Shape of my heart
Die Form meines Herzens.
Teil 2 – Kapitel 1
alle Widerstände sich berühren,
da ist der Punkt, wo das Leben entspringt.Friedrich Hebbel
Dass man sie anstarren und die Gespräche der anderen Schüler verstummen würden, sobald sie an Lucius´ Seite die Große Halle betrat, darauf war Molly vorbereitet. Doch sobald sie durch das Portal trat, hielt das Stimmengewirr an. Niemand schien Notiz von ihr oder dem Slytherin zu nehmen. Alle waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie auch nur einen Hauch Interesse an Molly und ihren Begleiter zeigen würden. Zu dieser Zeit, in der das Mittagessen eingenommen wurde, war es üblich, dass die Schüler von Hogwarts sich auch zu den Freunden gesellten, die nicht in dem jeweiligen Haus untergebracht worden waren. Abgesehen von den Slytherins, die niemand anderem als ihresgleichen gestatteten, auf den Bänken des Haustisches zu sitzen. Gryffindor, Ravenclaw und Hufflepuff mischten sich also untereinander und genossen das üppige Mahl, während die Schlangen es vor zogen, unter sich zu bleiben.
Wie gewohnt wandte sich das Mädchen in die Richtung ihres Haustisches und schritt geradewegs auf diesenzu, als Lucius´ lautes Räuspern sie innehalten ließ. Mit einem stummen Kopfnicken gestikulierte er, dass sie sich immer noch an seiner Seite befand und er nicht gestattete, dass sie sich, als “Slytherin”, zu ihren einstigen Kameraden setzte. Die junge Gryffindor unterdrückte den tiefen Seufzer, der gerade auf dem Weg war, aus ihrem Mund hervor zu brechen.
Unweigerlich suchten Mollys Augen den Gryffindortisch nach Arthur ab, doch ihre Suche blieb erfolglos. Scheinbar hatte er schon gegessen, denn wenn Arthur Weasley etwas beherrschte, dann war es das ungezügelte “Essen-in-sich-hinein”-Stopfen!
Langsam, aber immer noch den Blick auf ihren Haustisch geheftet, ließ sich das Mädchen neben dem jungen Mann auf die Holzbank sinken.
Man hätte annehmen können, dass das Essen, welches auf dem Tisch der Schlangen verweilte, um einiges pompöser und besser ausfallen würde, doch dies schien nicht der Fall zu sein, wie Molly nun feststellte. Die Speisen waren genauso aufgereiht und an Menge reichlich vorhanden, wie sie es vom Gryffindortisch her kannte. Anscheinend machten die Hauselfen keine Unterschiede, was die Häuser betraf und Molly kam nicht umhin, ein flüchtiges Grinsen zu unterdrücken. Auch wenn die Unterkünfte bei den Slytherins um vieles luxuriöser waren, als die der Ravenclaws, Hufflepuffs und nicht zuletzt der Gryffindors, so waren die Schlangen doch, was das Schulische und das Essen betraf, in die gleiche Kategorie gerutscht, wie alle anderen Schüler der jeweiligen Häuser auch.
Keine Vorzüge! Es gab schließlich nicht nur Streber und Sportasse bei den Schlangen, auch gehörten etwas weniger Begabte zu ihnen,
Als sich Mollys Blick von dem Tisch der Löwen löste, an dem ihr gerade ihre Freundin Sarah einen mitleidigen Blick zuwarf, wandte sich das Mädchen den Speisen zu, die sich vor ihr auftürmten.
Slytherin hin oder her, sie hatte Hunger und würde sogar die Gesellschaft eines Trolls oder Riesen in Betracht ziehen, nur um endlich etwas in den Magen zu bekommen.
“Ah, Malfoy!”, die Stimme, die an die Ohren der jungen Frau drang, war ihr in den letzten Stunden mehr als bekannt geworden.
Miles McKinnley ließ sich unaufgefordert neben Molly auf den freien Platz fallen und reckte seinen Hals über den Tisch, um Lucius´ Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch dieser schien ihn gar nicht zu bemerken, stattdessen leistete sich Miles einen Blick auf Molly, die gerade eine Kartoffel auf ihre Gabel spießte und diese zu ihrem Mund führte.
“Was?”, fragte sie ungehalten und starrte in die Augen ihres Sitznachbarn. Miles´ Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.
“Ein neues Gesicht.”, stellte dieser ungeniert fest, doch statt ihm eine passende Antwort entgegen zuschleudernd, zuckte Molly mit den Schultern.
“Ich hab´ dich unter den Tisch gesoffen.”, platzte es aus dem Mund des Mädchens heraus und Lucius neben ihr kam nicht umhin, ein schnaubendes Kichern von sich zu geben.
Miles verzog für eine flüchtige Sekunde sein Gesicht zu einer ungläubigen, aber dennoch anerkennenden Fratze, ehe er das Thema fallen ließ und sich wieder dem blonden Jungen zuwandte.
