Shape of my heart
Die Form meines Herzens.
Teil 2 – Kapitel 2
Das knappe Mittagessen verlief größten Teils schweigend. Weder Lucius noch Molly schienen erpicht auf einen Wortwechsel und hätte sich Miles nicht so bemüht, ihr ein Gespräch aufdrängen zu wollen, dann wäre ihr auch diese gequälte Konversation erspart geblieben. Aber Miles´ Cersuch, sie etwas aus der Reserve zu locken, war nicht erfolglos geblieben. Zwar sträubte sie sich anfangs noch, doch hätte das Mädchen nie und nimmer gedacht, dass es so leicht schien, von jemandem erheitert zu werden. Und dann auch noch von einem Slytherin, die stets als kalt, eitel, hinterlistig und unfreundlich galten.
Allem Anschein nach, musste man die Schlangen erst einmal richtig kennen lernen, um zu bemerken, dass sie auch Humor hatten. Eine etwas schräge Art von Witz vielleicht, aber dennoch sehr belustigend, wenn man sich darauf einlassen konnte und wollte.
Anders, als bei den Gryffindors, brach hier niemand weinend am Tisch zusammen, um sich unter Schnappatmung den Bauch zu halten und zu kichern, als hätte man denjenigen mit einem Fluch belegt.
Hier blieb man gefasst, beherrscht. Eine falsche Bewegung, und man würde Giftzähne zu spüren bekommen. Doch Molly wäre nicht Gryffindor durch und durch, ohne Löwenstolz zu besitzen und die windigen Kreaturen zu provozieren.
Sehr wohl verstand sie die primitiven Andeutungen ihres Nachbarn, die Frechheiten, die Neckerein und die Herausforderungen, und bedankte sich mit einem Grinsen. Das anzügliche heben der Mundwinkel genügte, und Miles fuhr ungehindert mit seiner Show fort. Wann hatte sich den Schlangen jemals die Gelegenheit geboten, einem Löwen über die Mähne zu streichen?
“Kennst du den Witz mit dem Einhorn in der Bar?”, fragte er grinsend und giggelte bereits, noch bevor er Mollys Antwort abgewartet hatte.
Das Mädchen schüttelte den Kopf, verdrehte jedoch in Gedanken die Augen. Eine Schlange mit Humor und Witz? Miles verdiente einen Orden!
“McKinnley!”, knurrte Lucius neben ihr und das Beben ihres Körpers verstarb, ebenso hielt Miles in seinem Gegacker inne. “Wir gehen! Oder bist du noch nicht fertig?!”
Ohne ein weiteres Wort erhob sich der blonde, junge Mann von der Bank und warf der jungen Frau einen auffordernden Blick zu. Lucius wusste genau, dass ihr der Appetit vergangen war und das seine gewählten Worte nur Phrasen waren, unbedeutend und überflüssig.
“Willst du mir nicht danken?” Lucius' Ton provozierte sie in diesem Moment nicht so sehr, wie es sein Blick tat.
“Ich soll dir schon wieder dankbar sein? Wohl kaum!” Er forderte heraus, sie bot ihm Paroli mit Kälte in der lieblichen Stimme.
“McKinnley redet zu viel.”, angestrengt rieb sich der junge Slytherin die Schläfen.
“Er hat sich bemüht, nett zu mir zu sein.”, entgegnete Molly unwirsch und klang verteidigend. Lucius blieb abrupt stehen und blickte sie mit erhobener Augenbraue an.
“Wir gehen dir wohl doch näher, als du zugeben willst?”, verlangte er, mit einem Grinsen auf den Zügen, zu wissen.
“Nahe gehen? Oh ja, ihr geht mir unter die Haut. Schlängelt und windet euch!”, der Hohn und der Spott sollten ihm eigentlich genügen und seine Zunge in Zaum halten, zumindest hoffte Molly mit ihrer Antwort auf eine ebensolche Reaktion.
“Oh Liebes, Zynismus mag zwar eine feine Sache sein, doch dir steht er nicht im Geringsten.”, erklärte Lucius und die Müdigkeit, die in seiner Stimme mitschwang, wich einem Zischen.
“Ist das so? Und was steht mir deiner Meinung nach?”, sie provozierte, sie saß am längeren Hebel! Sie war älter, reifer und ihm überlegen!
Der Blick aus diesen kalten, grauen und manchmal alt wirkenden Augen wurde sanft, amüsiert und plötzlich mit einem anzüglichen Glitzern durchsetzt.
“Sag es nicht!”, befahl sie und marschierte an ihm vorbei den langen Gang entlang. “Wie lange bin ich noch dazu verdammt, meine Zeit mit dir zu verschwenden?”
