Shape of my heart
Die Form meines Herzens.
Teil 2 – Kapitel 4
Wieder wach?”, dunkel drang seine Stimme durch den, in Dämmerlicht getauchten Raum.
“Nicht zu fassen!”, Molly brannten die Augen, ihr Kopf schmerzte und sie fühlte sich erneut so unendlich hilflos. Ihre Orientierung ließ sehr zu wünschen übrig und das Krächzen, das sie vernommen hatte, war eindeutig aus ihrem Mund gekommen.
Wieder war sie zusammengebrochen.
Wieder lag sie in seinem Bett.
Wieder fühlte sie sich, als sei alle Welt gegen sie und die Erniedrigung, in Gestalt eines jungen, galanten Mannes, lachte über sie.
Doch Lucius´ Miene blieb ungerührt. Kein Heben der Mundwinkel war zu sehen. Kein amüsiertes, überhebliches Glitzern in den sturmgrauen Augen. Stattdessen saß er in einem Sessel, der dem Bett gegenüber stand und hüllte sich in Schweigen. Auf seinem Schoß ruhte ein Buch, wahrscheinlich ein Lehrbuch, vermutete Molly, ehe sie sich ihrer Umgebung einigermaßen sicher war. Ihr Versuch, sich aus dem Bett zu erheben, scheiterte. Sie sackte laut schnaufend in die weichen Kissen zurück.
“Kopfschmerzen?”, erkundigte er sich. Molly schüttelte den Kopf, oder war dem Versuch nicht abgeneigt. Auch dieses Vorhaben misslang jedoch.
“Nein.”, gab sie wahrheitsgemäß zu, obwohl ihr Schädel gegen eine Ziegelmauer gerammt worden sein musste.
“Hunger?”, verlangte Lucius zu wissen und erntete ein erneutes, klägliches Kopfschütteln. “Willst du an die frische Luft?”
Luft?
Molly pfiff auf ihre schmerzenden Glieder, auf den hämmernden, stakkato nicht unähnlichen, Druck in ihrem Kopf und erhob sich aus dem Bett.
“Frische Luft!”, beinahe sehnsüchtig drangen die Worte aus ihrem Mund.
Tief holte die junge Hexe Atem und genoss die kühle Luft, die in ihre Lunge strömte. Bis in ihren kleinen Zeh drang der Hauch und füllte jede Zelle, die nach Sauerstoff gierte. Dass das kleine Anhängsel hinter ihr her streifte, störte sie wenig. Die üppigen Länderein der Schule waren Raum und Platz genug für zwei.
Saftig und grün.
Duftend und strahlend.
Obschon ein kalter Wind über die Felder wehte und die Sonne bereits langsam hinter dem Schloss versank, fühlte sich die junge Hexe ungeahnt frei.
Kein Gedanke an Ketten, die sie immer noch dazu verdammten, in die Kerker zurückzukehren, erfüllten ihren Geist. Der Drang nach Freiheit war groß und doch musste sie dem entgegentreten, das sie wie ein Gummiband zurückholen würde. Ihr dämmriges Gehirn saugte alles auf und war dankbar für das Licht und all die Farben, die sich vor ihr erstreckten. Und dann, ganz langsam, fast schleichend, erfasste Molly ein merkwürdiges Gefühl. Sie drehte sich zu ihrer lästigen Begleiterscheinung um.
“Du wolltest mir helfen, richtig?”, ungläubig zog sie die Stirn in Falten.
“Helfen? In erster Linie helfe ich mir und meinen Nerven!”, raunte Lucius entschieden, schien jedoch verdutzt, dass sie plötzlich innegehalten und sich zu ihm gewandt hatte.
“Aber du wolltest, dass ich eine Wahl habe!”, drängte sie weiter.
“Du hattest sie, ja. Anders, als es beim Wiesel der Fall war, der dich nicht einmal gefragt hat, ob du als Einsatz parat stehen würdest. Aber er hatte gewusst, dass du abgelehnt hättest, also ist diese Option überflüssig und bedarf keiner weiteren Erklärung.”, langsam trabte er hinter ihr her und steckte seine fröstelnden Hände die Taschen seines Mantels.
“Es lag also an mir?”, hakte sie nach und überdachte die Entscheidung, die sie bereits getroffen hatte. Lucius nickte nur. Mollys Blick streifte umher, ehe sie es ihrem Gegenüber gleich tat, und ihre Finger das warme Futter der Innentaschen ihrer Jacke streiften.