“Narzissa ist ziemlich sauer auf dich.”, meinte er und Lucius Kopf schoss abrupt in seine Richtung.
“Ach?”, hakte Lucius nach. “Erzähl mir etwas, dass ich noch nicht weiß.”
“Sie hat vorhin zwei Drittklässler in Grund und Boden gekeift, weil sie ihr im Weg standen.”, erklärte Miles und erntete einen nervösen Seitenblick von Molly. “Sie ist manchmal etwas...”
Dass der Slytherin mit seinem Zeigefinger eine kreisende Bewegung an seiner Schläfe machte, bewies, dass er die Verlobte seines Kameraden für “nicht-ganz-dicht” hielt. Lucius warf ihm automatisch einen giftigen Blick entgegen.
“Ist doch so.”, rechtfertigte sich Miles schulternzuckend und füllte seinen Teller mit Brokkoli. Molly schwieg und schob ihren Teller von sich. Fürs Erste war ihr der Hunger vergangen. Ein seltsames Gefühl erfasste sie plötzlich und Molly merkte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten.
Es war ja nicht schon erniedrigend genug für sie, neben einem Slytherin zu sitzen. Dass sich nun auch noch McKinnley neben ihr auf die Bank fallen ließ, machte die Situation nicht gerade einfacher. Molly befand sich in einer Zwickmühle:
Sie kam sich zwar einerseits wie eine Art Kindergärtnerin vor, aber dennoch war sie auf ihren “Schützling” angewiesen, was sich dahingehend äußerte, dass sie sich genau im Territorium des “Feindes” befand. Lucius selbst stand, laut “Hierarchie”, über Miles McKinnley, ungeachtet dessen, dass beide zwei Lebensjahre unterschied, und so, wie sie Lucius einschätzte, gestatte er keine Fehltritte und es schien ihm sehr zu missfallen, dass ihn Miles mit der Nase auf sein Problem stieß.
Dass Lucius´ Verlobte, die kühle und äußerst beherrschte und beherrschende Narzissa Black, nicht gerade bester Stimmung war, konnte die junge Gryffindor nachvollziehen. Wenn es sich Molly recht bedachte, saßen Narzissa und sie gewissermaßen im selben Boot, auch wenn es ihr, Molly, widerstrebte, jemals so etwas zuzugeben. Aber Narzissa schien genauso verletzt und wütend zu sein, wie sie selbst. Es war seltam, aber dies schien die beiden Mädchen auf eine absurde Art zu verbinden. In einem Anflug von Mitleid und Mitgefühl wandte Molly ihr Haupt augenblicklich in die Richtung, in der sie Narzissa vermutete. Aus dem Augenwinkel heraus hatte sie bemerkt, wie sich der Slytherintisch langsam mit hungrigen Schülern füllte und wurde, was die “Eisprinzessin” betraf, nicht enttäuscht. Narizissa Black starrte sie mit kalten, blauen Augen an und ebendiese verströmten so viel Hass, Wut und Abneigung, dass es Molly vorkam, als wäre die Temperatur unweigerlich von wohligen 22 Grad, auf minus 30 Grad abgesunken und das binnen einer einzigen Sekunde. Automatisch überzog erneute Gänsehaut Mollys Arme und aus dem mitleidigen und mitfühlenden Blick Mollys, wurde ein Ausdruck der Gleichgültigkeit, gepaart mit ebensolcher Wut und Verbitterung, die auch sie, ebenso wie die baldige Misses Malfoy, empfand.
Da sich die junge Gryffindor Schwäche und Angst verbot, legte sich ihr Blick wieder auf Lucius und Molly bemerkte, dass der eisige Blick Narzissas nicht allein ihr galt. Lucius selbst war ebenso der Leidtragende und müsste wohl zu Kreuze kriechen um seine Herzallerliebste wieder zu beschwichtigen. Narzissa blieb nun einmal ein Mädchen, mit Stimmungsschwankungen, Unsicherheiten und nicht zuletzt dem Wunsch nach Liebe. So zumindest nahm es Molly an. Denn trotz der kalten Fassade schienen Lucius und sie wirklich gut zusammenzupassen, auch wenn Lucius der Gryffindor erklärt hatte, Narzissa und er würden sich “respektieren”. Doch Molly wusste, dass dem Mädchen mehr an dem Jungen lag, als nur der “eingeflößte” Respekt ihrer Familie ihm gegenüber. Die Aussage in ihrem Blick sprach Bände und ließ nur einen Schluss zu:
Lass deine Finger von meinem Verlobten, sonst wirst du mich kennen lernen!
Eine stumme Drohung, doch Molly würde nicht im Traum daran denken, etwas mit diesem Exemplar der Gattung Mann anzufangen, geschweige denn auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden!