Evie
Die kühle Nachtluft bahnt sich seicht ihren Weg über die Dächer hinweg und durch die Straßen vorbei an den Menschen. Die Metallbank unter meinem Gesäß beginnt langsam ebenfalls kalt zu werden und das Licht der Straßenlaterne zu meiner Rechten scheint von Minute zu Minute stärker zu flackern, weshalb ich besonders froh bin, dass meine Zeichnung bald beendet ist. Meinen Blick habe ich so konzentriert auf das Papier gerichtet, dass ich alles um mich herum vergesse.
Plötzlich legt sich eine Hand auf die Karte und ich weiß gar nicht wie mir geschieht, als mir das Papier weggerissen wird. Überrascht und verärgert zugleich, hebe ich den Blick und starre direkt in die Gesichter zweier Jungen, die etwas älter als ich sein muss.
Das Haar des Jungen, der ihr die Karte weggenommen hat, ist dunkel und beinahe sein ganzer Körper ist mit Tattoos übersät. In seinen Augen glänzt ein aggressiver Ausdruck, der mich einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Dann fällt mein Blick auf den Zweiten, der halb versteckt hinter dem Anderen steht. Er wirkt nicht so selbstsicher wie sein Kumpan, hat jedoch einen ebenso gespenstischen Ausdruck, der sich in seinen blauen Augen widerspiegelt. Sein schneeweißes Haar lässt ihn jung wirken, doch sie weiß, dass er etwa um die siebzehn Jahre alt sein muss. Denn sie kennt beide Gesichter nur zu gut! Und niemals würde Evie dazu kommen sie, als zwei Gesichter zu bezeichnen, die sie gerne betrachtet. Denn es sind James und Fynn! Die Hollingsworths Cousins sind Feinde der Gesellschaft, in der ich lebe, und somit auch irgendwie automatisch meine, obwohl ich nie wirklich ausgiebig Zeit mit ihnen verbracht habe. Das brauche ich allerdings auch nicht. Schließlich habe ich schon genug von den Beiden gehört und bereits kurze Streitigkeiten mit ihnen gehabt, aus denen ich aber glücklicherweise immer wieder entkommen konnte. Doch selbst diese Minuten mit den Cousins haben gerecht um ihre skrupellose Seite kennenzulernen.
Der Blick des tätowierten James fliegt über die Karte und auch Fynn scheint seine Neugierde nicht unter Kontrolle zu haben. Sobald sie einige Sekunden darauf geblickt haben, brechen beide gleichzeitig in Gelächter aus.
Ich schlucke schwer und versuche nach meiner Karte, in der Hoffnung, dass sie es nur für irgendeinen Quatsch halten, zu greifen, doch James zieht sie wieder weg. “Gib mir meine Sachen zurück“, bitte ich mit Wut in meiner Stimme und verschränke die Arme. Aus dem Versprechen an meine Mutter, dass ich in nichts reingeraten werde, scheint heute wirklich dazu verdammt gebrochen zu werden, wenn ich nicht bald meine Sachen wieder bekomme.
Meine Worte ignoriert er einfach und dreht die Karte so, dass ich sie sehen kann. Dann tippt er auf eines der Zeichen und sieht mich fordernd an: “Was ist das?“ “Papier“, antworte ich scheinheilig und versuche dabei wirklich so rüber zu kommen, als würde ich es wirklich nicht wissen. Fynn legt den Kopf schief und sieht mich misstrauisch an: “Sehr lustig, aber hör auf zu lügen.“
Regelrecht merke ich, wie beide die Schlinge um mich herum enger zu ziehen, weshalb ich mich entscheide endlich durchzugreifen und die Diskussion zu beenden.
Hinter meinem Rücken verkrampfe ich die Hand und augenblicklich verkrampft sich die muskulöse Hand von James. Bevor beide Jungen überhaupt registrieren können, was passiert ist, schnappe ich mir die alte Karte und stecke sie blitzschnell in meine Tasche, wobei sie leicht verknickt.
Dann springe ich von der Bank auf und laufe panisch über den Platz. Mein Puls rast und mein Herz schlägt fest gegen meinen Brustkorb. Ich wollte nicht, dass irgendjemand davon erfährt und dann lasse ich mir meine Sachen einfach von diesen beiden Idioten wegnehmen. Für die Aktion könnte ich mich echt selbst schlagen, denn die Hollingsworth Familie gibt nie Ruhe, wenn sie einmal Blut geleckt hat.
Plötzlich fühlt es sich so an, als würde sich ein unsichtbares Seil um meine Beine wickeln und diese zusammen schnüren. Kurz bevor ich jedoch zu Boden stürzen kann, bleibe ich stehen und drehe mich um.
Mit einer Mischung aus Wut und Panik strecke ich meine Hand aus als würde ich nach ihm greifen wollen und krümme meine Finger erneut zu einer Klaue. Einige Sekunden geschieht nichts und fast glaube ich, dass meine Kräfte schon wieder nicht richtig funktionieren, doch dann ertönt ein lautes Knacken, das mich zusammen zucken lässt. Darauf folgt ein Schmerzensschrei aus James Mund, der durch Mark und Bein geht. Seine Hand ist plötzlich vollkommen deformiert und hängt auf eine merkwürdige Weise herunter. Kurz starre ich auf die Hand, die gerade notgedrungen gebrochen habe und registriere dann, dass sich das unsichtbare Seil um meine Beine gelöst zu haben scheint. Kein Wunder, schließlich habe ich gerade mit seiner Hand auch gleichzeitig seine Magie gebrochen. Man wird einfach einen normalen Heilzauber nehmen können.
In der Hoffnung, dass das schon irgendwie wieder wird, drehe ich mich weg von den beiden Jungen und sprinte beinahe über die Bürgersteige der Straßen Londons.
Während ich durch die kalte Nachtluft spurte und mich eine Reihe von Menschen anrempele, kann ich nur an meine Karte und an die Folgen denken, die es mit sich tragen kann, wenn einer der Cousins etwas an die Familie weitergibt. Das kann ich mir echt nicht leisten. Langsam merke ich wirklich wie mich diese Symbole in Schwierigkeiten bringen und diese Erkenntnis lässt mich daran zweifeln, ob ich tatsächlich weiter machen sollte.
Dieses Kapitel gefällt mir wieder nicht so gut. Kann aber auch damit zu tun haben, dass ich es irgendwie ungerne schreiben wollte. Deshalb habe ich das neue Update auch so lange nicht gebracht. Sorry!