern war. Seine Miene verdüsterte sich. "War es so schlimm?"
Wieder hielt sich Evelyn zurück und dachte daran, wie sie Pansy nach ihrer Bemerkung eine Ohrfeige verpasst hatte. Ein kindischer Zug, wie sie nun fand und rückblickend betrachtet, hätte sie es vermutlich nicht tun sollen. Was hatte sie dadurch schon erreicht außer, dass sie Pansy einen weiteren Grund gegeben hatte sauer zu sein? Sie war die ältere, bei weitem, und sie sollte sich dementsprechend verhalten.
"Sagen wir einfach, das ist ein Problem, das wir Mädels unter uns klären müssen."
Sie sah in Blaise Augen, wie wenig er von ihrer Erklärung hielt, allerdings rechnete sie es ihm an, dass er daraufhin nicht weiter bohrte.
Das Klassenzimmer war bereits gut gefüllt mit Slytherin und Ravenclaw, mit denen sie sich Verwandlung teilten. Noch herrschte aufgeregte Gemurmel und das Rascheln von Pergament war deutlicher zu hören, als das Schlagen von Flügeln von all den lebenden Vögeln, die in ihren Käfigen über ihnen hingen.
Viel Platz an den Tischen gab es nicht mehr, und Blaise steuerte beinahe sofort die leere Bank neben Draco an, während Evelyn eher kritisch bemerkte, wie Millicent ebenfalls alleine an einem der Tische saß. Sei kein Feigling!
Mit mulmigem Gefühl trat sie neben Millicent und lächelte sie schwach an. "Ist da noch frei?"
Millicent schaute nur kurz nach oben, ehe sie ihre Sachen näher zu sich schob und Evelyn damit einlud Platz zu nehmen. Während sie sich setzte ließ sie hörbar ihren Atem aus. Tatsächlich war sie sehr erleichtert über Millicents Reaktion. "Danke."
Millicent erwiderte nichts, konnte sie aber auch nicht, da Professor McGonagall in diesem Moment den Unterricht eröffnete.
"Willkommen, Schüler, zu eurem zweiten Jahr hier auf Hogwarts. Ich freue mich Sie so zahlreich zu sehen und ...", ihre Stimme war fest und bei weitem nicht so monoton, wie Professor Binns später ohne Zweifel seine Rede halten würde, aber Evelyn hatte trotzdem Probleme sich zu konzentrieren. Ihr Blick war auf McGonagall gerichtet, die vor ihnen stand, den Zauberstab zwischen ihren gefalteten Händen bereit, aber gedanklich war Evelyn schon bald woanders.
Nicht nur der Streit zwischen Pansy und Daphne beunruhigte sie, sondern auch das Wissen Paimon alleine im Schlafsaal gelassen zu haben, noch immer gefangen in der Kleidung aus Seide, beschäftigte sie. Egal wie sehr sie sich bemühte, ihre Konzentration entglitt ihr wie Sand zwischen den Fingern, wann immer sie sich selbst ermahnte. Es war einer dieser Tage, schoss es ihr durch den Kopf.
"Ich habe heute Nacht kein Auge zu gemacht", flüsterte Millicent plötzlich, den Blick auf ihr Pergament gerichtet, so als las sie ihre Notizen. Evelyn war weniger subtil und starrte Millicent nonchalant von der Seite an.
"Kein Wunder, die Streithähne wollten ja auch nicht still sein." Evelyn hatte nicht sofort geantwortet, aus Überraschung Millicents Stimme zu hören. Als sie schließlich Millicent leise lachen hörte, entspannte sich Evelyn merklich.
"Streithähne, ich mag das Wort." Sie schwieg einige Sekunden, da Professor McGonagall sich ihrem Tisch näherte, jedoch setzte sie schnell ihre Wanderung durch das Zimmer fort. "Ich habe versucht einen Schweigezauber auf meine Vorhänge zu hexen; hat aber nicht geklappt."
"Ich auch", sagte Evelyn mit Resignation. "Merlin, und ich wollte doch einfach nur schlafen."
"Daphne hat Pansy heute Morgen nicht einmal angeschaut. Fortschritt würde ich sagen."
Evelyn drehte ihren Kopf, so als schaute sie der Verwandlungslehrerin hinterher, wobei sie in Wahrheit den Raum nach Pansy und Daphne absuchte. Jede hatte sich ans andere Ende des Raumes voneinander weg gesetzt, wo sie nun mit Ravenclaws ihren Platz teilten. Trotz Entfernung meinte sie auch unter ihren Augen schwarze Schatten zu sehen. Vielleicht schlafen sie wenigstens heute Nach vor Erschöpfung.
Evelyn hätte gerne einige Worte zu Millicent gesagt, sich vor ihrer Freundin zu den Beschuldigungen von Pansy geäußert, aber das war ein Gespräch, das man nicht flüsternd im Verwandlungsunterricht halten sollte.
Millicent stuppste sie mit dem Ellbogen leicht an und holte sich damit ihre Aufmerksamkeit. "Du hast heute Morgen beim Frühstück ein Spektakel verpasst. Weasley hat einen Heuler bekommen! Die ganze Halle konnte hören, wie seine Mutter ihn angeschrien hat."
Evelyns Augen wurden groß, was Millicent als Verblüffung verstand. "Warum einen Heuler?" Man konnte sehen, wie eifrig Millicent war ihr von der Sensation des Tages zu erzählen, also spielte Evelyn mit.
