Shape of my heart
Die Form meines Herzens.
Teil 3 – Kapitel 2
Frisch gesäubert, wenngleich auch nicht putzmunter, schlich Molly zurück in Lucius' Räumlichkeiten. Noch immer lag der Eisprinz in den Federn, doch Molly scherte sich nicht um seinen Zustand, egal, wie positiv oder negativ dieser sein mochte.
“Hey, aufstehen!”, bellte sie und blickte auf das Knäuel herunter.
Als keine Regung zu erkennen war, zog sie kurzerhand an den Enden der Bettdecke und enttarnte so den Versuch des Jungen, sich noch immer schlafend zu stellen.
“Muss ich jetzt selbst auf der Toilette um mein Leben fürchten?”, knurrte Molly und bedachte Lucius mit prüfendem Blick.
“Wieso? Hat man Stinkbomben nach dir geworfen?”, wollte Lucius eher belustigt grinsend wissen.
“Deine Herzallerliebste, samt Gefolge, hat ja genauso viel zu sagen, wie du und das kotzt mich an!”, mit den Händen in den Hüften vermied es Molly jedoch, den Jungen anzusehen. Stattdessen galt ihr Interesse den Tapeten an der gegenüberliegenden Wand.
“Eifersüchtig, Liebes?”, hakte Lucius nach und klang beinahe gelangweilt und ruhig, statt amüsiert.
“Nicht mal in deinen kleinen, feuchten Träumen, Malfoy. Eure Borniertheit ist unerträglich, genauso wie die herablassende Art und die Arroganz. Mich schüttelt es vor Ekel!”, Töne des gespielten Erbrechens brachen aus dem Mund der Gryffindor hervor.
“Oh Liebes, du wiederholst dich und so, wie du dir eben Luft gemacht hast, ist das Ende ja bald abzusehen.”, wieder diese Ruhe in der Stimme, die das junge Fräulein ein ums andere Mal auf die Palme brachte.
Molly löste sich aus ihrer Haltung und griff sich japsend an die Stirn. Sie schloss die Augen und massierte mit beiden Handballen ihre erneut pochenden Schläfen. Noch immer lagen die kugelförmigen Tabletten in dem Röhrchen, denn Molly war sich bewusst, dass diese nur in Verbindung mit Nahrung einzunehmen waren.
“Könnten wir jetzt bitte etwas essen? Mein Schädel zerplatzt.”, sie wollte nicht jämmerlich oder weinerlich klingen und doch schwangen Müdigkeit und eine Spur von Schwäche in ihren Worten mit.
“Bevor du mein Zimmer versaust”, in gedehntem Ton entkamen die Worte seinem Mund, bevor sich Lucius von Neuem erhob, “drehst du dich bitte um, ich bin schüchtern!”
“Malfoy, ich habe keinen Nerv für dein kindisches Verhalten. Könntest du dich bitte einfach nur beeilen?”, die gequält hervorgebrachte Bitte ihrerseits schien Wirkung zu zeigen.
“Wehe du guckst!”, stichelte Lucius grinsend und schien es wahrlich zu genießen, dass sich Molly in einer bittenden und bettelnden Position befand.
“Du verdammter, gönnerhafter Wurm!”, knurrte die Hexe und warf ihm einen bösen und drohenden Blick zu.
Mit einem süffisant klingenden Seufzen und einem gleichmütigen Ausdruck auf dem Gesicht, griff Lucius nach dem Saum des weißen Unterhemdes und zog sich selbiges über das verstrubbelte Haupt. Molly schnalzte missbilligend mit der Zunge, verdrehte die Augen und konnte doch nicht dem Drang widerstehen, einen flüchtigen Blick zu riskieren, ehe sie sich von dem Jungen abwandte.