“Kennst du Arthur so gut?”, wollte sie wissen und spielte auf seine eben gewählten Worte an.
“Nein, ich habe eine gute Menschenkenntnis. Du kennst ihn alle mal besser, nehme ich an.”, riet er und erntete ein zögerndes Nicken.
“Ich kenne ihn nicht halb so gut, wie ich dachte.”, Traurigkeit brachte Mollys Stimme ins Wanken.
Warum bei allen Zauberern und Hexen musste Lucius sie immer wieder auf ihr Problem aufmerksam machen?
Stumme Tränen sammelten sich in ihren Augen, doch Molly wusste, dass sie sich nicht Blöße geben und vor Lucius Verwundbarkeit und Schwäche zeigen durfte. Tapfer schluckte sie Kloß und Tränen herunter. Sich lächerlich machen war das Letzte, dass das Mädchen wollte. Zumindest durch ihr eigenes Zutun. Blamiert hatte man sie bereits. Wieder eine Last, die Molly Prewett allein mit sich herumschleppen musste.
“Hast du dich genug ausgetobt, Liebes?”, langsam wandte sich Lucius zum Gehen und steuerte bereits den Pfad zum Schloss an. Molly wusste nicht, weshalb sie plötzlich solch eine seltsame Regung verspürte, doch sie war diesem Bengel dankbar, dass er die Tränenspuren auf ihren Wangen nicht zur Sprache brachte.
Wärme schlug ihr entgegen, als Molly wieder das Quartier betrat. Nach dem kleinen Ausflug an die frische Luft, hatte es der Slytherin vorgezogen, sofort die Große Halle aufzusuchen, um zu Abend zu essen. Abermals nahm sie neben ihm Platz, aß schweigend Schweinebraten und Salzkartoffeln und trank ebenso still den Kürbissaft.
Der Trubel um sie herum ermüdetete sie, statt ihr Freude und Vergnügen zu bereiten. Schlechte Schwingungen schienen aus allen Richtungen nur so auf sie einzuströmen, obwohl Gelächter und Stimmengewirr an ihre Ohren drangen. Der Gedanke, der sich in ihrem Geist festsetzte, nachdem sie wieder das Schlangennest betrat, war einfach, simpel, eindeutig.
“Ich werde die letzten Stunden absitzen!”, sagte sie mit Festigkeit in der Stimme und starrte in die züngelnden Flammen, die an den Holzscheiten leckten und sich an ihnen labten.
Die gehobene Augenbraue seinerseits sah sie nicht. Nur wenige Stunden und Molly wäre wieder bei ihren Freunden, Kameraden und bei... Sie schüttelte den Kopf.
Vergeben und vergessen? Welch überflüssige Phrase!
“Du grübelst wieder, hm Liebes?”, wieder riss sie seine Stimme aus ihren trüben Gedanken. “Erinnerst du dich? Falten!”
Molly murmelte etwas, doch der junge Mann hatte mühe, sie zu verstehen. Lucius hakte nicht nach. Auch ihm war nicht nach einer erneuten, verbalen Auseinandersetzung. Sollte das Mädchen doch aus Gram und Kummer jemand anderem auf die Nerven gehen. Doch zu seinem Leidwesen fand sich niemand. Nur er war hier. Kurz zog er in Erwägung, sie allein hier, in seinem Zimmer, zurück zulassen. Er wollte sich unter seinesgleichen mischen. Butterbier und-oder Feuerwhiskey seine Kehle herunter spülen.
“Du musst deine Zeit nicht mit mir verbringen.”, nun war es ihre Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss.
“Doch, muss ich.”, sagte Lucius knapp, ohne auf ihr Angebot einzugehen.
“Nein!”, beharrte Molly und kehrte dem Kamin den Rücken.
“Doch, schon vergessen? Du gegen den Hauspokal!”, erinnerte er sie und bemerkte sehr wohl den Stich, den er ihr versetzte.
“Tzzz.”, schnappte Molly bissig und warf ihm einen wütenden und anklagenden Blick zu.
“Ich nehme nur Rücksicht.”, mit erhobenen Händen unterstrich der junge Zauberer seine Erklärung.
“Rücksicht?”, knapp spie sie den Spott aus und kam nicht umhin, ihn prüfend anzusehen.