"Weiß ich nicht. Sie hat etwas gesagt von einem Auto und wie er es geklaut haben soll. Muss alles gestern passiert sein. Bestimmt hat Snape deshalb Dumbledore und McGonagall während dem Essen aus der Halle gebeten. Ist dir aufgefallen, dass Weasley und Potter gestern gar nicht da waren?"
"Nein", log Evelyn mit einem gespielt entsetzten Blick.
"Ein Erstklässler, Harper Sayre hieß er glaub ich, hat gesagt Weasleys kleine Schwester habe den ganzen Abend nach ihrem Bruder und Potter gesucht."
"Miss Bulstrode, Miss Harris, ich bin sicher Sie haben sich nach den Ferien eine Menge zu erzählen. Wenn Sie Ihren Tratsch aber bitte auf nach meinem Unterricht verschieben würden?" McGonagalls ernste Stimme schnitt durch den Raum und ließ sowohl Millicent als auch Evelyn schnell verstummen. "Ich versuche hier Ihnen und Ihren Mitschülern die wichtigsten Regeln noch einmal zu erklären, wenn Sie mir aber dabei helfen würden? Miss Harris, nennen Sie mir die korrekte Vorgehensweise einer perfekten Verwandlung."
Sie schluckte kurz und begann in ihrem Gedächtnis nach der Antwort zu suchen. Verdammt, das ist Wochen her. "Ja, Ma'am." Millicent, neben ihr, atmete aus, erleichtert darüber nicht diejenige zu sein, die diese Frage beantworten musste, wobei Evelyn nicht gerade die Zuversicht in Person war. Langsam tastete sie sich heran und begann mit den Schlagworten, an die sie sich mit Sicherheit erinnerte. "Konzentration, Entschlossenheit und Feingefühl für die Aufgabe vor einem ..." Sie gönnte sich eine kurze Denkpause, die ihr McGonagall gab. "Konzentration für das Objekt, lebend oder nicht, aus Respekt vor der Magie, die man ausführt. Entschlossenheit und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Der eigene Wille muss größer sein, als der Wille des Objekts, das seine Form behalten möchte." Sie sah, wie Professor McGonagall langsam nickte und fühlte sich bestärkt. Das Wissen, das sie letztes Schuljahr gelernt hatte, kehrte zurück.
"Eine perfekte Verwandlung ist das Zusammenspiel größter Konzentration, eines festen Willens und dem Feingefühl sich dem jeweiligen Objekt anzupassen. Jede Verwandlung ist anders und jedes Objekt muss einzigartig behandelt werden. Die Hexe oder der Zauberer müssen das Objekt verstehen, um es in eine andere Form zwingen zu können."
"Sehr gut, Miss Harris. Auch wenn Sie keine Wiederholung benötigen, sollten Sie den Respekt, von dem Sie gerade gesprochen haben, auch Ihren Klassenkameraden zukommen lassen und während meines Vortrags schweigen. Bleiben Sie noch einige Minuten nach meinem Unterricht, bitte."
Evelyn schluckte und akzeptierte ihr Schicksal, während die Professorin ihren Vortrag fortfuhr. Millicent und sie warfen sich stumme Blicke zu und entschieden, dass es Zeit war ihr zuzuhören.
Die Doppelstunden waren im Allgemeinen weniger belastend als es Evelyn von Verwandlung gewöhnt war, worüber sie ganz froh war. McGonagall begnügte sich damit die Zeit zu nutzen um eingehend das Gelernte des letzten Jahres aufzuarbeiten und abzufragen; etwas, worin Evelyn gut war und was sie einige Male unter Beweis stellte. Man ersparte ihr einen sofortigen Zauberversuch und gab ihr und allen anderen eine Schonfrist, auch wenn es Schüler gab, die das nicht als etwas Positives sahen. Wiederholungsstunden waren nicht beliebt, und so verschwanden sie eher gelangweilt aus dem Klassenzimmer; außer Evelyn. Langsam räumte sie ihre Sachen ein und wartete schließlich, bis der Raum sich geleert hatte.
Professor McGonagall saß nun an ihrem Schreibtisch, die staubige Tafel hinter sich. "Miss Harris, ich hoffe Sie haben die Ferien genutzt um ihre Fähigkeiten im Umgang praktischer Magie zu verbessern? Ihr Wissen ist bemerkenswert, was Sie heute erneut gezeigt haben. Ihre praktischen Fähigkeiten hingegen sind letztes Jahr trotz Nachhilfe weiter zurückgefallen." Sie lehnte sich nach vorne. "Haben Sie Sorgen? Bekümmert Sie etwas, das ihre Leistungen behindern könnte?"
Evelyn rang um Worte. Was sollte sie dazu schon sagen? Natürlich hatte sie das, aber nichts davon konnte sie McGonagall anvertrauen. "Nein, Ma'am. Ich bemühe mich, das tu ich wirklich. Verzeihen Sie, wenn ich Sie enttäusche."
"Sie enttäuschen niemanden, Miss Harris. Sie sind hier um zu lernen." Mit einem Ruck stand sie auf und umrundete ihren Schreibtisch, nur um vor Evelyn stehen zu bleiben. Obwohl Evelyn ihre Größe ein wenig angepasst hatte um ein Wachstum zu simulieren, überragte McGonagall sie noch spielerisch. "Reden Sie mit Ihrem Hauslehrer. Außerdem dürfte weitere Unterstützung von Mr Booth sicherlich auch nicht schaden."
