ℋexenküche und Satansbraten
- ℬacken für Anfänger -
Zähneknirschend betrachtete Mary den Neuling, ehe sie zu Professor Buckingham aufsah, deren breites Lächeln mit ihren grauen Augen um die Wette zu funkeln schien. Mary mochte die vertrauten Mittwochnachmittage, an denen sich die Schülerinnen zum Kochen und Backen trafen. Nun, nicht jedem Mädchen war es vergönnt, ein gewisses Talent für die Zubereitung von Speisen vorzubringen, aus diesem Grund hatte die so genannte »Koch-AG« auch nur fünf Mitglieder (Proffessor Mariella Buckingham eingeschlossen), doch das hinderte die Dame nicht daran, ihren Faible für Süßes und Herzhaftes an ihre Zöglinge weiterzugeben. Deshalb hatte sie vor gut einem Jahr diesen Kurs ins Leben gerufen und die Hauselfen von Hogwarts waren tatsächlich bereit, für die Dauer ihrer Tätigkeiten die große und geräumige Küche im Keller des Schlosses zu räumen.
Doch nun befand sich in ihrer Mitte ein junger Mann, der Mary MacDonald schon lang ein Dorn im Auge war:
Rufus Scrimgeour - ein Schüler Ravenclaws und zwei Jahre jünger als sie, verstand sich darauf, seine hohe Intelligenz einem jeden - wann, so oft er wollte - unter die Nase zu reiben. Er war sogar so anmaßend, dass man munkelte, er habe selbst Professor Dumbledore korrigiert, was dieser aber wohl mit einem milden und gütigen Lächeln abgetan haben sollte.
Und nun stand dieser vorlaute und besserwisserische Kerl keinen Meter von ihr entfernt, die Arme vor der Brust verschränkt und sich umsehend. Er rümpfte die Nase und fast sah es so aus, als wolle er erneut gegen sein Erscheinen an diesem Nachmittag protestieren. Denn das hatte er keine fünf Minuten zuvor getan. Zwar ruhig, aber nicht minder drohend und von Verständnislosigkeit durchsetzt.
Natürlich wollte er nicht begreifen, warum man ausgerechnet ihn hierher geschickt hatte, doch Professor Buckingham hatte nur (wieder einmal) gelächelt und gemeint, dass der Hauslehrer der Ravenclaws darauf bestand. Warum und weshalb wurde verschwiegen, doch Mary vermutete, um ihm eine Lektion für sein unangebrachtes Benehmen zu erteilen. So traf es sich also, dass Rufus Scrimgeour seine wertvolle Zeit mit einem kleinen Haufen Mädchen verbringen musste, die ihre hausfraulichen Fähigkeiten zu festigen versuchten (um später einmal gute Mütter werden zu wollen, so zumindest war sein erster Gedanke).
»Willkommen, Mister Scrimgeour«, flötete Professor Buckingham und winkte den jungen Mann zu sich und den Mädchen herüber. Rufus, der so eben das vorhandene Inventar begutachtete (und es für mittelmäßig befand), wurde aus seinen Überlegungen gerissen, trabte jedoch gleichmütig auf die Horde geballter Weiblichkeit zu.
Die Namen der jungen Damen merkte er sich nur am Rande, als Professor Buckingham jede einzelne vorstellte, doch einen würde er so schnell nicht vergessen. Als die hochgewachsene Frau, deren blonde Locken zu einem Knoten in ihrem Nacken verschlungen waren, das heutige Vorhaben erläuterte, begann eines der Mädchen, unter vorgehaltener Hand, zu kichern. Abrupt endete der Redeschwall und eine helle Augenbraue erhob sich gen Norden.
Maysee Norington, eine Huffelpuff im dritten Jahr, klein und ziemlich rundlich, erlag dem Versuch, sich zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht. Auch ihre Klassenkameradin und offensichtlich beste Freundin, die rothaarige und pausbäckige Rosalind Olsen, fiel in Maysees Geräuschkulisse ein. Beide Mädchen deuteten auf Mary MacDonald, deren Wangen gerötet, ihr Blick jedoch von Abscheu und Argwohn durchtränkt war.
»Mary, Liebes«, begann Professor Buckingham von Neuem und sah, wie die Schülerin beim Klang ihres Namens zusammenfuhr. »Wir wollen doch alle gut miteinander auskommen, nicht?«
Steif nickte Mary und schob ihren Fokus nun auf die beiden Hufflepuffs, deren Gekicher sofort verstummte. Ein schnalzender Laut erklang, begleitet von einem ergebenen Seufzer, der tief, sehr tief, aus ihrem Innersten hervorbrach.
»Nimm dich etwas zusammen, Mary! Mister Scrimgeour bleibt ja nur für ein paar Stunden bei uns.«, der Erklärung, über den Verbleib des jungen Mannes, folgte ein kurzes Zucken der Mundwinkel.
Für den Hauch eines Wimpernschlages glitt der Blick des Mädchens zu dem Jüngeren, dessen Zentrum des Interesses offenbar auf ihrer Person lag. Er starrte mit einer Intensität zurück, dass seine goldgelben Augen, selbst bei den mageren Lichtverhältnissen in diesen Räumlichkeiten, wie jene eines Habichts funkelten, der seine Beute erspähte.
Hart presste die junge Gryffindor die Kiefer aufeinander, deren Reibung, die dabei entstand, jenen Klang erzeugte, der bereits zu Beginn der Stunden zu vernehmen war. Scharf zog Mary Luft in ihre Lungen, ehe ein brummender Laut ihre Kehle verließ. Sie ergab sich, jedoch nicht, ohne weiterhin auf der Hut zu sein.
