Hell und freundlich leuchtete die Sonne vom morgendlichen Himmel. Genüsslich streckte sich Naruto den Strahlen entgegen, die sich still und leise durch die Vorhänge seines kleines Zimmers schlichen, und begrüßte jenen Tag mit ausgiebigem Gähnen. Der Blick zum Wecker verriet ihm, dass er vielleicht noch ein paar Minuten länger im Reich der Träume hätte verweilen können, doch hatte ihn ein Drang aus den Federn getrieben. Nicht jenes Verlangen nach der Morgentoilette war es, das ihn dazu anhielt, schnell aus dem Bett zu steigen. Ein Versprechen mahnte ihn, sich zu beeilen. Und so machte er sich daran, schnell und flink die tägliche Routine hinter sich zubringen, um rechtzeitig aus dem Haus zu kommen.
»Sind die etwa für Hinata?«
Naruto fuhr zusammen, als er eine vertraute Stimme hinter sich ausmachte. Ino, natürlich, grollte er im Stillen. Ihm hätte klar sein müssen, dass das Mädchen, deren Eltern Besitzer eines Blumenladens waren, mit der Betreuung der Kunden vertraut war.
»Guten Morgen, Ino«, knurrte er leise und hoffte, dass die Blondine von ihm abließ. Doch die junge Frau dachte nicht daran, ihm den Gefallen zu tun.
»Guten Morgen«, gab sie mit einem breiten Lächeln zurück und stützte ihre Ellenbogen neben der Kasse auf den Tisch und betrachtete ihn mit unverhohlener Neugierde. »Sei nicht so schüchtern, Naruto. Ich weiß doch, dass du nach Blumen für Hinata suchst.«
Bin ich etwa so leicht zu durchschauen? Naruto scholt sich für jenen Gedanken. Natürlich, es war der 14. Februar, Valentinstag und wohl jeder Mann wäre ein Narr, seiner Angebeteten an diesem Tage keine Freude zu machen. »Na ja ...« Das flüchtige Kratzen am Hinterkopf war für die Floristin Bestätigung genug.
»Ah ...«, ließ Ino provozierend verklingen, »mach dir da mal keine Sorgen. Sasuke war heute Morgen auch schon da und hatte dringend weibliche Hilfe nötig.« Das verräterische Zwinkern tat nicht zum sicheren Gefühl Narutos bei. Vielmehr war es Ino gelungen, mit dem Ausspruch von Sasukes Namen, sein Rivalitätsgefühl von Neuem aufkeimen zulassen.
»Und ...«, hob er an, »welche hast du ihm empfohlen?«
»Nun ...«, überlegte Ino laut, »Rosen, selbstverständlich. Was für eine dumme Frage. Aber von dir habe ich nichts anderes erwartet.«
Das einstige Lächeln auf ihren Lippen verbog sich zu einem teuflischen Grinsen. Das Mädchen war schlau und wusste, wie man sein Gegenüber reizen konnte. Dies hatte Sakura, Teamkameradin und gute Freundin seinerseits, stets zu Genüge am eigenen Leib erfahren.
»Ich will die da«, sagte Naruto und deutete auf orange und gelb leuchtende Gerbera. »Und eine davon.«
Ino folgte seinem Fingerzeig und verzog das Gesicht. »Eine Sonnenblume?«
Die Schultern zuckend kam die junge Frau hinter der Ladentheke hervor, zupfte die gewählten Blumen aus den Kübeln und schlenderte gemächlich zum Tresen zurück.
»Dann viel Vergnügen«, hatte Ino süßlich flötend gemeint und sich wieder ihrer Zeitschrift zugewandt, in der sie offenbar gelesen hatte. Noch immer klangen ihre Worte in seinen Ohren nach. Ein Schauer überlief ihn, ehe er sich an den Strauß in seinen Händen klammerte.
»Hoffentlich gefallen sie ihr«, murmelte Naruto leise vor sich hin. Seine Schritte lenkten ihn durch verschlungene Gassen, denn ihm war nicht danach, noch einem bekannten Gesicht in die Arme zulaufen. Ino hatte er wohl oder übel über sich ergehen lassen müssen, da dies das einzige Geschäft in der Nähe war, welches Pflanzen und anderes Grünzeug führte. Ein ergebener Seufzer entwich seiner Kehle und Naruto versuchte, der Anspannung, die ihn seit dem Morgen in ihren kalten Klauen hatte, Herr zu werden. Nervös schluckte er an jenem Kloß in seinem Hals. Die Aufregung ließ seine Handflächen ganz verschwitzt und rutschig werden.
Selten, so schien es, war er mit Hinata allein. Und meist war sie es, die schüchtern und still neben ihm verharrte und nicht ein Ton von ihren Lippen kam. Doch nun ...