Evelyn konnte nicht anders, als humorlos zu lachen. "Professor, ich denke nicht, dass mein Hauslehrer Zeit hat sich anzuhören, was mich bedrücken könnte." Mit Zeit meinte sie eindeutig Lust, was McGonagall auch so verstand.
"Er wird sich die Zeit nehmen, oder ich spreche mit ihm."
Sie erinnerte sich noch, wie Snape das letzte Mal reagiert hatte, als McGonagall sich in die Angelegenheiten der Slytherin eingemischt hatte. "Nein, Professor, bitte. Ich danke Ihnen, aber es gibt wirklich nichts, das ich Professor Snape erzählen könnte; oder Ihnen. Ich bin einfach nur etwas langsam im Lernen."
Mit überkreuzten Armen stand Professor McGonagall vor und betrachtete sie stumm und ohne Emotion im Gesicht. Evelyn konnte nicht sagen, ob man ihr glaubte oder ob McGonagall sie intuitiv durchschaute. "Wie Sie möchten, Miss Harris. Reden Sie dennoch mit Mr Booth."
"Ja, Ma'am." Insgeheim wollte sie auch in diesem Punkt nicht McGonagalls Wunsch nachgehen, da William dieses Jahr seine UTZ schreiben würde und sie nur ungern seine Zeit in Anspruch nahm. Für den Moment würde sie aber ihrer Lehrerin geben, was sie verlangte, und das war Gehorsam.
"Gehen Sie, Miss Harris. Ihr nächster Unterricht beginnt gleich. Mein Kollege wird schnell ungeduldig."
Dazu sagte sie nicht nein. Mit kurzem Gruß verschwand sie und rannte eilig die Treppen hinunter in die Kerker. Eigentlich wollte sie vor dem Tränkeunterricht Paimon in sein Terrarium legen, doch nun müsste sie sich beeilen, zum zweiten Mal heute, rechtzeitig zum Unterricht zu kommen. Sie war schnell außer Atem und hob sich die schmerzende Seite, ehe sie eintrat. Da muss jemand wieder ein bisschen mehr Runden um den See laufen.
Wie die nächsten anderthalb Stunden verlaufen würden, zeigte sich schon, als Evelyn das stickig Tränkezimmer erreichte. Das Gelächter, etwas, das es eigentlich selten hier unten gab, war groß und es wurden ständig ein und dieselben Sätze gerufen; trotz Anwesenheit Snapes, der stumm hinter seinem Pult darauf wartete, dass er die Stunde beginnen konnte.
"Ich dachte, dein Vater würde vor Scham sterben!"
"Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie dich rausgeworfen hätten."
Voll gespielter Theatralik zitierten Draco, Pansy, Crabbe und Goyle beinahe den gesamten Heuler von Mrs Weasley, ahmten dabei sogar Ron nach, wie er darauf reagiert hatte. In der Enge des Tränkezimmers war es beinahe unmöglich für Ron dem Gespött zu entgehen, also versuchte er sich hinter seinem aufgeschlagen Buch zu verkriechen, dessen Vorderseite völlig abgewetzt und kaum zu lesen war.
Wie schon während Verwandlung nahm sie neben Millicent Platz, die dem Spektakel zuschaute.
"Ärger von der Gonagall bekommen?"
Evelyn schüttelte den Kopf, während sie ihren Kessel richtete. "Nein, nicht direkt. Sie wollte mich nur erinnern wie mies ich im Zaubern bin."
Evelyn hatte zwar bei der eigentlichen Ankunft des Heulers gefehlt, die ständigen Wiederholungen gaben ihr allerdings ein ziemlich gutes Bild davon, wie sich Mrs Weasleys Stimme an diesem Morgen in der Halle angehört hatte, und musste selbst Schmunzeln. Ihr Gewissen beruhigte sie damit, dass sogar einige der anwesenden Gryffindor, wie Seamus oder Lavender, ebenfalls grinsten.
Snape unternahm nichts, um die Kommentare zu unterbinden. Im Gegenteil, er schien sich seinerseits köstlich zu amüsieren. Rons Wangen wollten gar nicht mehr ihre rote Farbe verlieren, und auch Harry sah die meiste Zeit peinlich berührt aus, was Evelyn versuchte so gut es ging zu ignorieren und sich stattdessen auf Millicent zu konzentrieren.
Als Snape schließlich nach vorne trat und Aufmerksamkeit verlangte, war Ron wohl zum ersten, und vermutlich auch letzten, Mal froh ihn reden zu hören.
Im Gegensatz zu McGonagall vergeudete er keine Zeit mit Wiederholungen. Er nahm einfach an, dass sie alle noch wussten wie man mit den Instrumenten umgehen zu hatte oder wie man einen Furunkel-Trank zubereitete. Stattdessen ließ er sie sofort einen neuen Trank vorbereiten, worin Evelyn mehr als nur ein bisschen aufging. Nach dem Gespräch mit McGonagall gab ihr dies nun das Gefühl, nicht ganz inkompetent zu sein, während sie die Zutaten abwog, vorbereitete und in den Kessel gab. Sie konnte sich beinahe ungestört ihrem Kessel widmen, da Snape sich eher auf Potter und Weasley konzentrierte und alles kritisierte, was sie anfassten. Selbst wie sie das Messer hielten, entsprach nicht seinen Vorstellungen und er bestrafte dies auch gleich mit 5 Punkten Abzug.
"Mr Weasley, wenn Sie das Messer weiterhin wie ein primitiver Affe halten, schneiden Sie sich ihren Finger ab, was mich kostbare Zeit kosten würde ihrem Gejammer zuzuhören."