»Den Braten von letzter Woche können wir schon einmal als großen Erfolg verbuchen, meine Lieben.«, das Lob kroch den Mädchen wie ein wohliger Schauer über den Rücken. Maysee und Rosalind strahlten einander an, während Mary mit verschränkten Armen vor der Brust nur nickte, als habe sie nicht anderes erwartet. Die vierte im Bunde, June Hersch-Gerbertson, eine Slytherin in Marys Jahrgangsstufe, schien die bisher Einzige von den Schülerinnen des Hauses der Schlangen zu sein, die sich fürs Backen und Kochen erwärmen konnte.
Dass das Grüppchen so wenig Beteiligung erfuhr, missfiel Professor Buckingham jedoch nicht im Mindesten. Diese betonte stets, dass sie so den Teilnehmern mehr zur Hand gehen und sich einen besseren Überblick verschaffen konnte. Auch auf die Lippen der Slytherin stahl sich ein triumphierendes Lächeln.
»Doch heute«, hob Professor Buckingham abermals an, »werden wir uns an der Königin versuchen.«
Die Mundwinkel fielen nach unten und Ratlosigkeit spiegelte sich in den Gesichtern der Mädchen.
»Ein Teil von euch, probiert sich an der Herstellung von Blätterteigstücken, während sich die andere Gruppe an einer Charlotte versucht. Nur Mut, meine Damen! Und der Herr, natürlich.« Das freudige Klatschen in die Hände wurde mit eisigem Schweigen quittiert.
»Maysee, Rosalind und June: ihr übernehmt den Blätterteig. Wir werden gefüllte Pasteten und kleine Gebäckstücke daraus zubereiten. Keine Bange, den Teig habe ich bereits fertig, sodass ihr euch nur um die Füllungen kümmern müsst. Die Rezepturen stehen nachher, wie immer, an der Tafel.«, während Professor Buckingham den Mädchen sichtlich die schweren Steine von den Herzen nahm und auf die schieferne Pinnwand deutete, fuhr sie ungehindert fort. »Und Sie, Miss MacDonald und Mister Scrimgeour, werden sich dann der Charlotte zuwenden. Sie werden sehen, so schwierig, wie es sich anhört, wird es nicht.«
Damit machten sich die Teilnehmer der »Koch-AG« ans Werk.
Für die Blätterteigpasteten sah Professor Buckingham eine Schinken-Pilzfüllung als passende Komponente, während aus dem übrigen Teig Windmühlen und Körbe gefertigt werden sollten, die dann mit frischem Obst garniert würden. Die drei Mädchen rannten also von der Tafel zu den Schränken, zur Kühlmöglichkeit und zu den langen Tischen, an denen sonst die Bediensteten des Schlosses für die Mahlzeiten sorgten. Mary und Rufus verharrten jedoch mit vor der Brust verschränkten Armen an ihren Plätzen und schienen nicht sonderlich angetan von der Idee, zusammenarbeiten zu müssen.
»Mary, Rufus, auf, auf, hopp, hopp!«, forderte die Professorin und machte eine scheuchende Bewegung mit den Händen, sodass sich die junge Gryffindor gezwungen sah, sich ebenso dem magnetischen Brett zuzuwenden. Rufus folgte ihr auf dem Fuße, eher widerwillig statt begeistert. Beide besahen sich das Rezept, ehe ein einheitliches Stirnrunzeln folgte. Wenigstens etwas, das beide in diesem Moment gemein hatten.
»Was haben wir denn da?«, murmelte Mary, kniff die Augen zusammen und um besser auf die winzigen Buchstaben schielen zu können.
»Wie meinen?«, fragte Rufus und wirkte irritiert.
»Was?«, ihr Kopf schoss in seine Richtung, während ihr Blick Verwirrung zeigte.
»Ich dachte, du hättest mit mir gesprochen.«, gab der junge Ravenclaw zurück.
»Ähm, nein«, entgegnete Mary und unterstrich ihre Worte mit einem salopp klingenden Hauch Sarkasmus.
»Mary redet oft mit sich selbst«, sagte Maysee, die unbemerkt an die beiden herangetreten war und offenbar nach einer fehlenden Zutat suchte. »Ah!« Maysee fand, wonach sie fischte und wackelte von dannen.
»Kleine Sabberhexe!«, zischte Mary und kniff abermals die Augen zusammen, jedoch nicht aufgrund ihrer Kurzsichtigkeit, sondern aus Wut und Empörung. Ihrem Tun folgte ein Schütteln des blonden, lockigen Hauptes, ehe sich Rufus an dem Mädchen vorbei schob und sich der Liste der benötigten Ingredienzien widmete. Rasch überflogen seine Habicht-Augen die Aufreihung und er setzte sich in Bewegung.
»Hey, wo willst du hin?«, fauchte Mary und stemmte die Hände in die Hüften, nicht ohne sich noch einmal zur Tafel umzudrehen.
»Ich habe alles im Kopf«, entgegnete er kühl, »wo sind hier die ... was brauchen wir noch mal?«
»Schüsseln, Kellen, Messer, Löffel ...?«, herrschte die junge Gryffindor und schüttelte, wenig angetan, den Kopf.
»Genau das. Also, Mary MacDonald, wo?«, verlangte Rufus zu wissen und ignorierte das Schnalzen mit der Zunge ihrerseits.
