Shape of my heart
Die Form meines Herzens.
Teil 2 – Kapitel 3
Als sie von ihm abließ, von ihm herunter krabbelte und mit beiden Beinen wieder auf dem Boden stand, wagte es Lucius kurz, seine Finger zu bewegen.
Er war wütend.
Er glühte vor Zorn, vor Rachedurst und doch blieb er immer noch reglos liegen und starrte an die Decke. Lucius verbiss sich jeglichen Laut und Molly tat es ihm gleich. Selbst ihr Atem ging so leise, dass er hätte schwören können, sie würde die Luft anhalten und dennoch stand sie vor ihm.
Ihr Blick war starr, sie zwinkerte nicht, blinzelte nicht einmal. Molly fixierte ihn mit Abscheu, doch in ihrem Kopf schienen sich die Gedanken zu überschlagen.
Langsam rutschte der junge Mann auf dem Laken herum und setzte sich letztendlich auf. Die Arme auf das Betttuch gestützt, die Ellenbogen bohrten sich in die Matratze, die Beine waren lang ausgestreckt. Er kroch vor ihr davon, zumindest wollte er genügend Abstand zwischen sich und dieser Hexe bringen. Lucius rutschte bis an an Rand des Bettes und stieß mit dem Kopf gegen Kopfende.
Kurz zuckten Mollys Mundwinkel, die Reise in das Innere ihrer Gedanken hatte ein jähes Ende gefunden, als sie den Slytherin dabei beobachtete, wie er Anstalten machte, von ihr, der Furie, wegzukommen.
So, wie sie ihn anstarrte, tat er es ihr gleich. Die Löwin beobachtete das sich windende Objekt, und die Schlange lauerte und wartete auf den nächsten Angriff. Er war bereit, zu zubeißen und sie hielt sich nicht zurück, ihm ihre Pranke erneut vorzuführen.
“Waffenstillstand!”, sagte er ungerührt.
“Leck mich!”, fauchte das Mädchen und plötzlich war es ihr egal, ob er sich erneut im Ton vergreifen oder sie provozieren würde.
Eine Löwin teilte aus! Steckte zwar auch ein, doch sie verteidigte! Kampflos das Schlachtfeld zu verlassen kam für Molly Prewett nicht in Frage!
Lucius atmete ruhig ein und aus, schloss für einen kurzen Moment die Augen und sammelte sich.
Molly ballte die Hände zu Fäusten, presste jene fest an ihren Körper, der unweigerlich zu zittern begann.
“Du hasst mich”, versuchte es Lucius erneut und wartete, ob sie ihm den Mund abermals verbot, doch als sie nichts dergleichen tat, fuhr er fort: “Du willst nicht hier sein und ich will dich auch nicht unbedingt hier haben, Prewett.”
“Die Erkenntnis kommt spät.”, fuhr sie dazwischen.
“Wie wäre es mit noch einer Partie Poker. Du gegen mich.”, erklärte er.
“Die Einsätze?”, fragte sie forsch, als hätte sie seinen Vorschlag provoziert.
“Das liegt ganz bei dir. Gewinnst du, darfst du gehen. Verlierst du, bleibt die Abmachung, die ich mit Arthur Weasley getroffen habe, bestehen und du hier, bis Montagnacht. Mit dem zwölften Glockenschlag wärst du dann erlöst.”, Lucius legte ihr die einzigen Optionen dar, die ihr geblieben waren.
Mehr hatte er nicht zu bieten und mehr verlangte sie auch nicht. Molly nickte knapp und stimmte wortlos seinem Angebot zu.
Lucius forderte sie also heraus? Sie wäre keine Gryffindor, wenn sie ablehnen würde, aber dennoch schwante ihr Böses.
“Ich traue dir kein Bisschen!”, knurrte Molly und taxierte den blonden, jungen Mann mit wutschäumendem Blick. Die Lippen Lucius´ kräuselten sich zu einem diabolischen Grinsen.
“Du willst doch deine Freiheit wieder, oder?”, Provokation, die Herausforderung lockte in seinen Worten,
In ihrer Kehle wallte ein knurrender Laut auf. Dieser kleine Giftgnom wusste genau, dass sie wieder in ihren Turm zurück wollte und doch schien er bereits zu ahnen, dass in Molly ein Kampf entbrannt war. Die Sehnsucht nach Erlösung war groß, doch ihr Verantwortungsbewusstsein, ihr Wille, Ehrgeiz, diese letzten Stunden zu überstehen, waren größer.
Aufgeben kam für Molly Weasley, eine Gryffindor, nicht in Frage, stand nicht zur Debatte!
Sie würde nicht klein beigeben!
Sie würde kämpfen!