Unbewusst änderte auch Evelyn ihren Griff um ihr Messer, wobei sie genau wusste, dass an der Art wie sie schnitt nichts falsch war; ebenso wie mit Rons Technik.
Ron, der bereits einiges zu schlucken gehabt hatte, starrte Snape mit zusammengebissenen Zähnen hasserfüllt hinterher und hackte nun eher blind auf seinem Brett und auf was auch immer er zu zerkleinern versuchte.
"Irgendwie habe ich das ja vermisst", meinte Millicent schmunzelnd und nutzte die Gelegenheit auch gleich sich abzuschauen, wie Evelyn ihre Zutaten präparierte, was sie nicht gerade unauffällig tat.
Ein wenig gab Evelyn ihr recht: dies gehörte zu Hogwarts und ihrem Leben. Strenger Unterricht, maulende Schüler und ein mies gelaunter Hauslehrer.
Bis zum Ende der nun etwas kürzeren Schulstunden war Evelyns Geist vollständig erwacht, was auch ihren Appetit förderte und sie nun schmerzlich das Frühstück vermissen ließ. Trotzdem war ihr erster Gang nicht hinauf in die Halle, wo bereits der Lunch auf sie wartete, sondern weiter hinunter in die Kerker. Millicent wirkte überrascht, als Evelyn sie hinter sich her zog, folgte ihr aber als sie sah, wie Evelyn vor Vorfreude über beide Ohren grinste.
"Ich muss dir etwas zeigen", sagte sie, als sie den Gemeinschaftsraum erreicht hatten und sie Millicent von dort aus weiter hinunter in die Schlafsäle führte. Im Vorbeigehen griff Evelyn in die Obstschale und gönnte sich einen Apfel, der zumindest ihre Bauchschmerzen und ihren knurrenden Magen fürs erste beruhigte.
Sie war leicht nervös, als sie ihren Vorhang zur Seite schob und erwartete sogar halb, Paimon nicht auf ihrem Bett zu finden. Als sie ihn aber an Ort und Stelle in der Kuhle aus Seide vorfand, wenn auch nicht schlafend sondern sehr agil, atmete sie beruhigt aus.
"Tut mir leid, du darfst jetzt raus." Sie griff nach der sich windenen Schlange. Scheinbar versuchte er schon seit einiger Zeit seinem Gefängnis zu entkommen, ohne Erfolg. Als wollte er gegen Evelyns Versuch ihn hochzuheben protestieren züngelte er wie wild und drehte den Kopf weg in jede andere erdenkliche Richtung. "Sei nicht beleidigt, es ging nicht früher."
"Du hast Paimon mitgebracht!"
Millicent, die nun verstand was Evelyn ihr hatte zeigen wollen, schaute über ihre Schulter und streckte der schlecht gelaunten Schlange die Hand entgegen, um ihn am Körper zu streicheln. Berührungen jeder Art waren Paimon jedoch gerade zuwider, und so beugte er sich unter dem Finger hindurch.
"Er hat wohl schlechte Laune."
"Hätte ich auch, wenn ich nicht vom Fleck käme." Seine Allüren ignorierend, reichte sie ihn an Millicent weiter. "Du hast gleich dein Terrarium wieder." Hoffe ich, schob sie in Gedanken nach und beeilt sich das Paket aus ihrer Tasche zu holen.
Viele Anweisungen außer Öffnen Sie es in Ihrem Zimmer hatte ihr Ollivander nicht gegeben, daher blieb ihr nichts anderes übrig, als sich einfach wörtlich an seine Worte zu halten.
Mit einem Ruck hatte sie das dünne Seil, das sich mehrmals um das Paket wickelte, auseinandergerissen und zog nun an dem dünnen Papier. Der Deckel der Schachtel war kaum offen, als Evelyn etwas entgegen gehüpft kam.
"Wow, schnell, stell es ab", rief Millicent, die sich auf ihr Bett rettete und Paimon an sich drückte. Den Ratschlag hätte Evelyn nicht gebraucht, da es sowieso ihre erste Reaktion gewesen war das Paket loszulassen. Der durchsichtige Würfel quoll aus dem Karton, bis er dessen Rand überragte und schließlich regelrecht unter sich begrub. Das Terrarium wuchs knirschend vor ihren Augen zur vollen Größe, sodass es den Blick durch das Fenster beinahe versperrte. Evelyns Bett, das zu nah gestanden hatte, wäre sicherlich beiseitegeschoben worden, so als wäre das wachsende Terrarium aus massivem Metall, wenn es nicht an Decke und Wand befestigt gewesen wäre. So aber drückte sich das Terrarium nur selbst schwerfällig über den Boden und Zwang sie einige Schritte nach hinten zu weichen. Ollivander musste es zusätzlich bruchsicher gemacht haben, damit der empfindliche Glaskasten die Reise per Flug heil überstand.
Irgendwann hörte es mit einem letzten Plopp auf sich auszudehnen, und stand nun mitten im Raum.
"Und jetzt?", sprach Millicent den Elephanten im Raum offen an, während sie mit einem Hüpfer wieder auf dem Steinboden landete.
"Hilf mir das Ding zur Seite zu schieben."