»Wir wiegen erst einmal alle Zutaten ab«, sagte Mary, ohne ein Wort des Protestes zuzulassen, während Rufus reglos vor den Backutensilien verharrte und mit den Schultern zuckte, »du sagst, du hast sie im Kopf?«
Mechanisch nickte der junge Mann, legte sich jedoch spielend-grüblerisch und (wie es Mary vorkam) überspitzt und theatralisch den rechten Zeigefinger ans Kinn.
Die Abfolge war eher eintönig:
Rufus gab die Mengen an, während Mary (wohl wissend an welchen Plätzen sie suchen musste), Schüsseln bereitstellte und die Zutaten abwog.
Als Professor Buckingham auf die junge Frau zu trat und ihr eine Hand auf die Schulter legte, zuckte Mary vor Schreck zusammen. Wieder zeigte sich ein sanftes Lächeln auf den Lippen der Frau.
»Mary, so konzentriert wie immer, nicht wahr?«, ihrer Frage kam die kleine Löwin mit einem entschuldigenden Kopfnicken nach. »Den Biskuitteig haben wir ja bereits vor ein paar Wochen erfolgreich hinter uns gebracht.«
Wieder nickte Mary, während sich ein rosa Schimmer auf ihre Wangen legte. Wahrlich war ihr die Fertigung leicht von der Hand gegangen. Einer der Gründe, warum sich Mary zu Beginn des Schuljahres dazu entschloss, an diesem Kurs teilzunehmen, war die Liebe zum Essen und deren Aufbereitung.
Da für eine Erdbeer-Charlotte jene Früchte benötigt wurden, setzte Mary ihren (unfreiwilligen) Partner auf diese Arbeit an. Murrend, wenngleich auch mit einem Zucken der Schultern, kam Rufus der Tätigkeit nach.
»Waschen, dann das Grün herausdrehen und halbieren. So ...«, das Mädchen nahm ihm das Obst aus der Hand, fuhr mit einem kleinen, spitzen Messer unter den Strunk und ließ dann die Erdbeere, die sie in der Mitte geteilt hatte, in die Schüssel fallen.
»Ja, ja, das schaffe ich schon!«, knurrte Rufus unter zusammengebissenen Zähnen und nahm ihr sowohl die Beeren, als auch das Messer aus der Hand.
»Und nicht schneiden!«, zischte Mary und bekam nur einen »bfff«-Laut als Antwort. Rufus schlug sich bemerkenswert tapfer, doch für die junge Gryffindor war das Putzen und Schneiden von Obst keine Kunst. Als er sein Werk vollbracht hatte, wies Mary ihn an, die Früchte beiseitezustellen, mit Vanillezucker zu bestreuen und mit etwas Cognac zu begießen. Sie hatte bereits die trockenen Zutaten zusammengesucht, als Rufus etwas von »Alkohol« murmelte.
»Es ist ja nicht viel und soll nur den Geschmack unterstreichen. Oder glaubst du allen Ernstes, dass uns Professor Buckingham betrunken machen will?«, ihre Worte klangen tadelnd und ebenso verteidigend, doch der junge Mann schüttelte (sicherheitshalber) den Kopf. Nie würde er einer Lehrkraft solche Methoden unterstellen.
Mary übertrug ihm die ehrenvolle Aufgabe, den Teig herzustellen und während er sich die einzelnen Komponenten besah, streifte sie das silberne Armband ab, das als Erbstück ihrer Uroma nur beim Kochen abgelegt wurde, und ließ es in die Innentasche des dunkelgrauen Rockes gleiten.
»Ich will nur nicht, dass es irgendwo hinein fällt, oder mitgebacken wird«, erklärte Mary, als sie seinen fragenden Blick bemerkte. »Also, du musst zu aller erst das Eigelb und den Zucker mit einer Prise Salz schaumig rühren. Hier.«
Rufus nahm den Schneebesen entgegen, schüttete munter Dotter, Zucker und Salz in dieSchüssel und wollte beginnen, als Mary ihn erneut unterbrach.
»Nein, so nicht. Warte!«, sagte sie und wollte soeben nach dem Besen greifen, als er sie mit einem zornigen Blick bedachte und die Schüssel wieder an sich riss, doch im Eifer des Gefechts ...
»Lass mich, ich kann das!«, herrschte er Mary an, ehe er betreten auf den zerbrochenen Schneebesen in seiner Hand starrte. »Oh, kaputt.«
»Liegt dein Gehirn noch auf dem Nachttisch?«, fauchte sie und ihre Stimme nahm einen kreischenden Tonfall an. »Du Imp! Du bist viel zu verkrampft. Mehr Gefühl und locker ...«
»Hey ich bin so locker drauf, ich fall' gleich auseinander.«, verteidigte er sich, kam jedoch nicht umhin, eine entschuldigende Miene zu verziehen.
Schwer und tief sog die junge Gryffindor die Luft in ihre Lungen. Ihre Wangen waren noch immer gerötet, jedoch längst nicht mehr vor Verlegenheit. Mit ihrem Zauberstab versuchte sie zu retten, was zu retten war und alsbald entstand eine hellgelbe Masse.
»Schlag das Eiweiß auf!«, forderte Mary, während in ihrer Stimme wütende Beherrschung mitschwang. »Mit Gefühl!«
Rufus schürzte die Lippen, spannte den kleinen, metallischen Kessel in eine Küchenmaschine und nahm jene in Betrieb. Laut röhrte das Gerät, während der junge Ravenclaw in die Schüssel starrte und dem Eiweiß dabei zusah, wie es sich zu einem feinen, festen Schnee mauserte.