“Du findest, dass meine Anwesenheit also Zeitverschwendung ist? Dabei zwinge ich dich zu nichts. Aber ich muss dich leider daran erinnern, dass ein Deal ein Deal ist, Liebes.”, das Zischen verflog und machte wieder der Sanftheit Platz. “Du darfst tun, was du möchtest, nur ist es dir nicht gestattet, in den Gryffindor-Turm zurückzukehren.”
“Wieso redest du immer so geschwollen?”, verlangte Molly zu wissen und zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine Falte, als sie ungläubig den Kopf schüttelte.
“Bietest du mir schon wieder eine verbale Steilvorlage, Molly Prewett?”, die verletzte Molly hätte diesem Jungen am liebsten dieses, mehr als anzügliche Grinsen aus dem Gesicht gewischt, doch die “erholte”, trotzige Gryffindor legte es auf einen Schlagabtausch an.
“Geschwollen und steil, sehr gut, Malfoy. Noch grün hinter den Ohren aber mit den Großen spielen wollen!”, höhnte sie und rammte ihre Fänge in die Antilope, die der Slytherin an einer Angel befestigt hatte. Natürlich nur im übertragenen Sinne, dennoch gelang es ihm, dass sie sich mehr und mehr von Dingen löste, die das Mädchen, allem Anschein nach, immer noch in Ketten hielten.
“Ich spiele gern mit dem Feuer!”, entgegnete Lucius trocken und ging mit geschmeidigen Schritten die Stufen zu den Kerkern hinunter.
“Soll ich eine Strichliste führen für all die Anspielungen, Aufforderungen und Assoziationen, die aus deinem kleinen Verstand herausbrechen?”, wollte Molly wissen und würgte ihr Angebot geradezu heraus.
“Wie es dir beliebt.”, mit einem Schulterzucken schritt der junge Slytherin schlendernd voraus und amüsierte sich über den murrenden Laut, den das Mädchen von sich gab.
“Uns bleiben jetzt noch knappe vier Stunden, bis zum Abendessen. Schwebt dir etwas als Zeitvertreib vor?”, wieder kehrten sie in seine Räumlichkeiten zurück und Molly blickte sich um, als hätte sich in der Zeit ihrer Abwesenheit etwas verändert. Lucius ließ sie im Türrahmen stehen, ging gemächlich auf sein großes, gemütliches Bett zu, ließ sich auf das dunkle Laken fallen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
“Steilvorlage!”, flötete der blonde Junge und grinste ihr entgegen.
“Als wenn ich mit dir das Bett teilen würde!”, knurrte Molly und rügte sich in diesem Moment, denn das Grinsen auf seinem Gesicht wurde breiter.
“Ich weiß, dass ich bereits da drinnen gelegen habe.”, knurrte sie in seine Richtung.
“Und ich dachte schon, du willst dich mit dem Boden begnügen, obwohl ich den auch gar nicht mal so abwegig finde, zumindest, wenn es schnell gehen muss.”, erläuterte Lucius galant. Über solche Äußerungen und Andeutungen konnte Molly wirklich nur den Kopf schütteln.
“Verrate mir eins: Wie weit kommt man mit so einer großen Klappe, wie du sie hast?”, das Mädchen verschränkte die Arme vor der Brust, stieß sich vom Türrahmen ab und ging in dem Zimmer langsam auf und ab, jedoch nicht ohne die Schlange aus den Augen zu lassen.
“Weit Liebes, wie du siehst.”, erklärte er milde.
Ihr Knurren störte ihn nicht, Molly sah selbst, wie man ihn behandelte. Lucius Abraxas Malfoy schien es Einerlei zu sein, ob man ihn mochte, liebte, vergötterte oder gleichermaßen verachtete, hasste und ihm alle möglichen Flüche auf den dürren Hals hetzen wollte.
Das Fräulein schwieg und betrachtete den jungen Mann, der ruhig und entspannt auf den Laken lag, die Augen geschlossen hielt und darauf wartete, dass sie etwas erwiderte.
“Du bist viel zu angespannt!”, entschied er und linste zu ihr herüber.
Molly lag etwas auf der Zunge, eine bösartige Bemerkung, doch sie würde diese, ganz Mädchen und kultivierte junge Dame, die sie war, herunter schlucken und sich mit Nichten auf sein Niveau herab begeben. Leck mich!, würde nie über ihre Lippen kommen, denn nur Merlin und sie wussten, wie er darauf reagieren würde. Allenfalls würde das dreckige Grinsen anhalten, er würde sich erheben und...
Molly schüttelte sich. Ein Kind, dass mit den Erwachsenen spielen wollte. Ein Bengel, der erst gar nicht in Genuss einer Frau kommen würde, ehe er nicht mindestens achtzehn Lenzen auf dem Buckel hatte. Mehr war Lucius Malfoy in ihren Augen nicht. Jung, dank Salazar verdorben, überheblich und nicht zuletzt dumm. Naiv, kindlich und übertrieben.