Und siegreich aus dieser Schlacht hervorgehen!
“Wir brauchen einen Dealer!”, stellte sie klar, die Arme vor der Brust verschränkt und ihr Gegenüber mit Feindseligkeit im Blick fixierend.
“Brauchen wir nicht!”, entschied Lucius müde.
“Ich will Miles!”, entgegnete sie.
“Diese Tratschtante hat nicht den blassesten Schimmer vom Pokern, Liebes. Fünf Runden, zwei von dreien. Wer drei Mal gewinnt...”, versuchte er zu erklären.
“Ach, sei still!”, unterbrach sie den jungen Mann rüde und beobachtete ihn dabei, wie er sich vom Bett erhob und Anstalten machte, den Raum zu verlassen. “Wo willst du hin?”
“Nun, Liebes, ohne Equipment keinen Spaß!”, Lucius verließ das Zimmer und kehrte keine fünf Minuten später mit einem Koffer in der Hand wieder, jedoch ohne Begleitung.
“Ein Partie ohne Chips, ohne Dealer. Die Einsetze wurden bereits festgelegt. Es geht hier also nur ums Gewinnen, oder Verlieren.”, abermals bemühte sich der junge Slytherin um Erklärungen und wurde erneut von dem Mädchen unterbrochen.
“Du wiederholst dich, Klugscheißer!”, knurrte Molly und ließ sich widerwillig auf dem Laken nieder.
Lucius nahm ihr gegenüber Platz, öffnete den Koffer, entnahm die erforderlichen Karten und mischte diese. Das Mädchen schwieg und ließ den jungen Mann nicht aus den Augen. Er verteilte die Karten. Sie bekam zwei, er ebenso und in der Mitte platzierte Lucius zu beginn die ersten drei von fünf Karten und deckte diese auf. Beim Mischen hätte Lucius nicht schummeln können. Molly griff mit zitternden Fingern nach ihrem Blatt.
Ein Kreuz König und eine Herz Drei. Etwas mager für ihren Geschmack und die Community Cards in der Mitte des “improvisierten Tisches” ließen auch zu wünschen übrig.
Karo Neun; Herz Ass und die Herz Dame
Blieb ihr nur zu hoffen, dass Lucius´ Blatt noch trüber aussah, als ihres.
“Du hältst nicht viel von einem Pokerface, oder Malfoy?”, zischte Molly, als sie das breite Grinsen in seinem Gesicht sah.
“Alles mit der Zeit, Liebes.”, entgegnete dieser mit einer Spur zu viel Heiterkeit und Zuversicht in der Stimme.
“Ich würde ja jetzt meinen Einsatz machen, aber dazu fehlt mir, wie nanntest du es? Ach ja, das Equipment. Wo sind die Chips?”, knurrte die junge Hexe und warf ihm einen bösen Blick zu, doch Lucius schüttelte nur den Kopf.
“Sag einfach, ob du mitgehst, oder es bleiben lässt, Prewett!”, sagte er entschieden und Molly verzog das Gesicht.
“Ich gehe mit!”, meinte sie zähneknirschend und wartete darauf, dass Lucius die vierte von fünf Karten platzierte und aufdeckte.
Karo König, Molly grinste innerlich. Ihr Pokerface war perfekt! Sollte Lucius Malfoy nicht ein Ass in den Händen halten, oder gar Schlimmeres, dann gehörte der erste Sieg ihr!
“Weiter!”, drängte sie, als sie seinen Blick auf sich spürte. Auch ihr Gegenüber schien mehr als siegessicher zu sein, da Lucius die letzte Karte aufdeckte.
Kreuz Acht
“Will sehen!”, forderte Molly und wippte nervös mit den Zehen. Sie besaß zwei Könige und wartete gespannt, ob es ihr vergönnt war, den ersten Schritt in Richtung Freiheit zu tun. Lucius breitete seine Karten vor ihr aus und Molly schluckte schwer.
Pik Dame; Herz Acht! Lucius hatte tatsächlich zwei Zwillinge bestehend aus Damen und Achten.
“Eins zu null.”, entgegnete er trocken.
“Spar dir deinen Atem!”, fauchte Molly.
“Willst du eine Strichliste führen? Hast du vorhin nicht von so etwas Ähnlichem gesprochen?”, neckte Lucius grinsend.
“Bis fünf kann ich zählen!”, gab das Mädchen zähneknirschend zurück und erntete abermals ein amüsiertes Grinsen.
Es sah nicht sonderlich rosig für die junge Dame aus, denn auch die zweite Runde vermochte die Schlange für sich zu entscheiden.
“Drei von fünf.”, erinnerte Lucius und bekam ihren grimmigen Blick als Retour.
Doch endlich gelang es Molly, die nächste Partie für sich zu entscheiden.