»Hier«, knurrte Mary und schob ihm ein Blatt Papier zu. Wie in jeder Stunde bekamen die Mädchen eine Kopie des zubereiteten Gerichtes. Wohlweislich in einer Mappe verwahrt, hatte sich das Fräulein dazu durchgerungen, keinen weiteren Fehltritt zu riskieren, und deutete auf das Stückchen Pergament. »Die Anleitung.«
»Ich lese keine Anleitungen. Ich drücke Knöpfe bis es klappt.«, knurrte Rufus.
»Aber hier sind keine Knöpfe, die du drücken könntest. Vorerst hast du nur einen Hebel vor deiner Nase, der die Geschwindigkeit der Küchenmaschine regelt und momentan befinden wir uns auf Sparflamme. Schneller! Schalte mal einen Gang höher, sonst sitzen wir morgen Früh noch hier! Außerdem geht es hier um das Rezept, und nicht um irgendein Gerät.«, zischte die Löwin.
Mehr schlecht als recht fügte der junge Mann die Zutaten zusammen, hob Eischnee und Mehl (ganz vorsichtig und unter den Argusaugen Mary MacDonalds) unter die Eigelbmasse. Leicht und hellgelb zeigte sich der Teig, als das Mädchen Rufus anwies, jenen auf das bereitgestellte und mi Backpapier ausgelegte Blech zu geben. Als die Masse ihren Weg fand, verharrte der junge Mann ratlos.
»Mary?«, wandte er sich an sie.
»Du hast meine volle Aufmerksamkeit ... Oh, ein Fussel!«, entgegnete diese jedoch leicht gereizt und schnippisch.
»Mary, was mach' ich denn jetzt? Soll ich das Blech kippen?« Ob es die Hilflosigkeit in seiner Stimme war, konnte Mary nicht beantworten. Jedoch zuckte sie mit den Schultern und schlug ihm auf die Finger, als sie Rufus dabei ertappte, wie er bereits nach dem Blech griff. Das Mädchen zog einen Löffel hervor, der mit einem gummiartigen Aufsatz und einem Plastikgriff für ihn recht merkwürdig daher kam. Mary bezeichnete dieses »Ding« als Teigschaber, und strich mit flinken und gleichmäßigen Zügen den Teig auf dem Blech aus.
Während der Biskuit im heißen Ofen vor sich hin backte, erklärte Mary, dass Rufus Gelatine einweichen solle.
»Im kalten Wasser, ja? Nicht lauwarm, nein?«, bei seinen Fragen verdrehte sie jedoch nur die Augen.
»Danach kannst du die Milch mit der Vanilleschote aufsetzen. Auf den Herd, nicht auf den Kopf!«, knurrte Mary. »Das restliche Eigelb und den Zucker verrühre ich!«
Ihren Worten hatte er nichts hinzu zufügen, also griff Rufus nach einer Schüssel, trabte zum Wasserhahn und ließ etwas kaltes Wasser hinein laufen. Wenige Augenblicke später war die Gelatine (in merkwürdigem, blattähnlichem Zustand) darin verschwunden und er begab sich wieder an den Tisch.
Mary hatte bereits den fertig gebackenen, aber noch heißen Kuchen (so sah es jedenfalls für Rufus aus, wie ein sehr, sehr flacher Kuchen) aus dem Ofen geholt und mit einer Drehung das Blech auf den Kopf gestellt, sodass die mit Papier versehene Seite oben lag. Unter dem Fladen blickte etwas hervor. Ein karierter Zipfel. Rufus griff danach und bekam erneut einen Klapps auf die Finger. Etwas weißes, kristallines rieselt heraus. Fragend sah er zu Mary, die an einem Ende des Papiers zupfte.
»Ein Trockentuch, mit Zucker bestreut, so lässt es sich leichter aufrollen«, erklärte sie. »Der Zucker ist zwar nicht nötig, aber es schmeckt besser.« Sie griff nach einem Schälchen, das ihm zuvor entgangen war. Wieder stiegen ihm die alkoholischen Nuancen von Cognac in die Nase, doch auch etwas süßliches vermischte sich mit dem beißenden Geruch.
»Erdbeermarmelade?«, fragte er und das Mädchen nickte.
Sowie Mary das Papier von dem Teig gelöst hatte, griff sie erneut nach einem Teigschaber, schöpfte die Marmelade darauf und verstrich diese auf den flachen Kuchen. Als dies geschehen war, stellte sie sich erneut an das Ende des Fladens, rollte etwas davon auf und behalf sich mit dem Tuch, indem sie schnell und fest die Masse aufwickelte. Stramm, aber auch mit einem kleinen Loch in der Mitte, präsentierte sich die Biskuitroulade. Grübelnd betrachtete sowohl Mary und Rufus das Ergebnis.
»Muss das Loch sein?«, hakte er nach und Mary schüttelte den Kopf. Rasch sah sich der junge Ravenclaw um und vergewisserte sich, ob Professor Buckingham beschäftigt war. Er richtete seinen Zauberstab auf die, in dem Tuch eingeschlagene Rolle, die sich abrupt etwas zusammenzog.