“Ja, was bringt es dir, wenn ich mich mit meinen Leuten unterhalte, während der Feind genau neben mir steht?”, entgegnete Lucius mit einem sarkastischen Lächeln.
“Der Feind?”, er konnte mehr Belustigung als Schock in ihrem Gesicht lesen.
“Ja, der Feind. Das bist du, wenn du es nicht bemerkt haben solltest.”, Lucius bedachte das Mädchen mit einem erhabenen Blick.
“Ich bin also Segen und Fluch zugleich, ja Malfoy?”, provozierte Molly und versuchte sich ebenso an einer erhabenen Geste. Lucius schwieg, verdrehte die Augen und blickte dann lange zur Zimmerdecke hinauf.
“Ich bin Segen, weil du Gryffindor einen gehörigen Schlag verpasst hattest. Du hast uns erniedrigt und gedemütigt und doch bleibt meine Assoziation in diesem Spiel die, des stetigen Gewitters. Ich bin der Fluch, weil du dich hier zusammenreißen willst, obwohl du es nicht brauchst. Du willst nicht, dass man euch durchschaut oder irgendwelchen Gesprächen beiwohnt.”, Röte war der jungen Frau in die Wangen geschossen, als sie sich in ihren Worten verrannte.
“Lächerlich!”, knurrte Lucius, doch noch immer galt sein Interesse der Zimmerdecke. “Du willst also ein Gefühl von Gemeinschaft, ja? Gut, dann komm mit!”
Sein Augenmerk richtete sich nun auf Molly, die die Zähne zusammen biss.
“Du legst es drauf an, ja?”, wollte er wissen und erntete ein bejahendes Nicken. Lucius schritt an ihr vorbei, öffnete die Tür und machte eine Dienerbewegung.
“Kein Wetttrinken!”, mahnte er, als sich das Mädchen im Gemeinschaftsraum der Schlangen umsah.
Die dunklen Wellen des Schwarzen Sees, die sich in den Fenstern brachen und der Schein der diversen Kugellampen tauchten den Raum in diffuses, schummeriges Licht. Ledernes Mobiliar sorgte für düstere, beherrschte Stimmung. Noch befanden sich wenige Schlangen in ihrem schützenden Nest, doch Molly ahnte bereits, dass es in wenigen Stunden anders aussehen würde.
Das Knacken von Schlössern und das Rasseln von Ketten zogen Mollys Aufmerksamkeit auf sich. Nun, da sie bereits einige Male durch das Portal zum Gemeinschaftsraum gegangen war, meinte sie sich an die Geräusche gewöhnt zu haben, doch sie irrte sich.
Noch immer erschrak sie sich und auch der Hausgeist der Schlangen schwebte argwöhnisch und bitter dreinblickend an ihr vorüber, wenn sie ihm begegnete. Dem Mädchen lag wenig an einer nähren Bekanntschaft mit dem Blutigen Baron und dieser schien es ihr gleichzutun. Anders, als der “fast kopflose Nick”, der stets freundlich in Erscheinung trat, schien der Baron viel Gefallen an Schrecken und Grausamkeit zu finden. Dankbarkeit erfasste sie, als Molly feststellte, dass sich der Geist nur selten im Gemeinschaftsraum aufhielt.
Schlösser und Ketten schoben sich also auseinander und jemand kam japsend, mit dem Rücken zu ihnen, in den Raum gestolpert. Molly kannte den Jungen, der ein großes Fass auf den Armen trug. Keuchend kam Noah Levinius Adams vor ihr zum Stehen und beäugte sie kritisch.
“Prewett.”, meinte der hochgewachsene, braunhaarige Junge mit einem Nicken.
“Brauchst du Hilfe?”, wollte Molly wissen und zog fragend die Augenbrauen zusammen, doch Noah schüttelte den Kopf.
“Nee, ich bin heut´ dran!”, erwiderte er und stellte das Fass Butterbier vor seinen Füßen ab.
Ebenso wie Lucius, überragte Noah das Mädchen um einige Köpfe, doch auch die muskulösen Arme des eher hager wirkenden Jungen, ließen auf eine stattliche Erscheinung schließen. Als Quidditch-Kapitän der Slytherins und deren erster und bester Jäger war es nicht verwunderlich, dass Mollys Freundin Sarah für den gleichaltrigen Jungen schwärmte.
“Womit “dran”?”, wollte das Mädchen wissen und zog die Stirn in Falten.