Empört schnitt Millicent eine Grimasse. "Was? Schieben? Nein." Entschlossen legte sie eine Hand auf den noch immer unruhigen Paimon und ließ sich im Schneidersitz auf ihre Matratze fallen, wobei sie leicht auf und ab wippte. "Ich finde, das ist eine gute Gelegenheit zu üben." Ein schelmisches Glitzern erschien in Millicent sonst so fröhlichen Augen, sodass Evelyn unwillkürlich den Kopf in den Nacken lehnte und aufstöhnte, wohl ahnend, was Millicent mit ihren Worten gemeint hatte.
"Bitte nicht. Hilf mir einfach das Ding zu schieben", wiederholte sie mit Nachdruck, doch Millicent blieb stur.
"Du hast gehört was McGonagall gesagt hat. Du brauchst mehr Übung. Bist du eine Hexe, oder bist du eine Hexe?"
"Manchmal zweifle ich daran aber ganz stark", flüsterte sie ihre Antwort auf die rhetorische Frage, zog aber dennoch ihren Stab aus dem Umhang.
"Ein Wingardium sollte ausreichen."
Evelyn Widerstand dem Drang die Augen zu rollen und fixierte stattdessen das Terrarium. "Gut, dass ich wenigstens den Reparo einigermaßen gemeistert habe. Hier wird es gleich ordentlich scheppern."
Es war das erste Mal seit Wochen, dass Evelyn ihren Zauberstab hielt mit dem Vorhaben ihn auch zu benutzen. Sie möchte es ihn abends einfach zu halten, oder ihn in Gedanken in ihren Fingern kreisen zu lassen, ansonsten war er aber ziemlich nutzlos in ihren Händen. Das Gefühl des Holzes war ihr mittlerweile mehr als vertraut, schon weil sie die meisten ihrer Tage im Sommer mit Ollivander in der Arbeitsstube und den vielen Rohlingen verbracht hatte. Zufrieden stellte sie fest, dass sie einen Unterschied zwischen ihrem Stab aus Weißdorn und den anderen Hölzern erfühlen konnte und musste leicht lächeln. Die Berührung des Weißdorn fühlte sich sanfter an, fühlte sich richtig an.
"Wingardium Leviosa!"
Sofort, als sie die Bewegung vollendet hatte, schwebte das Terrarium einige Zentimeter in die Höhe und Evelyn hätte vor Schreck beinahe die Konzentration verloren und den Glaskasten fallen gelassen.
"Eve!", rief Millicent, die genauso schockiert aussah, wie Evelyn sich fühlte. "Wo kommt das denn her?"
"Ich hab keine Ahnung!" Ihre Hand, die den Stab umklammert, begann unkontrolliert zu zittern und Evelyn war sich unsicher, ob es wegen der Aufregung war, oder sie sich das Gewicht, das vermeintlich an ihrem Stab und ihrer Hand zerrte, einbildete. "Hilfe", sagte sie schwach ohne sich allzu sehr zu bewegen, den Blick auf Millicent gerichtet. Sie hatte zwar gesagt, es würde etwas zu Bruch gehen, aber eigentlich wollte sie das tunlichst vermeiden.
"Ganz ruhig, es ist in der Luft. Das ist gut!" Sie zeigte mit dem Finger auf das Fenster und schien zu vergessen, dass Paimon sich noch immer um ihre Hand geschlungen hatte, sodass er nun bei der Bewegung ziemlich geschüttelt wurde. Evelyn hätte etwas gesagt, wenn sie nicht beschäftigt gewesen wäre das Ding irgendwie zu halten. Wird das schwerer?
"Benutz deinen Stab um das Objekt zu bewegen. Langsame Schwenker. Ganz langsam." Millicent war beinahe genauso nervös wie Evelyn, vor allem da mit Evelyns erstem zaghaftem Zug des Stabes das Terrarium nur an Höhe gewann, statt sich zu bewegen.
"Vorsicht, Bettpfosten!" Mit einem dumpfen Rums stieß die Vorderseite des Gestell gegen das dunkle Holz, wo eindeutig eine neue Kerbe zu sehe war. Evelyn konnte nichts sagen, sondern bemühte sich nur das nun schwankende Terrarium zu stabilisieren.
"Nicht schlimm, die Möbel sehen ohnehin mitgenommen aus, das merkt niemand. Mach weiter."
Etwas so Großes hatte sie noch nie schweben lassen, dem entsprechend unhandlich kam ihr die ganze Sache vor. Es war ein Unterschied ein Buch oder ein Kissen zu Übungszwecken von A nach B zu dirigieren, meistens in einem Raum, in dem es nicht überall Hindernisse gab.
Im gefühlten Millimeterbereich bewegte sie ihren Zauberstab und dadurch auch das Terrarium, das langsam ihrem Willen gehorchte. Angespannt ließ sie es über das Wasserbecken gleiten, hielt dann aber den Atem an, bis sie es direkt vor das Fenster gebracht hatte. Sie konnte nicht verhindern, dass es ein wenig zu weit flog und abermals mit der Umgebung zusammenstieß. Glas traf auf Glas, was einen hässlich grellen Ton verursachte und Evelyn das Gesicht verzerren ließ. Sie vermutete sogar einen Kratzer in der großen Scheibe zu sehen.
"Wie krieg ich es runter?" Schweiß hatte sich auf ihrer Stirn gebildet und auch der Stab drohte ihr allmählich aus der Hand zu gleiten, die völlig feucht war. "Einfach absetzen?"
Als Antwort zuckte Millicent nur kurz mit dem Kopf, was wohl ein Nicken darstellen sollte. Auch sie wirkte hoch konzentriert, so als würde sie sich bereit machen zu springen falls das Terrarium außer Kontrolle geraten würde. Evelyn konnte es ihr nicht verübeln.