»Danke«, murmelte das Mädchen. »Was ist mit der Milch?«
»Ups«, bemerkte Rufus und hastete zum Herd. »Nicht angebrannt!«
Seinem Rufen folgte das Heranpirschen der Professorin, die die Rolle begutachtete. Mary jedoch ließ die Lehrerin links liegen und hastete mit der schaumig gerührten Eigelbmasse zu ihm. Rufus nahm den Topf von der Feuerstelle, während ihn die junge Löwin anwies, zu rühren was sein Arm hergab, denn sonst würde die Eimasse gerinnen und sie müssten mit dem ersten Teil der Füllung von vorn beginnen. Abermals stellte Mary die Milch-Ei-Suppe auf den Herd und ließ diese nochmals aufkochen. Die so genannte »Bindung« stellte sich ein und der Topf fand sich nur wenige Augenblicke später auf einem hölzernen Untergrund wieder.
»Ah«, entkam es Rufus, »das Eigelb ist geronnen, deshalb sieht das Zeug aus wie Vanillesoße.«
»Dieses Zeug ist unsere Creme.«, stellte Mary klar.
»Sieht aber nicht danach aus.«, schlussfolgerte er und fuhr sich abermals gespielt unter das Kinn.
»Kannst du mir bitte die Gelatine bringen?«, fragte sie, während Rufus für einen flüchtigen Moment inne hielt. »Die Gelatine, hopp!«
Eiligst hastete der junge Ravenclaw zu dem Schüsselchen mit der eingeweichten, gelartigen Masse.
»Du musst sie ausdrücken, bis kein Wasser mehr herauskommt«, forderte Mary und rührte weiterhin in dem flüssigen Pudding. Rufus tat wie befohlen und als alle Flüssigkeit heraus gepresst war, bedeutete Mary ihm, die Gelatine in die Soße zu geben.
»Igitt«, entfloh es ihm, als die geqollene Masse seine Finger verließ. »Ich mag nichts, das mich an Aspik erinnert.«
»Ich auch nicht«, gab sie zu, »aber für die Festigkeit der Creme ist es notwendig.«
Wieder wurde ein Schluck Cognac in die Soße gegeben und Rufus rührte solange in der Masse herum, bis sich die Gelatine aufgelöst hatte. Mary brachte ihm eine Schüssel mit eiskaltem Wasser und gebot ihm die Schale mit dem Creme dort hineinzustellen, damit dieser dort andicken konnte.
»Kann die Schote jetzt raus?«, fragte er und reckte den Hals, um nach dem Mädchen Ausschau zu halten. Mary kam soeben mit einem Kännchen voll Sahne zurück an den Tisch und nickte. Allmählich wurde die Soße fester und als sie entschied, dass er das Rühren einstellen konnte, nickte Rufus dankbar und dehnte und schüttelte einen Arm.
»Könntest du die Biskiutrolle schneiden?«, wandte sich Mary an ihn, als sie sich zur Küchenmaschine begab und die flüssige Sahne in der Metallschüssel verschwand. »Etwa 1 cm breit.«
Rufus nickte, nahm sich der Roulade an und schnitt (wenn auch etwas ungleichmäßig) Scheibe für Scheibe. »Und nun?«, fragte er, doch das Mädchen war schon an seiner Seite. Sie zog eine größere Glasschüssel zu sich heran, griff nach den Scheibchen und begann, die Schale mit diesen auszulegen. Bereitwillig überließ sie ihm den Part und verschwand wieder zur Sahne.
»Wir wollen ja keine Butter, oder?«, ihre Neckerei überging er mit einem Zucken der Schultern.
Sowie Rufus die Bowle mit dem Biskuit bestückte, sah er, wie Mary die Sahne (die beinahe schon einen butterigen Zustand erreicht hatte) in eine andere Schüssel füllte und ihm auffordernd zunickte. Er trat mit der Schale auf sie zu und Mary begutachtete sein Werk. Präzise, ordentlich und lückenlos (wahrscheinlich hatte er wieder gezaubert).
Die junge Gryffindor fügte nun die Vanillecreme zur gezuckerten, steifgeschlagenen Sahne und hob diese vorsichtig darunter. Dann füllte sie zwei Drittel der Masse in die mit Biskuit ausgelegte gläserne Halbkugelform und strich die Masse mit einem Teigschaber (er würde sich wohl nie an diesen Ausdruck gewöhnen) glatt. Unter das andere Drittel würden die restlichen Erdbeeren gemengt werden, so sah zumindest der Plan aus. Doch als Mary das Schälchen zu sich heran zog, lag nur noch eine winzige Beere darin. Ihr Kopf schoss zielgerichtet hoch.
»Wo sind die anderen hin?«, fragte sie und eines ihrer Augenlider zuckte merkwürdig, bisweilen nervös.
»Ich weiß nicht«, sagte Rufus und zuckte die Schultern.
»Hast du etwa die ganzen Erdbeeren aufgegessen?«, schockiert und gereizt spie Mary die Worte aus, doch Rufus' Blick wirkte ebenso erschrocken wie verwirrt.
»Nein!«, beharrte er und eine tiefe Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. »Bist du verrückt, die brauchen wir doch!«
»Eine Erdbeer-Charlotte ohne Erdbeeren! Rufus Scrimgeour, wie konntest du?«, murmelte Mary verzweifelt und wütend zugleich. »Professor Buckingham!«
Ihrem Brüllen (Rufus musste sich die Ohren zuhalten), leistete die Lehrerin folge. Mary wies auf den jungen Mann und sagte: »Scrimgeour hat die ganzen Erdbeeren aufgegessen!«
»Stimmt nicht!«, verteidigte sich der junge Ravenclaw.