Sein Weg führte ihn in einen kleinen Park. Er ließ den Blick schweifen und erkannte die ersten Schneeglöckchen, die sich ihren Weg ins Freie erkämpften und ihre weißen, haubenartigen Köpfe aus dem Erdreich streckten. Rosafarbene Kirschblüten wirbelten umher, sobald der Wind über die Wiese fegte. Ein Schauspiel, das ihm gefiel, denn nichts glich eher einem Gefühl von Frieden, als jene Momente.
Wieder suchten seine Augen die Umgebung ab und endlich entdeckte er sie. Sie saß im Gras, oder hockte eher, mit ihm zugewandtem Rücken, und schien ihn gar nicht zu bemerken. Langsam trat er auf sie zu.
»Hinata?« Beim Klang ihres Namens drehte sie sich zu ihm um.
Ihr Gesicht, zu Beginn von Vorsicht gezeichnet, zierte nur einen Wimpernschlag später ein bezauberndes, freundliches Lächeln. »Naruto«, entfloh es ihr atemlos, doch dann erhob sie sich und klopfte sich den Staub von den Kleidern. »Bitte entschuldige, aber ...«
»Ach was«, entkam es ihm leichthin. »Was tust du da?«
Hinata folgte seinem Blick. Offenbar hatte er den kleinen Spaten erspäht, sowie die Blumenzwiebeln, die in einem Kästchen lagen, dessen Deckel zur Seite gerutscht war.
»Ich pflanze Blumen«, erklärte sie zögernd.
»Aber ...«, begann Naruto nachdenklich, »sind hier nicht bereits genug Blumen?«
»Doch, schon, aber ...« Hinate holte tief Luft. »Viele werden einfach niedergetrampelt oder haben gar nicht erst die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Früher gab es diesen Park noch nicht. Er wurde erst vor ein paar Jahren hier angelegt und ich helfe, ihn mit frischen, jungen Trieben zu bestücken.«
»Das wusste ich gar nicht«, meinte Naruto, als er glaubte, das Mädchen habe ihrer Aussage nichts mehr hinzuzufügen. Ein knappes Nicken unterstrich ihre Worte.
»Siehst du den Fluss da drüben?«, fragte sie und deutete in ein paar Meter Entfernung auf das Nass, welches durch die Sonne zu glitzern schien, wie tausend Diamanten. »Als man diese Anlage plante, gab es nur ein winziges Bächlein, kaum auszumachen. Und nun ist daraus sogar ein kleiner Fluss geworden, der sich seinen Weg durch die Natur bahnen kann.«
»Das klingt toll, Hinata«, die offene Begeisterung in seiner Stimme ließ noch mehr strahlen. »Und das alles Dank deiner Hilfe.«
»O nein«, gab die junge Frau hastig zurück und hob die Hände, »nein, das war ich nicht allein. Viele Bewohner haben sich für den Aufbau eingesetzt und ich kümmere mich nur um den Erhalt. Einige Familien kommen fast täglich hierher.«
Nicht weit entfernt konnte Naruto Kinder sehen, die Fangen oder Ball spielten. Helles Lachen wehte zu ihnen herüber, während er das Mädchen neben sich betrachten konnte, deren Aufmerksamkeit den kleinen Strolchen galt.
»Ich habe etwas für dich«, platzte es aus ihm heraus und er hielt ihr das Bündel entgegen.
»Oh«, entfloh es Hinata nicht minder überrascht. Zu seinem Glück schien sie seine Absicht nicht bemerkt zu haben, auch waren ihr wohl die Blumen entgangen, die er sorgsam mit sich geführt hatte. »Naruto, ich ...«
Blut schoss ihr in die blassen Wangen und verliehen diesen einen roséfarbenen Schimmer. Wieder war es ihm gelungen, sie aus der Fassung zubringen. Verlegen kratzte er sich am blonden Schopf und wirkte ebenso verlegen, wie Hinata es war.
Es fiel ihm ungewohnt schwer, Worte zu finden. Diese kleine Geste hatte ihn Mut und Überwindung gekostet. Zu seiner Erleichterung nahm Hinata den kleinen Strauß entgegen.
»Ich wusste nicht ...«, setzte er an, doch das Mädchen schüttelte vehement den Kopf.
»Nein«, widersprach sie, »nein. Sie sind wunderschön. Oh, und eine Sonnenblume. Woher wusstest du das, Naruto?«
»Wusste ich was?«, fragend schoben sich seine hellen Augenbrauen zusammen.
»Dass Sonnenblumen meine Lieblingsblumen sind.« Hinata schien mit den leuchtenden Blüten um die Wette zu strahlen. Ein bezauberndes Funkeln trat in ihre Augen und jenes Glitzern hielt an, als sie sich auf eine Parkbank in der Nähe niederließen. Bereitwillig teilte Hinata ihr Mittagessen mit ihm, während es Naruto verstand, ihr die Schüchternheit ein klein wenig zu nehmen.