Während sie ausatmete, ließ sie ihre Zauberstabhand langsam sinken und mit ihr das Gestell, bis es, leicht schief, an Ort und Stelle stand. Evelyns Herz klopfte ihr bis zum Hals und ihre Knie konnten sie nicht mehr halten. Sie fühlte sich, als hätte sie einen Marathon gerannt. Und das alles auf leeren Magen.
Sie kniete mit hängendem Kopf am Boden, als sie ein Gewicht am Rücken spürte. Millicent umarmte sie von hinten und legte sich förmlich auf sie.
"Du zerquetscht mich und Paimon", sagte sie fast keuchend, was Millicent ungeniert überging.
"Das war großartig! Hätte nicht gedacht, dass das klappt."
Evelyn lächelte schwach, während sie sich zusammen mit Millicent nun vollständig auf den Boden fallen ließ. "Das ist eigentlich mein Text." Der kühle Boden, der sich in ihren Rücken drückte, tat ihr gut und so genoss sie mit geschlossenen Augen, keine ihrer Muskeln bewegen zu müssen. Momentan fehlte ihr selbst die Energie zum Aufstehen. "Legst du bitte Paimon in sein Terrarium?"
Sofort kam Millicent der Bitte nach und sprang mit jugendlichem Elan auf, Paimon noch immer um die Hand gewickelt, und legte ihn in sein neues altes Zuhause. "So, ohne dich hätte hier auch etwas gefehlt. Bin gespannt was Daphne und Pans-" Sie brach ab und es entstand eine peinliche Stille, die Evelyn kaum kümmerte. Sie hob die Hand und wedelte Millicent schwach zu, ohne aufzublicken.
"Komm her, der Boden ist bequemer als er aussieht."
Wieder kam Millicent ihrer Bitte stumm nach und ließ sich, etwas eleganter als Evelyn zuvor, auf den Boden direkt neben ihr nieder, sodass sie beide nun die gewölbte Decke betrachteten.
"Millicent, hör zu, was Pansy da gestern gesagt hat, das ... ", sie suchte nach den richtigen Worten, fand sie aber nicht. Glücklicherweise half ihr Millicent aus.
"Ich mache dir keine Vorwürfe, und was sie gesagt hat, war nicht gerecht. Nach ihrer Logik könnte ich genauso gut die Hälfte der Schule hassen."
"Ich verstehe sie aber. Ich kann nicht mal ansatzweise nachvollziehen, wie es für euch sein muss euer Leben bestimmt zu bekommen."
"Ach was, sie übertreibt. Mum hat mich durchaus gefragt, was ich von der Sache halte. Sie spielen mit dem Gedanken, aber wenn ich wirklich Nein sage, dann hört Mum auf mich."
Evelyn drehte überrascht den Kopf, um Millicent anschauen zu können. "Würde sie?"
"Sicher. Das ist zwar von Familie zu Familie unterschiedlich, da will ich nichts schön reden, aber wegen mir musst du dir keine Sorgen machen."
"Trotzdem will ich mich entschuldigen, falls ich irgendetwas gesagt haben sollte, vielleicht auch schon früher, irgendwann letztes Schuljahr."
"Musst du nicht, und Pansy sollte auch keine verlangen. Wir wissen alle, was unsere Pflicht ist. Daphne genauso. Ich werde irgendwann heiraten müssen, das steht außer Frage, aber ein bisschen Mitspracherecht habe ich schon. Mir ist es auch egal, wie angesehen die Familie ist."
"Naja, jetzt hatte Pansy schon eine Entschuldigung verdient. Die Ohrfeige würde ich gerne zurück nehmen."
Empört setzte sich Millicent auf. "Definitiv nicht! Die hat sie verdient. Was sie da zu Daphne gesagt hat, war unnötig und verletzend." Sie zog ihre Füße an und umfasste sie mit beiden Händen. Evelyn lag noch immer am Boden, konnte aber schon wieder etwas besser atmen. "Wenn, muss sich Pansy bei Daphne entschuldigen, aber der Sturkopf wird das nicht tun."
"Heute Nacht werd ich sie eigenhändig zum Schweigen bringen, wenn es sein muss. Noch so eine Nacht halte ich nicht durch."
Millicent lachte leise über Evelyns Kommentar. "Vielleicht brauchst du das aber. Dein Wingardium eben war erstklassig."
"Zufall", sagte sie trocken und schloss wieder die Augen. Sie war zu müde um den Triumph wirklich zu spüren.
"Du hast schonmal so gezaubert; damals der Accio."
Evelyn konnte nicht anders als die Stirn zu runzeln. "Du erinnerst dich an die seltsamsten Sachen. Das ist ewig her!"
"Ich weiß es noch, weil niemand von uns einen Accio konnte, Vincent kann immer noch keinen. Du hast den einfach aus dem Handgelenk gezaubert! Und weil es lustig war."
"Lustig", wiederholte Evelyn tonlos und setzte sich schließlich ebenfalls auf, sodass sie mit Millicent auf einer Augenhöhe war. "Das sind spontane Kraftausbrüche. Der nächste Wingardium wird weniger eindrucksvoll, versprochen."
"Was wenn nicht? Es muss doch einen Grund haben, weshalb es einmal funktioniert und einmal nicht. Mehrmals nicht. Meistens nicht." Sie korrigierte Ihre Aussage mit jedem Blick hinüber zu Evelyn, deren Mund immer schmäler wurde.
"Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn. Da ist nichts dahinter."
"Schon wieder ein Huhn. Nein, die streitenden Hühner gefallen mir besser, als das blinde, wobei ich nicht verstehe, was das blinde Huhn mit der Situation zu tun hat?"
"Der Punkt ist", unterbrach sie Millicent Gedankengang und Versuch Sprichwörter zu verstehen, "dass ich ein ... nunja, dass meine Fähigkeiten eher unzuverlässig sind." Sie hätte beinahe One-Hit-Wonder gesagt, hatte sich aber noch bremsen können; das hätte sie nur wieder erklären müssen.
"Genau das glaube ich eben nicht." Die Spitze ihres Zeigefingers bohrte sich in Evelyns Schulter, was diese nur mit einem Blick kommentierte. "Das hat einen anderen Grund. Es kann nicht sein, dass fünf Slytherin und ein Nachhilfe Hufflepuff ein Jahr lang daran scheitern dir die Sprüche beizubringen, und du hier ein riesen Terrarium in die Luft hebst!"
Um darüber zu diskutieren fühlte sich Evelyn eigentlich viel zu müde und hatte gehofft, es dabei belassen zu können. Doch Millicent wollte nicht locker lassen. "Was willst du hören, Millicent? Ich weiß es doch selbst nicht."
"Du bist eine der klügsten Schüler unserer Stufe, denk nach. Gibt es Ähnlichkeiten? Was war damals, als du den Accio gezaubert hast?"
"Ich war müde, genauso wie jetzt. Aber ich war schon oft erschöpft und dann konnte ich nicht plötzlich besser zaubern."
Millicent sprang auf und suchte etwas in ihrer Kommode, was Evelyn neugierig verfolgte. Sie fand schließlich, was sie wollte und setzte sich mit einem frischen Pergament auf ihr Bett, von dem aus sie Evelyn nun betrachtete. Evelyn fühlte sich, als hätte gerade ihre Privatstunde beim Psychiater begonnen.
"Millicent, du musst wirklich nicht-"
"Also du warst müde, was noch? Wie hast du dich gefühlt beim Zaubern?" Den Blick auf ihr eigenes Geschriebenes gerichtet sah sie nicht, wie Evelyn resigniert das Gesicht in ihren Händen vergrub.
Dass sie bis zur nächsten Unterrichtsstunde hier mit Millicent sitzen würde, war schon jetzt abzusehen und innerlich verabschiedete sie sich auch schon vom Mittagessen, das sie wirklich nötig gehabt hätte. Ihr knurrender Magen wurde von Millicent aber überhört.
"In Ordnung, ehm. Ich weiß, dass meine Zauber schwächer geworden sind und ... Millicent du musst nicht alles mitschreiben was ich sage."
"Was. Ich. Sage", sie schaute kurz auf und grinste. "War ein Scherz. Was meinst du mit, sie würden schwächer werden?"
Evelyn überging den schlechten Witz und überlegte sich stattdessen ihre nächsten Worte. "Meine ersten Versuche waren gar nicht so schlecht. Es hat einiges an Zeit gekostet, aber irgendwann konnte ich es; Accio, Reparo, wirkliche Probleme wie ich sie jetzt zum Teil habe, hatte ich nicht."
"Wann hat das angefangen?"
Evelyn zuckte mit der Schulter. "Genau kann ich es dir nicht sagen. War auch eher schleichend."
"Hast du Angst zu zaubern?"
"Wo holst du diese Fragen her?" Überrascht starrte sie Millicent an, die den Blick streng erwiderte und weiterhin auf eine Antwort wartete, sodass Evelyn beigab. "Ich habe keine Angst, denke ich."
"Denkst du?"
Erforsche deine Gefühle, du willst es sagen, Millicent, komm sag es. "Na, wie würdest du dich fühlen, wenn du Woche für Woche zu Flitwick in den Unterricht müsstest und an den einfachsten Dingen scheiterst? Ich würde es einfach gerne vermeiden zu zaubern." Hat die letzten 25 Jahre meines Lebens auch ohne funktioniert. "Das ist keine Angst."
"Doch, du hast Angst zu versagen."
"Wer hat die nicht?"
"Weich nicht vom Thema ab. Du willst gar nicht zaubern, deshalb kannst du es auch nicht."
Eine Logik, wie sie es sich nur ein Kind ausdenken konnte. "Gerade eben wollte ich auch nicht zaubern, und es hat geklappt, oder nicht? Meine Idee war es nicht gewesen einen dutzende Kilo schweren Glaskasten schwebend durch den Raum zu bugsieren."
Millicent wurde still und dachte nach, wobei sie ihre Schreibfeder an ihre Backe schlug. Eine Angewohnheit von ihr, die Evelyn schon oft beobachtet hatte. "Es muss also noch mehr dahinter stecken", sagte Millicent schließlich und fixierte Evelyn erneut. "Erzähl mir von eben. Wie hast du dich gefühlt? Was hast du gedacht? Sollte leicht sein, immerhin ist das nur Minuten her."
Minuten, eher wie Stunden kam es wie Evelyn vor. "Nichts, ich dachte, wie gern ich es einfach schieben, würde. Wie eng der Raum ist und-", sie stockte und schaute Millicent nun direkt in die dunklen Augen, "und, dass ich schon lange meinen Zauberstab nicht mehr benutzt habe."
"Dein Stab?"
"Ja, er ... Ich hatte schon öfter Momente in denen ich geglaubt habe, der Stab kommuniziert mit mir. Letztes Schuljahr musste ich mich sogar entschuldigen."