Nun, im Vergleich zu Arthur, der Molly, ebenso wie Lucius, um ein paar Zentimeter überragte, war der blonde Slytherin jedoch nicht so plump gebaut, wie es ihr Verlobter war. Im Gegensatz zu dem Löwen schien an Lucius´ hagerer, wenngleich auch etwas mager aussehender Gestalt kein Gramm Fett zu sein. Arme und Beine waren lang und bleich und weniger muskulös, als Molly angenommen hatte, auch die Brust war eher schmal statt breit und doch würde der Ausbund an Boshaftigkeit in ein paar Jahren gewiss noch mehr Blicke auf sich ziehen, als er zu dieser Zeit bereits tat.
Es ärgerte sie, dass dieser Junge so viel Selbstbewusstsein zur Schau trug und es so sehr zu genießen schien, dass man ihn anhimmelte. Wieder etwas, das er mit einer Verlobten gemein hatte. Ein riesiges Ego und übermäßiges Selbstbewusstsein. Doch was waren schon Ego und Selbstbewusstsein, wenn man innerlich verarmt, verhärmt, kalt und traurig war? In diesem Punkt war sie ihm und seiner Geliebten weit voraus. Ihr Feuer loderte und brannte, wärmte und schenkte Geborgenheit und Liebe. Gab Zuversicht und Vertrauen und würde für ihre Lieben jedes Hindernis überwinden.
“Ich hab gesagt du sollst nicht gucken!”, endlich hatte er es geschafft, sich etwas über den bleichen, dünnen Körper zu ziehen.
“Ich habe nicht geguckt. Es gab ja nichts!”, schoss sie unwillkürlich zurück und marschierte noch vor ihm aus dem Zimmer.
“Die hast du vergessen. Warst wohl doch etwas zu sehr abgelenkt, als du zugeben würdest!”, höhnte Lucius, als sich Molly neben ihn auf der Sitzbank platzierte, um zu Mittag zu essen und er ihr die schmerzlindernden Kügelchen zuschob.
“Ich war in Gedanken und es hatte, jetzt bist du sicherlich enttäuscht, absolut nichts mit dir zu tun!”, gab sie gelassen zurück, nahm jedoch mit einem gemurmelten Dank die Tabletten entgegen.
Auch wenn sie in diesem Moment das leichte, warme Gefühl verriet, das sich unmittelbar auf ihre Wangen stahl, würde sie ihm nie und nimmer diese Genugtuung geben und ihm zugestehen, dass er eine gewisse Wirkung auf sie ausübte.
Ihr Blick glitt von ihm ab und heftete sich auf die Fülle an Köstlichkeiten, die augenblicklich vor ihnen erschienen. Endlich konnte sie essen, wonach ihr der Sinn stand. Endlich hatte sie die Möglichkeit, diese lästigen, hämmernden Schmerzen aus ihrem Kopf zu vertreiben. Endlich war sie diesem Loch, dieser Schlangengrube, entkommen und endlich sah sie andere Gesichter, als stets und ständig in ein und dasselbe Antlitz starren zu müssen.
Molly griff beherzt nach Kartoffelpüree, Sauce und Braten. Verschlang gierig bereits die zweite Portion und gönnte sich, zur Feier des Tages und dem baldigen Ende ihrer Pein, einen Yorkshire-Pudding. Während sie vorzüglich und ohne Reue speiste, war es Lucius, der eher argwöhnisch ihrem Treiben zusah und nur mäßig mit seiner Gabel auf dem fast leeren Teller herum kratzte.
“Hunger, hm?”, fragte er, blickte jedoch weiterhin auf das Porzellan.
“Im Gegensatz zu dir. Hast wohl gestern über Strenge geschlagen.”, stellte Molly sachlich fest, als sie sich einen flüchtigen Blick auf seinen Teller gönnte. “Ist dir schlecht?”
Doch statt einer Antwort, entkam ihm nur ein spöttisches Schnauben. “So, wie du reinhaust, würde es mich nicht wundern, wenn man dich eines Tages durch die Gegend rollen kann.”
“Arschloch. Unsensibles Arschloch!”, fauchte Molly, blieb jedoch gefasst und löffelte den Rest ihres Puddings, ehe sie nach dem Röhrchen griff und mit fest zusammengekniffenen Augen eines der Kügelchen herunter würgte.