»Natürlich!«, fauchte Mary. »Wo sind sie denn?«
»Nicht in meinem Magen!«, protestierte Rufus und schlug ebenso einen keifenden Ton an.
»Mary, Liebes, wenn Rufus sagt ...«, versuchte die Professorin zu beschwichtigen.
»Es ist mir egal, was er sagt. Er hat's getan.«, beharrte das Fräulein weiter.
»Hast du mich denn kauen sehen?«, forderte er.
»Ich habe dir ein ums andere Mal den Rücken zugedreht. Da geht so etwas schneller, als man gucken kann.«, fauchte Mary, die mittlerweile die Arme verschränkt hatte.
Das Gekeife zog auch die Aufmerksamkeit der anderen Mädchen auf sich. Neugierig traten zwei Hufflepuffs und eine Slytherin an den Tisch, und die Augenpaare wanderten von einem zum anderen. Ähnlich einem Ping-Pong-Wettstreit.
Während sich Rufus und Mary weiterhin ein Wortgefecht lieferten, war es Maysee, die unbemerkt etwas aus ihren Zähnen pulte. Auch Rosalind schien mit der Zunge an ihren Backenzähnen zu graben.
»Die waren's«, entkam es June plötzlich und sie deutete auf die beiden anderen Mädchen. Der Redeschwall ebbte sofort ab. »Rosalind und Maysee. Sie haben die Erdbeeren gegessen. Und Professor Buckingham auch.«
»Eine einzige«, merkte die Lehrerin an, doch Rosalind und Maysee wirkten plötzlich peinlich berührt. Da man sie ertappt und verraten hatte, kroch die Schamesröte vom Hals aufwärts in ihre Wangen.
»Wie sagt man?«, forderte Rufus und baute sich vor den Damen auf.
»Entschuldigung«, entkam es zwei von dreien und auch Professor Buckingham tat verlegen und eine Abbitte verließ holpernd ihren Mund. Nun war es Rufus, der mit bohrendem Blick Mary betrachtete, die nur eine Schnute zog.
»Entschuldigung«, sagte sie gedehnt und verdrehte die Augen.
»Nun ja, dann gibt es eben eine Erdbeer-Charlotte ohne Erdbeeren.«, ließ die Professorin leichthin verklingen und scheuchte die anderen drei Schülerinnen wieder an das andere Ende der Küche.
»Es tut mir leid«, entkam es Mary noch einmal, doch dieses Mal schien sie es wirklich ernst zu meinen. Rufus nickte nur, zuckte die Schultern und füllte den restlichen Sahnecreme in die Form. Als der Creme ausgestrichen und glatt war, bedeckte er ihn mit den übrigen Biskuitscheiben. Mary nickte nur und wirkte noch immer etwas betreten.
Als die Erdbeer-Charlotte, ohne Erdbeeren, für zwei Stunden im Kühlschrank verschwand (Mary überging seinen Vorschlag, sie ins Gefrierfach zu stellen, damit es schneller ging), machten sie sich daran, ihren Unrat beiseitezuschaffen.
»Warum gehst du denn nicht mehrmals?«, fragte er und besah sich das bevorstehende Dilemma.
»Ich riskiere lieber, das alles runterfällt, als zweimal zu gehen.«, sagte sie und balancierte die aufgestapelten Schüsseln, Schalen und das Besteck vor sich her. Es sah schwindelerregend aus und beinahe wäre der ganze Turm über sie zum Einsturz gekommen, hätte Rufus nicht rechtzeitig reagiert. Mit erhobenem Zauberstab dirigierte er die Utensilien in Richtung Spüle. »Der Fleißige läuft sich tot und der Faule trägt sich tot, aha.«
Mary nickte, jedoch schien sie überrascht zu sein.
»Das sagte mein Großvater immer. Ein kluger Mann.«, erklärte er.
»Glaube ich dir«, meinte Mary und nickte.
Als sie an die Spültische traten, hielt die junge Gryffindor inne. Sie überlegte, wusste jedoch nicht, wie sie ihre Gedanken in Worte fassen sollte. Sie betrachtete ihn und entschied sich für den Weg des geringsten Widerstandes.
»Du ähm ... du magst keine Menschen, oder?«, ihre Frage schien ihr nun sehr plump und übereifrig, doch im Laufe der letzten Stunden und dem, was man sich über ihn erzählte, schien Rufus Scrimgeour eher der verschlossene und einzelgängerische Typ zu sein. Ob es ihm deshalb nicht behagte, an diesem Kurs teilzunehmen? Oder war es einfach seine Art, altklug und bisweilen unausstehlich zu sein?
»Ich hasse Menschen, Tiere und Pflanzen. Steine sind okay.«, sagte er und sein Mund verzog sich zu einem zynischen Grinsen.
»Ist das dein ernst? Du machst Witze!« Mary wusste nicht, ob sie panisch auflachen und bleiben, oder ihm den Rücken kehren und weggehen sollte.
»Nein. Und du?«, sein Ton, eben noch von Sarkasmus durchtränkt, nun etwas milder klingend, riet ihr, zu bleiben.
»Ich mag keine Schlaumeier und Besserwisser und neunmalkluge Oberlehrer.«, sagte sie gerade heraus.
»Um nicht zu sagen, Klugscheißer? Deshalb diese feindselige Haltung?«, spekulierte Rufus und stellte den Schüsselberg in das Becken vor sich.
»Gut möglich«, entgegnete Mary, »erst abspülen, dann richtig abwaschen!«
»Bist du immer so?«, hakte er nach.