Molly war die Letzte, die sich in der Position sah, ihm seine Grenzen aufzuzeigen!
Den Teufel würde sie tun!
“Verrate du mir jetzt eins!”, forderte er und setzte sich auf.
“Das ist kein Ratespiel. “Frage lieb und antworte dumm” gibt es nicht!”, fauchte Molly und unterließ es, Furchen in den Teppich zu laufen.
“Ich dachte eher an “Frage dumm und antworte lieb”, aber ich wollte eigentlich nur, dass du mir jetzt etwas verrätst. Das wäre nur fair.”, nicht ein Muskel zuckte in seinem Gesicht, nur sein Blick ruhte auf ihr.
“Du spielst nicht fair!”, knurrte Molly und schlug einen warnenden Ton an.
“Spielen wäre Punkt zwei auf meiner Liste.”, entgegnete er gelassen.
Das Mädchen nickte ihm auffordernd zu. Er solle sprechen, sie gestattete es ihm.
Ein Knall hallte durch den Raum, als Molly mit der flachen Hand ausholte und Lucius hart im Gesicht traf. Die linke Wange des Jungen schwoll augenblicklich an und wies bereits eine rot-violette Färbung auf. Die Röte auf seiner Haut war jedoch nichts im Vergleich zu der, die Mollys Gesicht zum Glühen brachte. Tränen der Wut und Empörung traten ihr in die Augen. Haar und Haut waren beinahe nicht mehr zu unterscheiden, als sie sich abermals auf ihn stürzte.
“Frag mich noch einmal, wie oft ich mit Arthur vögele oder es ihm besorge und ich schwöre bei Godric Gryffindor, dass ich dir deinen Arsch unter den Füßen weghexe, Lucius Malfoy!”, die Drohung war unmissverständlich klar.
Ihr Temperament war mit ihr durchgegangen, das erkannte sie, als sie ihm in die Augen blickte. Ihre Finger hatten sich in seine Schultern verkrallt, als Molly den Jungen unter sich begrub. Sie war zwar nicht gerade groß, doch hatte sie genügend Wucht und Kraft in ihrer Attacke gehabt, um ihn auf die Laken zu drücken. Nicht einmal eine Briefmarke passte zwischen ihre Nasen, als sich das Mädchen herunter beugte, um den Slytherin zurecht zu weisen.
“Du bist abstoßend, anmaßend, widerlich! Verachtenswert! Jemand wie du sollte für diese Auswahl an Worten in Askaban sitzen und dort verrotten!”
Zeter und Mordio!
Molly schrie nicht. Sie keifte nicht. Die Gryffindor brüllte auch nicht. Das Mädchen wandte den Blick von ihm ab, strich mit ihrer Nase an seiner unverletzten Wange hinab, bis ihre Lippen sein Ohr erreichten.
“Impedimenta.”, flüsternd, fast unhörbar sprach Molly diesen kleinen Fluch aus und setzte den Jungen unter sich außer Gefecht. Lucius war bewegungsunfähig, jedoch nicht gänzlich erstarrt. Er war gezwungen, sich ihrer Schimpftirade auszusetzen.
Petrificus Totalus, diesen Fluch zog er in diesem Moment allen anderen Zaubern vor. Er wollte erstarren, verstummen und, wenn möglich, erst wieder zu Gehör gelangen, wenn Molly es satt hatte ihn zu beleidigen. Wenn sie ihn satt hatte. Doch den Gefallen tat sie ihm nicht.
Er hörte jedes ihrer gezischten Worte, jede ihrer Drohungen, und ihrer verbalen Entgleisungen.
Unter anderen Umständen hätte ihn ihre Aktion amüsiert, ihm sogar gefallen. Aber das Mädchen bewies Härte und Sturheit.
“Provozier´ mich noch einmal in dieser Art und Weise, Malfoy, und es wird das Letzte sein, was du jemals tun wirst! Rennervate.”, sie hob den Fluch auf, erlöste ihn aus seiner Qual, krallte sich noch ein letztes Mal in seine Schultern, ehe sie den Kopf hob und ihm klar machte, was sie von ihm hielt. Ihr Blick war kalt, so eisig, dass es Schneeflocken hätte von der Zimmerdecke rieseln müssen. Sie hasste ihn, verachtete ihn und wäre weiteren Folterungen nicht abgeneigt. Molly war kein schlechter Mensch, doch verteidigte sie in erste Linie sich selbst, ihre Ehre.
Er hatte sie gereizt und Arthur sie verraten. Sie war verletzt, gekränkt, verbittert, traurig, verstimmt, verdrießlich.
Ihr Blick zeigte ihm alles, doch noch etwas schwang darin mit.
Enttäuschung.
Sie war enttäuscht von ihrem Freund und von ihrem Feind erst recht.