"Ich erinnere mich. Das gibt es aber, dass manche Stäbe einen eigenen Willen haben. Mum redet auch oft mit ihrem Stab. Allerdings hatte sie noch nie Probleme, denke ich."
"Denkst du?", gab Evelyn dieselben Worte mit schelmischem Grinsen zurück, wurde aber schnell wieder ernst. "Millicent, ich glaube du bist da an was dran." Stöhnend wie eine alte Frau stand sie auf und tauschte den harten Boden mit der weichen Matratze von Millicents Bett. "Egal, wie gut meine Fahigkeiten sind, wenn sich mein Stab verweigert, ist es so, als könnte ich nicht zaubern."
"Soweit warst du doch aber schon. Ich dachte du hättest mit deinem Stab Frieden geschlossen, immerhin hast du ihn jetzt bereits ein Jahr. Bin ich froh, dass mich mein Stab versteht."
Langsam nickte Evelyn. "Ich hätte auch gerne einen Stab, der etwas weniger anspruchsvoll ist."
"Er gehört zu dir. Wärst du nicht genauso wie er, hätte der Stab dich nicht ausgesucht." Ein Seitenhieb und eine spielerische Bemerkung zu Evelyns Charakter, die gleichzeig den wahren Kern der Zauberstabkunde traf. Vermutlich war sich Millicent gar nicht bewusst, wie weise ihre Worte waren, die sie im Scherz gesagt hatte. Statt zu lachen, weiteten sich Evelyns Augen und sofort verschwand auch das Grinsen aus Millicents Gesicht. "Entschuldige, ich wollte dich nicht kränken."
In Evelyns Kopf überschlugen sich die Gedanken und die Erinnerungen an ihre Zauberversuche, und das Muster wurde ihr plötzlich klar. Tatsächlich war es so offensichtlich, dass sie sich fragte, wieso sie es nicht schon viel früher entdeckt hatte. Doch auch dafür hatte sie eine Antwort, denn es war dieselbe, wie für ihr Zauberproblem: sie wollte es nicht glauben. Sie wollte nicht glauben, dass ein Problem existierte, es war einfacher anzunehmen, dass sie schlecht war. Musste sie ja auch sein, immerhin stammte sie aus einer Welt, in der Magie nur die Erfindung von Autoren oder Filmemachern war. Sie glaubte nicht daran zaubern zu können. Nun waren es Ollivanders Lehren, die sie alles klar sehen ließ.
"Der Zauberstab ist eine Reflexion unseres Selbst. Er bestimmt nicht, wer wir sind, sondern wir bestimmen, wozu wir ihn benutzen." Die Lösung hatte all die Zeit, seit Monaten schon, direkt vor ihr gelegen. Es ging nicht nur um die Art der Magie, sondern um Magie selbst. "Du bist ein Genie, Millicent." Ehrlich beeindruckt schaute sie ihre Freundin an, die stolz das Kinn hob, in ihren Augen spiegelte sich aber die Verwirrung.
"Es ist schön ab und zu anerkannt zu werden."
Ohne nachzudenken holte Evelyn erneut ihren Stab hervor und sprach: "Lumos!" Es war einer der einfachsten Zauber, der sie vorheriges Jahr trotzdem noch zum Verzweifeln gebracht hatte, und nun leuchtete die Spitze ihres Stabes im grellen Weiß. In diesem Moment glaubte sie zu wissen, wie sich Einstein oder Archimedes gefühlt haben mussten im Moment ihres größten Triumphes.
Zwei Arme umschlagen und schüttelten sie vor Freude. "Du hast es, du hast es!"
Nur ein zaghaftes Nicken Rang sie sich ab, bevor sie den Gegenspruch rezitiert. "Nox." Die Sekunden verstrichen, doch der Stab blendet sie noch immer mit ihrem Licht. "Nox", versuchte sie es erneut, ohne Erfolg, und so bedeckte sie die Spitze kurzerhand mit ihrem Arm, sodass das unterdrückte Licht sie nun von unten anstrahlte. "Man soll nichts überstürzen."
Nichtsdestotrotz glaube sie an einen Durchbruch und strahlte mit ihrem Stab um die Wette. Von ihren Gefühlen mitgerissen hob Evelyn die Hand und bot sie Millicent an um einzuschlagen. Die schaute jedoch nur irritiert nach oben, wo Evelyn darauf wartete, dass es ihr Millicent nach tat.
"Was ist, tut dir die Hand vom Zaubern weh?"
"N-nein", peinlich berührt schaute Evelyn zwischen ihrer Hand und Milicent hin und her, "du musst ... darf ich mal?" Sie griff nach Millicents rechter Hand, während Millicent alles über sich mit interessierter Neugier ergehen ließ. Eher ungelenk klatschte Evelyn sich selbst ab.
"Wofür war das?", fragte ihre Freundin zögerlich.
Evelyn hob nur die Schultern. "Das macht man so. Ist eine Geste wenn man sich freut. Man schlägt sich ab."
"Ich will dich doch nicht schlagen!"
"Nur die Hände." Erneut hob Evelyn ihre Rechte und wartete, ob Millicent dieses Mal von alleine einen Zug machen würde; und tatsächlich tat sie es ihr nach, wenn auch sehr schüchtern.
"Ich glaube, ich habe das schonmal gesehen." Breit grinsend und mit mehr Mut klatschte Millicent nun Evelyn ab. "Das gefällt mir ..."