»Was?«, verlangte sie zu wissen.
»Rechthaberisch und tonangebend?«, eine Augenbraue wanderte zum blonden (bei dieser Beleuchtung eher gelblich-braun wirkend) Haaransatz.
»Ja. Und bist du immer so vorlaut und ungehobelt?«, zischte das junge Fräulein.
»Nicht weniger als du.«, war die knappe Antwort, ehe sich Rufus ans Werk machte um die Schalen und Schüsseln von den Speiseresten zu befreien.
»Vielleicht sollten wir sie wirklich in das Gefrierfach stopfen?«, entkam es Mary, ehe ein Seufzer ihren Lippen entkam.
»Wen? Rosalind und Maysee?«, lachte Rufus auf, doch das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Nein, bei Merlin, die Charlotte.«, erklärte sie und bettete ihr Kinn auf die Tischplatte. Mittlerweile schien es bereits nach vier Uhr nachmittags zu sein, und die Hauselfen mussten sich rechtzeitig wieder in der Küche einfinden, um mit der Zubereitung für das Abendessen zu beginnen. Als sich der junge Ravenclaw neben ihr bewegte, schweifte Marys Blick zu ihm. Rufus schwang die Beine über die Bank und erhob sich.
»Wo willst du hin?«, verlangte sie zu wissen und setzte sich auf.
»Ich will mir ansehen, was die Erdbeerdiebe zustande gebracht haben.«, erklärte er und die Löwin folgte ihm auf dem Fuße.
»So viel hatten die ja nun auch nicht zu tun«, knurrte Rufus, als er mit Mary im Schlepptau vor den aufgereihten Spezialitäten stand. Der Schinken-Pilz-Duft stieg ihnen in die Nasen und auch, wenn es niemand von ihnen zugeben wollte, so sahen die Blätterteigteilchen wahrlich zum Anbeißen aus.
»Mir läuft das Wasser im Mund zusammen«, murrte Mary und schluckte vernehmlich.
Stolz auf ihr Werk gesellten sich die anderen Mädchen zu den Beiden, auch wenn es, nach Rufus' Meinung, gar keinen Grund dafür gab, schließlich hatten sie die Erdbeeren verputzt, für deren Verschwinden Mary MacDonald ihn beschuldigt hatte.
Ein plötzlich Aufschrei neben ihm, ließ den jungen Mann zusammenzucken. Er sah noch, wie Mary ihr linkes Handgelenk betrachtete, ehe diese völlig hysterisch wurde. »Es ist weg.«, murmelte sie und Panik nahm von ihr Besitz. »Es ist weg. ES IST WEG!« Ihrem Kreischen folgte ein Zittern.
»Hast du schon danach gesucht?«, Rufus bemerkte, dass allmählich alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war.
»NEIN, ES IST WEG!« Mary wirkte nicht nur übergeschnappt und gereizt. Verletzlich schien eher das richtige Wort zu sein.
»Mary? Mary!«, beharrte er, trat auf sie zu und griff nach ihren Schultern. »Mary, ganz ruhig. Wir werden es schon finden.«
»Nein, nein, nein ... es ist weg.«, beharrte sie weiterhin.
»Was ist weg?«, fragte June Hersch-Gerbertson und trug nicht gerade dazu bei, dass der Versuch des Ravenclaw gelang, Mary zu besänftigen.
»Mein Armband. Das Silberne, von meiner Uroma. Es ist wichtig, ich brauche es.«, mittlerweile war die Panik der Verzweiflung gewichen. Und wenn Menschen verzweifelt waren, taten sie die verrücktesten Dinge. Verzweifelt sein war ein Zustand, eine Gefühlsregung, die ihm nie behagte. Es zeugte von Schwäche und dem Wunsch nach Stabilität, vor der dann nichts mehr vorhanden war.
»Mary, setz' dich!«, forderte Rufus und schob sie zu dem langen Tisch zurück. Plumpsend ließ sie sich auf die hölzerne Bank fallen und fuhr sich mit den Händen über das von Tränen benetzte Gesicht.
»Wir finden dein Armband. Hast du schon in den Taschen nachgesehen?« Rufus bemühte sich um Ruhe in seiner Stimme. Mary kramte erst in der linken Tasche ihres Rockes, dann in der rechten. Als sie aufjaulte, zuckte der junge Mann wieder zusammen.
»Ein Loch«, wimmerte sie, »meine Tasche hat ein Loch. Es ist weg!« Erneut liefen ihr Tränen über das gerötete Gesicht, ehe sich Rufus zu den anderen Mädchen und der Professorin umwandte.
»Sie hatte es vorhin in ihre Tasche gesteckt«, erklärte er und stutzte, als sich die Schülerinnen, eine nach der anderen, in der hiesigen Küche umsahen.
»Accio Armband!«, forderte June, doch Mary, in sich zusammengesunken, schüttelte den Kopf.
»Es ist nicht aufrufbar.«, sagte sie. »Meine Uroma hat es von meinem Uropa bekommen, der es mit einem Zauber belegt hat.«
»Dann suchen wir eben per Hand. Los!«, tatkräftig und eifrig folgten sie der Aufforderung des Jungen, robbten auf Knien über die Fliesen. Selbst Professor Buckingham bückte sich und rutschte über den Boden.
»Mary, du auch!«, vernahm sie seinen Befehl, wischte sich die letzten salzigen Perlen von den Wangen und suchte verzweifelt nach dem Erbstück.
»Da, ich hab es!«, ausgerechnet Maysee Norington schien Merlin hold und sie zog an etwas Silbernem.