Ihrem Karo Flush konnte Lucius nichts entgegen setzen, war sein Blatt doch so mickerig ausgefallen. Nicht einmal einen Zwilling hatte er parat gehabt. Doch ihr kleiner Ausflug zu ungeahnten Höhen wusste er abermals barsch zu unterbrechen.
“Liebes, wenn es nicht diese Runde ist, dann ist es eben die nächste, die alles entscheidet!”, flötete der blonde Jüngling.
“Du hältst McKinnley für eine Tratschtante? Du bist der, der eindeutig zu viel redet! Quasselstrippe!”, knurrte Molly ungehalten und begierig darauf, dass Lucius endlich die Karten auf den Tisch legte.
Der Malfoy-Spross mischte nun zum vierten Mal das Deck, verteilte die Karten und strömte eine Ruhe aus, die Molly innerlich zum Kochen brachte.
Für ihn würde sich nichts ändern, abgesehen von ihrer Anwesenheit. Er konnte sie ignorieren, wenn ihm danach war. Doch Molly war es, für die mehr auf dem Spiel stand, beziehungsweise auf dem Bettlaken lag, als nur der Spaß. Für mehr als achtundvierzig Stunden würde sie noch eingepfercht und betraft sein mit der Ausgeburt, dem Ausbund an allem, was sie abstoßend fand!
In der Mitte des Lakens lagen die Karo Zwei; die Pik Acht und der Karo Bube.
Molly selbst hielt den Karo König, sowie die Pik Neun in ihren zitternden Händen.
Zu den drei Karten in der Mitte gesellten sich schnellstens die Karo Drei und der Pik König. Angespannt starrte Molly auf das Blatt in der Mitte und jenes in ihrer Hand. Nun war Lucius am Zug und legte seine Karten offen.
Die Kreuz Zehn und der Herz Bube.
Erleichterung strömte durch ihre Adern, hatte Molly für einen flüchtigen Augenblick gedacht, dass sie bereits verloren hätte. Das Paar an Königen hatte sie gerettet, nun stand es unentschieden.
“Unglaublich!”, knurrte Lucius und schien ein wenig unzufrieden.
Er machte keinen Hehl daraus, wie sehr es ihm missfiel, so knapp vor dem Abgrund zu stehen. Sein Ruf stand auf der Kippe, sollte dieses Mädchen mehr Glück haben, als es ihr Verlobter vor wenigen Stunden gehabt hatte. Molly jedoch war ein Stein vom Herzen gefallen und dennoch mischten sich unter dieses Hochgefühl hiesige Eisbrocken, war das letzte Spiel noch lange nicht entschieden.
“Du bist gut.”, Molly überging das flüchtige Kompliment, welches aus dem Mund der Schlange empor kroch. Sein Blick ruhte auf ihr, während Lucius zum letzten Mal die Karten mischte.
“Es spielt keine Rolle, ob ich das Spiel beherrsche, oder nicht.”, knurrte sie stattdessen.
“Ach nein?”, bohrte der junge Mann nach und klang doch wahrlich interessiert.
“Nein.”, erwiderte die Hexe und hob den Kopf. Er sah sie teilnahmslos an, mischte und kam nicht einmal durcheinander.
“Nun, vielleicht hast du recht.”, entschied er mit leiser Stimme. “Es ist egal, was passiert.”
“Für dich vielleicht!”, fauchte Molly und rief sich in Erinnerung, wie viel Gewicht diese letzte Partie doch hatte. “Dass Arthur manchmal nicht sehr schlau und clever in seinen Entscheidungen ist, hast du gesehen.”
“Und wieder das Wiesel.”, seufzte Lucius theatralisch und überging das aufwallende Knurren in ihrer Kehle.
“Es kann eben nicht jeder mit einem Großhirn gesegnet sein, wie du eines hast, Malfoy.”, behauptete das Mädchen angriffslustig.
“Menschlichkeit und Intuition haben nichts mit Schläue oder Cleverness zu tun. Ich dachte, dass du das begriffen hättest. Ein Mensch kann noch so mies handeln, aber wenn seine Taten durch andere Dinge wett gemacht werden, dann sieht man augenzwinkernd darüber hinweg, nicht wahr, Liebes?”, nun war er es, der Kampfeslust bewies.
“Worauf willst du hinaus?”, verlangte Molly zu wissen.
“Also hast du es doch nicht begriffen, hm?”, etwas zu sanft hallten seine Worte in ihren Ohren nach. “Oh Liebes, jeder hat seine Fehler, niemand ist perfekt. Egal, ob mit oder ohne Riesenhirn. Unsere Taten sind nur so gut, wie wir selbst.”