“Einen ausgeben. Kannst gern dabei sein.”, bot Noah in saloppem Ton und nickte Lucius zu, der jedoch nur mit den Schultern zuckte. “Und, wie gefällt es dir bei uns?”
Nun war es Molly, die mit den schmalen Schultern zuckte. Nicht, dass es die junge Frau auf ein Gespräch anlegte, doch war sie erleichtert, sich nicht ständig mit nur einer Person unterhalten zu müssen. Neben Miles, war ihr Noah ebenso sympathisch und sie war Gesprächen über Saufgelage und Quidditch nicht im Geringsten abgeneigt. Nach und nach füllte sich der Gemeinschaftsraum, doch war Stimmung etwas verkrampft.
Nannten die Slytherins so etwas etwa Party? Molly war ganz andere Dimensionen gewohnt.
Alkoholleichen, Bierpfützen und andere Lachen gehörten zum Standardrepertoire einer Gryffindor-Party. Nun, auch hier flossen Butterbier, Feuerwhiskey und andere Getränke in Strömen und doch fehlte dieses gewisse Etwas.
Was blieb dem Mädchen also anderes übrig, als den, ihr vorher madig gemachten Gesprächen über Lehrern, Schülern und Muggeln zu lauschen, die sich den Unmut der Schlangen zugezogen hatten. Diese internen Lästereien waren eher ermüdend, statt erheiternd. Murrend warf Molly einen Blick auf ihre Armbanduhr. Lucius neben ihr erhob sich plötzlich von der Couch und verschwand.
“Narrrzisssssaaa!”, lallte Miles, ließ sich neben ihr auf Sofa sinken und brachte dieses so zum Knirschen.
“Klingt ja nicht sehr erfreulich.”, bestätigte Molly und erntete ein angestrengtes Nicken. Sie gönnte sich einen tiefen Schluck aus ihrem Bierkrug und ließ den Blick schweifen. Alles, was jünger war als vierzehn Jahre, hatte eine Aufenthaltsberechtigung bis zehn Uhr. Das Mädchen kam sich vor, wie auf einem Kindergeburtstag.
“Schießt du dich wieder ab?”, Noah nahm an ihrer anderen Seite Platz und beobachtete das Mädchen unter bohrendem Blick. Molly schüttelte grinsend den Kopf.
“Wenn, dann hättet ihr es zumindest nicht all zu weit. Danke noch mal.”, meinte sie und zwang sich zu einem Lächeln.
“Wofür?”, wollte Noah wissen und griff nach dem Glas Feuerwhiskey, das vor ihm auf dem Tisch stand. Er kippte den bernsteinernen Branntwein in einem Zug herunter, schüttelte sich kurz und gab einen räuspernden Laut von sich. Molly warf ihm einen fragenden Blick zu.
“Kein Ding.”, knurrte Noah und grub seinen Rücken wieder in die Couch. “Dir ist langweilig, hm?”
“Nein.”, log sie und rügte sich für diese hastige Reaktion. “Ist das bei euch immer so?”
“Jedes Wochenende.”, bestätigte ihr Noah und grinste. “Da sind diese “anderen” Veranstaltung echt ein Segen!”
Seine lockere Aussage empfand die junge Frau als weniger erbaulich und auch die gemurmelte Entschuldigung konnte nicht über Noahs Worte hinwegtäuschen.
“Geht das bei denen immer so zu?”, wollte Molly wissen, als sie Lucius und Narzissa entdeckt hatte. Sie überging die dumme Aussage des Jungen und richtete den Fokus auf das Paar, das sich nicht einmal bemühte, seine Streitigkeiten zu verbergen. Narzissa unterstrich ihre Wut mit ausschweifender Gestik, warf dem Mädchen gezielt böse Blicke zu und blockte alle Versuche Lucius´ ab, ihr die Situation zu erklären. Molly holte zischend Luft und erntete einen giggelnden Laut.
“Keine Panik, Prewett. Das ist noch harmlos. Sie wird drei Wochen nicht mit ihm reden und er wird sich so lange mit anderen Dingen beschäftigen, bis sie es für nötig erachtet, ihn wieder haben zu wollen.”, erklärte Noah und folgte ihrem Blick. “Merlin sei Dank bleiben einige von uns von so etwas verschont!”
Molly fragte nicht nach, ihr war nicht nach weiteren Einzelheiten zu Mute. Mit einem dankbaren Nicken nahm sie den Feuerwhiskey entgegen und trank.