Von allen Seiten ertönen Fahrradklingeln. Auch wir klingeln, stimmen in das Konzert ein.
»Es geht los«.
Wir steigen auf unsere Räder und folgen den anderen über die Straßen der Stadt. Gemeinsam versammeln wir uns vor er ersten roten Ampel.
»Noch sind es einige, aber mal schauen, wie viele am Ende übrig bleiben«.
Ich blicke nach hinten. Alles voll mit Fahrrädern. Von irgendwo ertönt Musik. »I'm waiting for it, that green light, I want it«. Lorde. Green Light. Wie passend.
Tatsächlich wird die Ampel grün und wie fahren weiter. Langsam versuche ich immer weiter nach vorne zu gelangen. Zum Glück sind nicht mehr viele Autos, so kann ich an der nächsten Ampel über die nächste Spur bis ganz nach vorne fahren.
»Wollen wir durch den Kreisel?«
»Au ja. Da müssen wir durch!«
Die Ampel wird grün und wir fahren weiter. Ich versuche weiter nach vorher zu gelangen. Noch immer ertönt Musik, doch diesmal kenne ich die Musik nicht. Schließlich erreichen wir den mehrspurigen Kreisverkehr.
»Wir schaffen keine Runde. Dafür sind wir zu viele«.
Tatsächlich sind die letzte noch nicht einmal im Kreisverkehr, als wir schon wieder herausfahren wollen.
»Dann fahren wir zurück«
Langsam fahren wir an den anderen vorbei. Ein wilden Klingelkonzert beginnt, als Fußgänger an der Straße stehen. Fasziniert starren sie uns hinterher. Muss auch ein besonderer Anblick sein, so viele Fährräder an einem Fleck.
»Schaut. Die Sonne geht unter«, hören wir die Rufe und betrachten fasziniert wie die Sonne schon hinter den Häusern verschwunden ist. Trotzdem ist es noch angenehm warm, sogar im T-Shirt.
Wir fahren immer weiter durch die Stadt. Es beginnt dunkler zu werden. Immer wenn Fußgänger an uns vorbeikommen beginnen wir zu klingeln. Was für eine lustige Fahrt. Im Hintergrund »Believer«.
Auf einmal geht es bergauf. Etwas langsamer fahren wir immer weiter, immer höher. Immer mehr Bäume stehen am Rand, weniger Fußgänger. Wir sind auf der Landstraße! Egal. Immer weiter. »You can have it all but life keeps moving. I take it in but don’t look down ‘Cause I’m on top of the world«.
Wir quälen uns die letzten Meter hoch, plötzlich geht es bergab. Immer schneller rasen wir die Landstraße herunter, obwohl es schon dunkel ist. Immer der Straße folgen. Wir rasen durch die Kurven. Wir fühlen alle das gleiche, obwohl wir uns nicht unterhalten. Wir alle spüren die Freiheit. Ziemlich lange geht es in atemberaubender Geschwindigkeit nach unten. Der kühle Wind ist eine wohltuende Abkühlung.
Schließlich sind wir unten abgekommen und fahren gemütlich weiter. Schließlich haben wir noch eine weite Strecke vor uns. Bis zum Sonnenaufgang. Von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang.
»Wir machen eine Pause«
Wir kommen auf einem großen Platz zum stehen und kurz ab. Die ersten verabschieden sich.
»Es werden nicht alle durchhalten«
Nach der kurzen Pause fahren wir weiter. »Nun haben wir den dunkelsten Punkt der Nacht erreicht«.
Wir erreichen einen Wald und fahren über eine leere unbeleuchtete Straße zwischen den Feldern.
»Wir sind mitten im Nichts«.
»Wunderbar«.
Ich genieße die Natur, obwohl ich nichts von ihr sehen kann. Doch es ist wunderbar. Unbeschreiblich. Ich blicke nach hinten. Sind doch schon deutlich weniger geworden.
Doch wenn dann komplett. Wenn dann ganz. Ich will den Sonnenaufgang noch erleben.
»Wir bleiben wach, bis die Wolken wieder lila sind«, ertönt es plötzlich und wir beginnen mitzusingen. Wir sind wieder in der Innenstadt, doch auch hier ist es mittlerweile ziemlich leer geworden. Nur noch vereinzelt begegnen uns Fußgänger, die wir mit einem Konzert der Fahrradklingeln begrüßen. Sie alle sind ziemlich gut gelaunt. Viel besser, als es die meisten tagsüber sind.
»Wo wollen wir hin? Wenn die Sonne aufgeht, wollen wir oben sein. Dort wo man eine gute Sicht hat«.
»Wir könnten oben auf den Berg. Um fünf geht die Sonne auf. Das können wir schaffen«
»Aber dann komme ich nicht mit. Gute Nacht«.
Und wieder einer weniger. Langsam wird die Gruppe immer kleiner, aber wir geben nicht auf. Wir fahren, bis die Wolken wieder Lila sind.
»Dann mal los«. Wir fahren weiter Richtung Berg. Die Stimmung ist ausgezeichnet. Langsam wird der Himmel wieder heller.
Von oben blicken wir auf die Autobahn herunter. Noch immer oder schon wieder fahren ein paar Autos.
Es wird frisch, angenehm frisch. »Die Luft ist wirklich toll«.
Es geht wieder bergauf. Doch wir quälen und immer weiter hoch. Immer weiter. Nicht aufgeben.
Endlich sind wir angekommen. »Lass und hier bleiben«
»Wir könnten natürlich auch weiterfahren, dort hat man einen besseres Blick«
»Vergiss es. Ohne mich. Das ist viel zu steil«
Wir halten an und genießen die wunderbare Aussicht. Sie Sonne ist schon fast zu sehen. Doch noch ist sie hinter der Berghang verborgen.
»Wer kommt mit, da hoch?«
»Ich«
»Ich nicht«
Ein weiteres Mal wird unsere Gruppe kleiner, nun sind wir nur eine handvoll Personen. Doch wir wollen es. Wir wollen die beste Aussicht.
Ein letztes Mal quälen wir uns nach oben. Doch der Weg ist so steil, dass selbst das Schieben beinahe unmöglich scheint. Doch dann haben wir unser Ziel erreicht.
Wir blicken den Abgrund hinter. Mitten auf die schlafende Stadt. Langsam schiebt sich die Sonne nach oben und beginnt langsam die noch verschlafene Stadt zu wecken. Ehrfürchtig betrachten wir das Schauspiel.
»80 km sind wir heute Nacht gefahren. Doch diese Aussicht wäre auch noch weitere 80 km wert«
»Auf jeden Fall«.
Lange Zeit starren wir einfach nur auf den Sonnenaufgang, bevor wir uns schließlich auf den Weg nach Hause machen. Wir rasen die Straße herunter, auf den Sonnenaufgang zu. Ein letztes Mal die frische Morgenluft einatmen. Ein letzte Mal die schlafende Stadt genießen, bevor sie gleich aufwachen wird. Schließlich die Nacht schon vorbei. Doch für uns beginnt sie jetzt erst. Müde, aber glücklich schlafen wir schließlich ein.
Eine unvergessliche Sommernacht. Die kürzeste Nacht des Jahres. Doch für uns zwar es die ereignisreichste und wunderbarste Nacht des Jahres.