Molly gab nur einen schnauben Laut von sich. Woher dieses Bürschchen auch immer solche Worte hatte, er machte sich lächerlich.
“Hörst du dich eigentlich selbst reden? Oh ja, richtig. Du liebst es ja, dich selbst reden zu hören, nicht? Aber hörst du auch, wie es inhaltlich darum bestellt ist?”, die Arme wieder vor der Brust verschränkt, beobachtete sie, wie der junge Mann im Mischen der Karten inne hielt.
“Lassen wir das!”, der saloppe Ton konnte nicht über den ausgesprochenen Befehl hinwegtäuschen.
“Anderen Möchtegern-Ratschläge erteilen, aber sich selbst bedeckt halten?”, stichelte Molly erneut.
“Prewett!”, warnte Lucius und war bereits im Begriff, die Karten zu verteilen. Die letzte Runde hatte unweigerlich begonnen. Sie entschied über Sieg oder Niederlage. Über Bleiben oder Gehen. Über Erlösung oder Verdammnis.
Kein Zittern, kein Beben erfüllte ihre Glieder, als Molly die beiden Karten vom Laken hob und doch hatte sie alle Mühe, dass sie ihr nicht aus den Fingern glitten. Sie war nervös, ihre Hände schwitzten und ihr Herz begann zu rasen. Kälte wand sich durch ihre Adern und schien ihre Lunge zu blockieren. Der harte Brocken in ihrer Kehle wollte nicht weichen, sondern verbarrikadierte sich in ihrem Hals und schien es sich dort heimelig zu machen.
Molly kniff die Augen zusammen, öffnete zögernd die Lider und entschied, dass es aussichtslos war. Ihr Blatt war alles andere als gewinnbringend. Es war schlecht und stünde nicht so viel auf dem Spiel, hätte sie die Karten von sich geworfen.
Hoffnung war das Einzige, was ihr jetzt noch geblieben war.
Talent und Glück waren überflüssig. Sie lachten hämisch und schienen sich zu amüsieren, gingen gemeinsam tanzen und schwirrten haltlos um die Hexe herum, ohne ihr Unterstützung anzubieten.
Obwohl es so schlecht gar nicht aussah. Zumindest auf den ersten Blick machten die Karo Dame und die Herz Sechs eine “gute” Figur. Doch das, was in der Mitte der dunkelgrünen Laken auf Molly wartete, war einfach nur als “schlecht” zu werten.
Kreuz Vier; Kreuz Sieben und Pik Drei.
“Luschen!”, knurrte das Mädchen und erntete ein Schnauben.
“Wie wahr!”, bestätigte Lucius und deckte die vierte Karte auf und legte sie zu den anderen.
Die Kreuz Acht.
“Es wird ja immer besser!”, brummte Molly und schüttelte vor Verzweiflung ihr rotes, lockiges Haupt. Dem jungen Mann entkam ein gedehnter Seufzer, auch ihm schien nicht zu gefallen, was er sah.
“Die Letzte!”, sagte Lucius und deckte die fünfte Karte auf. Karo Vier.
Mollys Gedanken flogen wild umher, alles schien zu schwirren und durcheinander zu sein.
Sie hatte nichts, abgesehen von einem Zwilling bestehend aus Kreuz und Karo Vier!
“Will sehen!”, forderte sie, schluckte und unterdrückte ein Zittern in der Stimme. Sie gab ihr Deck offen und Lucius tat es ihr gleich.
Beinahe wäre sie in hysterisches Gelächter ausgebrochen, war doch seine erste Karte eine Dame.
Herz Dame!
Doch würde seine zweite Karte über den Verlauf der weiteren Stunden entscheiden. Lucius schlug die Augen nieder und wirkte plötzlich enttäuscht.
Hatte sie gewonnen?
Durfte sie endlich gehen?
Wäre sie frei und könnte in ihren Turm zurück, um endlich einer so lang ersehnten Entschuldigung ausreichend Raum zu geben?
Doch das Karo Ass ließ ihrer Hoffnung nicht genügend Platz.
Schweigend lag es zwischen ihnen, und doch brüllte es aus Leibeskräften nach Hohn und Versagen.
Beide, Molly und Lucius, standen auf der gleichen Ebene. Jeder von ihnen hatte zwei Partien für sich entschieden und nicht zuletzt beinahe dasselbe Blatt.
Die Schlange war es, die siegte. Das Ass war im Wert immer noch höher als eine Zahl.
“Du bist enttäuscht!”, sagte er und es klang seltsam in ihren Ohren. “Ich bin es auch!”
Mollys Blick war starr auf die Karten gerichtet. Ihr Kopf wand sich von einer Seite zur anderen, dann war nichts mehr dort, wo es sein sollte.