»Maysee«, stöhnte Rosalind, »das ist einer der Stöpsel für die Spülbecken. Falscher Alarm, tut uns leid!«
»Das kann doch nicht ... es muss doch ...«, murmelte Rufus vor sich hin und suchte alle Wege ab, die Mary gegangen war. Von der Tafel mit den Rezepturen, über den langen Tisch, den er ganz akribisch unter die Lupe nahm, bis hin zu den Waschbecken, wo Maysee Norington ein Klokettchen mit einem Stöpsel daran, nicht von einem Armband unterscheiden konnte. Er hob die Gitter des Abflusses an, doch nichts war ihm in die Finger oder vor die Augen geraten.
Er setzte sich im Schneidersitz vor die eisernen Gatter und überlegte. Ließ nochmals seinen Blick schweifen, ehe er an einem der Füße des Waschbeckens hängen blieb. Winzig und feingliedrig wand sich etwas graues darum. Auf Knien kroch Rufus näher und zupfte und zog an dem hinteren Bein des Spültisches. Wie auch immer das Kettchen dorthin gelangt war, Rufus hatte es gefunden.
Als er ihren Namen rief, und Mary und die anderen Damen von ihrem Tun aufsahen, konnte die junge Gryffindor kaum begreifen, dass es ihm tatsächlich gelungen war, das Erbstück ihrer Urgroßmutter gefunden zu haben. Und ob Rufus wollte, oder nicht, aber er ließ die dankbare und herzliche Umarmung über sich ergehen, ebenso Marys Geplärre und Geschnäuze.
»Ich schulde dir etwas«, sagte Mary flüsternd an Rufus gewandt, als sich die Gruppe zum Essen an der langen Tafel einfand. Professor Buckingham gefiel der Vorschlag des jungen Mannes, der Charlotte einen Kälteschub zu gewähren, sodass sich nun ein jeder mit einer Pastete, einem Blätterteiggebäck und einem Stück der Süßspeise auf seinem Teller zu begnügen hatte. Nachdem sich die Aufregung um das Verschwinden von Marys Armband allmählich legte, hatte die Professorin das Biskuit-Dessert aus der Kältekammer geholt und es noch mit Aprikosenmarmelade betrichen, um so auch ihren Beitrag zum Gelingen der Charlotte geleistet zu haben.
»Ach was« Rufus wischte ihre Worte mit einer saloppen Handbewegung fort. Und ob er es zugab, oder nicht, aber der Nachmittag hatte ihm, trotz anfänglichem Widerwillens, gefallen. Auf die neckenden und bissigen Kommentare seiner Klassenkameraden konnte er sich noch immer vorbereiten.
Zufrieden mit der erbrachten Leistung und dem Fund ihres Schmuckstückes, war von der mürrischen Mary nichts mehr zu spüren. Das glückliche Lächeln auf ihrem Gesicht und das Lob der Lehrerin war für ihn, Rufus Scrimgeour, in diesem Moment, vielleicht mehr wert, als die Gier nach Wissen und die Scheu vor zwischenmenschlichen Kontakten.
»Und, Mary«, erhob Professor Buckingham das Wort, »bist du deinem Traum jetzt ein Stück näher gekommen?«
Verblüffung ziert Rufus' Miene, als er neben sich sah und das Mädchen durch heftiges Kopfnicken die Frage beantwortete.
»Unsere Mary möchte einmal Köchin werden.«, fuhr die Professorin fort und lachte auf, als die junge Gryffindor beschämt die Hände faltete und den Blick senkte. »Deshalb ist sie so ehrgeizig.«
»Also ich werde einmal Designerin«, erklärte Rosalind ungefragt.
»Und ich arbeite später im Ministerium!«, legte Maysee nach und beide Mädchen begann zu kichern.
»Ich werde Professorin«, sagte Professor Buckingham und die Meute lachte, während die Dame nur breit grinste.
»Ich möchte Architektin werden«, gestand June und schob sich den letzten, verbliebenen Bissen des Blätterteigteilchens in den Mund.
»Und du, Rufus?«, fragte die Lehrerin und lächelte ihm freundlich zu.
»Auror«, sagte er knapp, »und der Leiter der Aurorenzentrale. Und Minister für Zauberei.«
Bei seinen Worten verebbte das Geplapper und Rufus erntete ein anerkennendes Nicken ringsum.
»Nun, dann habt ihr ja noch einiges vor euch.«, sagte Professor Buckingham. »Aber für heute, denke ich, haben wir genug. Überlassen wir das Feld wieder den Hauselfen, aber vergesst nicht, eure Teller und das Geschirr wieder abzuspülen! Eigenhändig.«
»Ja, Professor Buckingham.«, erklang es einstimmig und melodisch. Tassen und Teller wurden gewaschen und getrocknet, ehe die Mädchen und Rufus ihre Sachen zusammensuchten und sich verabschiedeten.
»Bist du nächste Woche wieder hier? Bei uns, in der AG?«, fragte Mary im Gehen, doch Rufus zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht«, riet er, »wenn ich die nächsten Tage überstehe.«
Das Mädchen hielt inne und legte fragend den Kopf schief. »Wenn sie etwas daran auszusetzen haben, dass du bei uns warst, dann schick sie zu mir, denen mache ich Feuer unterm Hintern!«, siegessicher regte Mary eine Faust in die Höhe. Ihr Tun verlangte ihm ein kleines Schmunzeln ab.
Er glaubte ihr.