“Geht es dir jetzt besser?”, etwas in seiner Stimme verriet ihr, dass diese so beiläufig klingende Frage nicht halb so herzlos gemeint war, wie er ihr weismachen wollte.
Molly zog es vor, darauf nicht zu antworten. Seine Beleidigung saß trotz allem noch tief, auch wenn sie es so hatte aussehen lassen, als hätten sie seine Worte nicht getroffen. Ein “Was kümmert es dich”, schwirrte durch ihren Kopf, doch die junge Gryffindor hielt die Lippen versiegelt.
Es war kurz vor zwei Uhr Nachtmittags, als Molly hinter der Schlange her trabte.
“Darf ich meine Bücher holen?”, wollte sie wissen, als beide nur wenige Meter von der großen Treppe entfernt standen. “Ich muss noch einen Aufsatz schreiben.”
Eher müde als heiter richtete sie ihr Anliegen an ihn und Lucius tat es mit einem Schulterzucken ab.
Noch vor wenigen Stunden hatte er ihr untersagt, in ihren Turm zurückzukehren und nun schien ihm ihr Vorhaben nicht mehr von Belangen. Nun war es Lucius, der dem Mädchen folgte. Was auch immer ihn beschäftigte, es war Molly nicht geheuer. Oder war dies nur wieder eine seiner Launen? Schon oft hatte der junge Malfoy für Aufsehen gesorgt, wenn er plötzlich und aus heiterem Himmel seine Mitschüler mied oder ihnen Unfähigkeit vorwarf. Ähnlich einem König, deren Gunst man wohl nie erlangen würde. Doch Molly gierte gar nicht nach seiner Gunst, geschweige denn nach seiner Anerkennung und huldigen würde sie ihm erst recht nicht.
“Was ist los? Kein Gemütsumbruch? Willst du mir nicht verbieten, in den Gryffindor-Turm zugehen und womöglich mit Arthur zu reden, wenn ich auf ihn treffe?”, Molly verlangte eine Antwort, doch eher für sich selbst, um den Jungen zu enttarnen.
“Weißt du Liebes, momentan ist es mir einerlei, ob du mit dem Wiesel sprichst, oder nicht.”, klar und deutlich, wenngleich auch etwas mühselig und zäh spie Lucius die Worte aus.
“Du resignierst? Was ist los? Hat sich Narzissa entlobt oder warum bist du heute gar nicht so angriffslustig und gebieterisch?”, Molly hielt auf dem Treppenabsatz in ihren Bewegungen inne und blickte gleichgültig zu ihm herunter. Mit erhabenem Blick und einem flüchtigen Wink mit der rechten Hand in ihre Richtung, scheuchte er das Mädchen ohne eine Antwort die letzten Stufen hinauf.
Mit einem erleichterten Seufzen schlug Molly das Buch zu und rieb sich die Schläfen. Nachdem sie der Aufforderung Lucius´ nachkam, durch das Portrait der fetten Dame stieg und die Stufen zu ihrem Schlafsaal empor hastete, ignorierte sie Arthur und die Bemerkungen, die hinter ihr fielen. Ganz so, wie es ihr Herz anwies, stießen die Entschuldigungen des jungen Gryffindor auf taube Ohren. Sie wollte es nicht hören. Sie konnte die Ausflüchte und Bekundungen seinerseits nicht mehr ertragen und hätte beinahe vor Wut und Gram ihr Mittagessen vor Arthurs Füßen erbrochen. Noch immer rumorte es in ihrem Inneren, als sie in einem Schrank nach ihren Büchern kramte. Sobald sie aus der Tür trat und die Stufen der Wendeltreppe hinunter stieg, erwartete Arthur sie erneut. Ein mitleidiger Seufzer entkam ihren Lippen, ehe sie ihm kopfschüttelnd zu verstehen gab, dass ihr sein Betragen mehr zusetzte, als half.
