Ein Blitz taucht die weite Ebene in ein unheimliches Licht. Und alles ist wieder dunkel. Das Rauschen des Regens, kann sein Stöhnen nicht übertönen.
Der Donner zerreißt die Luft, wie ein Raubtier seine Beute.
»Da!«, eine Hand deutet in die Dunkelheit.
»Viel länger hätte ich auch nicht durchgehalten«, knurrt sein Begleiter.
Vorsichtig pirschen sie sich näher heran. Doch dies ist gar nicht notwendig, denn der Regen schluckt alle Geräusche und die Nacht verbirgt die beiden von fremden Blicken.
Doch nicht für immer. Ein Blitz offenbart ihre Silhouetten.
»Vorsicht! Dort!...«, eine aufgeregte Stimme dringt durch den Regen.
Jedoch wird sie vom Lachen des Donners unterbrochen.
Ein Knallen ertönt. Ein Schrei folgt. Ein weiterer Knall. Stille. Dann noch ein Knall. Er zuckt zusammen. Stille. Ein Blitz lässt den Regen rot aufleuchten.
Doch der Donner bleibt aus.
Er liegt auf dem Gras. Die andere Person ist über ihn gebeugt. Selbst der Regen hält den Atem an.
»Wieso haben sie dich getroffen?«, seine Tränen mischen sich mit dem Regen und dem Blut seines Kameraden.
Er hustet, dabei spuckt er Blut.
Mit keuchender Stimme fängt er an zu sprechen: »Ich bin schon alt, mein Sohn. Ich habe vieles erlebt. Ich kenne noch die Welt, in der es Politik gab. Das alles ist hier drin«, er versucht seine Hand zu heben, doch er ist zu schwach.
»Nicht bewegen! Bitte sprich weiter«, befiehlt sein Sohn und drückt ihn wieder zurück auf die matschige Wiese.
»Jedenfalls haben wir uns damals immer über die Welt aufgeregt. Wie immer alle meinten, dass die Welt so schlimm ist. Wie sie sich über einen Affen als amerikanischen Präsident aufregten«
Ein Donner unterbricht ihn.
»Es war kein wirklicher Affe, wir nannten ihn nur manchmal so«
Er spuckt Blut aus.
»In unserer Gegend gab es lange Zeit eine Frau an der Macht. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was bei ihrem ersten Wahlsieg für ein Raunen durch unser damaliges Land und sogar die anderen Länder ging. Damals waren Frauen in Führungspositionen noch ungewöhnlich, die Emanzipation war zwar schon einige Zeit lang Thema, jedoch waren viele doch nicht so emanzipiert, wie es immer hieß. Nicht so wie heute, wo Frauen genauso um ihr Leben kämpfen müssen wie wir Männer«, er stöhnt auf, spricht aber weiter.
»Doch es war trotzdem besser. Wir waren nie zufrieden und grundsätzlich gegen die Partei, die gerade an der Macht war. Alle waren am Meckern, doch besser machen wollte oder konnte es keiner. Es kam zu Aufständen. Blutige Aufstände. Die Politiker wurden getötet. Die Welt zerbrach. Es war früher nicht perfekt, aber es hat funktioniert. Es gab sogar das Internet. Doch seitdem sich keiner mehr darum kümmert...all das habe ich miterlebt. Man konnte Leben, musste nicht Tag für Tag um sein Leben kämpfen. Ich war auch damals nicht zufrieden, aber es war besser.
Es gab genug Essen für alle; damals hätte ich mit meinem Alter noch ein langes Leben vor mir gehabt. Doch ich bin auch froh, nicht mehr jeden Tag leiden zu müssen. Wenn du es kannst, versuch die alte Welt wieder her zu stellen. Denn sie war nicht perfekt, aber in Ordnung. Du kennst es vielleicht nicht anders, aber ich kann mich daran noch gut erinnern. Bitte erfülle mir diesen Wunsch und versucht dein bestes. Viel Glück und lebe Wohl«
»Bitte geh nicht!«, fleht er. Aber es ist zu spät.
Ein Blitz taucht sein Gesicht in ein bleiches Licht, der Boden um ihn herum ist blutverschmiert.
Der Himmel hört auf zu weinen und die Wolken werden durchlässiger.
Als die ersten Lichtstrahlen die Ebene erhellen, gräbt er dort zwischen den Ruinen ein Loch und schleift den alten Mann hinein.
Zum ersten Mal scheint etwas wie Hoffnung in seinem Gesicht erkennbar zu sein.