Für einige Wochen fuhr ich dann doch nach Australien. Die rote Welt mit den vielen endemischen Tierarten lockte zu sehr, um die Chance einer langen freien Zeit verstreichen zu lassen. Der Flug ist schließlich der Hauptbrocken im Budget - ob man dann zwei Wochen oder zwei Monate down under verbringt, fällt nicht mehr wirklich ins Gewicht. Jedenfalls nicht für zeltende Selbstversorger.
Es war ein tolles Gefühl, die erste freie australische Luft zu atmen, nachdem ich die Kontrollen hinter mich gebracht hatte und das Flughafengebäude verließ. Von oben hatte Sydney wie ein riesiges Sternenmeer ausgesehen, dass sich auf die Erde verirrt hat. Von unten roch es nach Abenteuer. Der Bus brachte mich zur Jugendherberge, wo ich ein paar Tage blieb, um meine Reise zu organisieren.
Es erstaunte mich immer noch, dass ich recht kurzfristig das Geld zusammen bekommen hatte. Doch die nächsten Wochen wanderte ich buchstäblich von Wunder zu Wunder: Es fing mit dem Cookaburra gleich nördlich der Stadt an, der sich einen Spaß daraus machte, über meinem Zelt zu hocken und mich pünktlich um 6 Uhr morgens mit seinem ansteckenden Lachen zu wecken. Mein Herzenswunsch war es, alle diese wunderbaren Tiere in freier Wildbahn zu sehen. Und tatsächlich: Zwei Schnabeltiere plantschten im Fluss unter der Brücke, die zum Eungella Nationalpark führte. Eine Dingofamilie besuchte mich auf Fraser Island. Känguruhs und Wallabies in Fülle - und 21 Koalas innerhalb einer Wanderung von weniger als zwei Stunden!
Nur in Westaustralien wurde ich kurzfristig etwas traurig, da ich mich schon von dem Gedanken verabschiedete, einen Thorny Devil zu sehen. Sie kommen nur in den nördlichen Gebieten Australiens vor, aber ich musste langsam meine Rundreise Richtung Süden fortsetzen. Vor meiner Weiterreise machte ich einen letzten Abstecher zu einem roten Canyon. Das Unglaubliche: Beim Verlassen des Nationalpark-Gebiets sah ich erst eine dieser etwa 12 Zentimeter langen Silhouetten, die Skorpionen so ähnlich sind. Kaum hundert Meter weiter erspähte ich dann noch einen. Wie wahrscheinlich ist das? Diese winzigen Tiere, nicht eben weit verbreitet, keineswegs Menschennähe suchend. Wäre ich auch nur wenige Minuten später weiter gefahren, ich hätte keinen von ihnen zu Gesicht bekommen.
Ähnliches passierte mir dann mit einem Schnabeligel auf Tasmanien, den ich nur deshalb entdeckte, weil ich in einem etwas kläglich frisch abgebrannten Waldgebiet "nur noch mal kurz um die nächste Kurve schauen" wollte. Und da hockte er, schaute zu mir hoch.
Das größte meiner australischen Wunder aber spielte sich in Shark Bay ab: Einmal einen freien Delfin sehen und ein Porträt fotografieren. Ich hielt mich etwas abseits der Touristenmenge, die hier täglich auf die Delfine wartet. Tatsächlich kamen auch eine kleine Gruppe von drei oder vier Tieren - einer von ihnen sonderte sich von den anderen ab und schwamm zu mir hinüber. Er streckte seinen Kopf aus dem Wasser und schaute mir direkt in die Augen. Stumm, nur in Gedanken erläuterte ich ihm meinen Wunsch. Da streckte er seinen Kopf noch etwas höher und wendete ihn hier hin und dahin, ohne seinen Blick abzuwenden. Als ich mit meinen Fotos zufrieden war, bedankte ich mich. Einen Moment später schwamm er davon und die ganze Gruppe folgte ihm zurück ins offene Meer.
Das erzähle ich hier, weil es ein Beispiel für Wunder ist, die schnell übersehen werden oder von einigen Menschen als Zufall abgetan werden. Ich glaube, dass es eine Art Voraussetzung für Wunder gibt: Tiefe Herzenswünsche, die ganz natürlich in uns leben, werden wahr, wenn wir ihnen folgen, ohne uns an sie zu klammern. Wir können sie nicht machen, aber wir können ihnen die Tür öffnen und einladen.