Lucius wartete bereits vor dem Portrait, das ihm mit Skepsis im Blick entgegenstierte. Ohne ein Wort, ohne einen Laut von sich zu geben, folgte er ihr in Richtung Bibliothek. Er ließ sie ihren Aufsatz schreiben und strich selbst das eine ums andere Mal durch die Gänge und fischte hier und da nach einem Buch.
Während Molly ihre schmerzende Hand schüttelte und erneut die Federspitze ins Tintenfass tauchte, schien sie so in ihre Arbeit vertieft, dass sie seinen Blick gar nicht zu registrieren schien.
“Bewundernswert”, ohne von seinem Buch aufzusehen, hatte Lucius diese Bemerkung fallen lassen und Molly nahm an, dass er etwas in dem Buch stehende gemeint haben musste. “Wirklich faszinierend.”
Das Kratzen der Feder erstarb augenblicklich, als Molly von dem Pergament aufsah. Für einen flüchtigen Augenblick erstarrte sie, denn Lucius hatte den Wälzer zugeklappt. Seine Ellenbogen waren auf den Tisch gestützt und sein Kopf ruhte auf den zusammengefalteten Händen. Doch das, was sie so verwirrte, war der Blick, den er ihr zuwarf. Die Atmung war ruhig, die Gesichtszüge ebenmäßig, beinahe wie in Stein gemeißelt. Seine grauen Augen waren starr auf sie gerichtet, schienen sich kaum zu regen und folgten, wie der Blick einer Schlange, jeder ihrer Bewegungen.
“Wirklich erstaunlich.”, bemerkte Lucius erneut und erntete einen vorsichtig dreinschauenden Blick.
“Wie lange sitzt du schon so da? Und was ist erstaunlich?”, verlangte Molly zu wissen und zog fragend die Augenbrauen zusammen.
“Du hast bewundernswert und faszinierend vergessen!”, scholt er sie, doch das Grinsen in seinen Worten folgte weder eine Regung in, noch auf seinem Gesicht.
Als sie nichts erwiderte, hoben sich seine Lippen zu einem flüchtigen Lächeln. “Du, du bist bewundernswert.”
“Was soll das, Malfoy? Willst du mich anbaggern?”, Misstrauen schwang in ihrer Stimme mit.
“Mit Nichten, Liebes. Nur, bevor du falsche Schlüsse ziehst, ich finde nicht dich bewundernswert, erstaunlich oder faszinierend, nun, nicht direkt. Eher die Art und Weise wie man so sehr in einen Aufsatz versinken kann. Ich kenne nicht viele Menschen, die sich so in ein Thema verbeißen können.”, erklärte Lucius gelassen, doch in seinem Gesicht vermochte sie nicht einen Hauch von Spott oder Hohn zuerkennen.
“Und was lässt dich zu der Annahme kommen, ich könnte so etwas?”, hakte Molly nach, denn noch immer traute sie dem Gehörten nicht.
“Das, Liebes, hat mir dein Eifer verraten, deine Mimik und Gestik und die Laute, die von dir gabst, wenn du, wie ich annehme, wütend warst, weil du dich verschrieben hast oder weil ein Tintenklecks deine Schrift verunreinigt hat.”, gab er zu und intensivierte seinen Blick.
“Du muss es wirklich nicht gut gehen, wenn du so etwas sagst. Sollte das ein Kompliment werden, Malfoy?”, nun war Molly es, die einen spottenden Ton nicht verbergen konnte.
Plötzlich regte sich etwas in seinem starren Blick. Ein Funke schien durch ihn durchzugehen. Das, was bis eben noch gefasst und gefestigt war, schien nun haltlos, vage und nie da gewesen. Etwas in ihr schnürte sich zusammen und Molly konnte den Ursprung dessen nicht bestimmen. Lucius sah gekränkt aus, verletzt und hilflos. Ein Triumph, den Molly in diesem Augenblick nicht auskosten konnte. So sehr sie es auch wollte, danach gierte, es gelang ihr nicht. Ob seine Worte nun der Wahrheit entsprachen oder nicht, doch mit ihrer Reaktion schien sie das letzte Fünkchen an Frieden für immer im Keim erstickt zu haben.