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Das Läuten unserer Türklinge rettet mich vor den hartnäckigen Fragen von Elijas, die er mir gestellt hat, nachdem ich das Telefon aus der Hand gelegt habe. Kurz hatte ich mit dem Gedanken gespielt ihm zu sagen, dass ich noch etwas vorhabe, um seine Fragen zu entgehen, aber leider kennt er mich dafür viel zu gut. “Pizza“, rufe ich erleichtert. Überrascht von meiner Freude zieht er beide Augenbrauen in die Höhe, steht aber auf, als ich Anstalten mache zur Tür zu gehen und drückt mich auf die Couch zurück: “Ey, Leyla. Du bleibst hier sitzen.“ Ein wenig enttäuscht verdrehe ich die Augen, gebe dann aber nach und lasse mich wieder in die weichen Kissen sinken. Für meinen Körper ist es eine Erleichterung endlich zurück daheim zu sein und im eigenen Bett schlafen zu können.
Aufmerksam sehe ich zu, wie mein Mitbewohner die Tür öffnet und dem Pizzaboten sein schönstes Lächeln schenkt. Das sieht ihm irgendwie ähnlich. Sieht er einen heißen Kerl, dreht er komplett am Rad und ich muss dann da wieder raus holen.
Obwohl ich nicht gedacht hätte, dass ihm der Bote mit seinem strubbligen, blonden Haar gefallen würde. Das passt gar nicht zu dem Typ von Mann, von dem er sonst angetan ist, doch da ist dieses leuchtende Blau in den Augen des jungen Mannes, dass schon irgendwie anziehend wirkt. Er ist jedoch seltsam klein und muss den Kopf weit heben, um Elijas ins Gesicht sehen zu können.
Da ich sicher bin, dass Elijas ihn nicht mehr gehen lassen wird, springe ich nun doch vom Sofa auf und lege meinem besten Freund eine Hand auf die Schulter. “Willst du nicht zahlen, mein Freund?“, frage ich entspannt und grinse den Mann vor der Tür freundlich an: “Wie viel müssen wir denn zahlen?“ “Äh, dreizehn Dollar“, stottert er unsicher und wirkt dabei fast wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal mit seinem Lieblings Superhelden spricht.
Während Elijas weiterhin wie angewurzelt dasteht und auf die Person vor ihm starrt, mache ich mich auf den Weg zu meiner Jacke, in dessen rechter Tasche sich mein schwarzes Wildlederportmonee befindet. Heraus ziehe ich einen zehn und einen fünf Dollar Schein und komme dann zurück. Bevor ich jedoch zurück zu den Anderen gehe, reiße ich einen Zettel aus einem Block, der neben dem Telefon im Flur liegt, und schreibe Elijas Nummer und seinen Namen darauf. Dann falte ich den Zettel unsauber und laufe zu den Anderen zurück.
Unbemerkt stecke ich das gefaltete Papier zwischen die Scheine und reiche alles dann dem Pizzajungen: “Stimmt so.“ Ein freudiges Grinsen schleicht sich auf dessen Lippen und er steckt das Geld schnell weg. Ob er den Zettel gesehen hat? Dann drücke ich die Pizzen dem Model neben mir in die Hand und schließe die Tür, als der Bote sich umdreht.
Sobald das Klicken des Türschlosses ertönt, erwacht mein Freund wieder aus seiner Starre. “Wie peinlich war das?“, fragt er unsicher. Neutral zucke ich mit den Schultern, um ihn nicht zu sehr zu verunsichern: “Nur ein bisschen.“ “Danke, dass du mich gerettet hast“, immer noch ziemlich perplex läuft er auf den gläsernen Wohnzimmertisch zu und lässt die Pizzen darauf fallen.
Scheinbar ist er noch so durch den Wind, dass er nicht bemerkt, dass er Tisch nicht gerade hoch ist, also fallen die Kartons aus einer, für Essen ungesunden, Hohe.
“Geht’s dir gut?“, frage ich und ziehe meine Mahlzeit, die natürlich unten lag, aus dem Stapel. “Ja, alles okay“, antwortet Elijas und lässt sich aufs Sofa fallen, während ich mich auf den Boden setze und die Pizza auf den Tisch lege.“Oh, ich du warst nicht gemeint“, erwidere ich und öffne den Karton überrascht davon, dass Elijas sie mit seiner Aktion nicht total zermatscht hat. “Wer dann?“, er klingt verwundert und ein wenig empört. “Meine Pizza“, erkläre ich und greife mir das erste Stück, während der wunderbare Duft von warmem Käse, Soße und Salami aus der Packung entweicht.
Elijas hat bei meinen Worten die Augen zusammen gekniffen und die Kiefer fest aufeinander gebissen: “Aua, das Tat seelisch weh.“ Mir ist genau, dass er weiß, dass es nur ein Spaß war, doch er tut genauso gerne so, als wäre er beleidigt, wie ich. Ich knuffe ihn sanft in die Seite: “Hey, du hast keinen Grund dafür dich mies zu fühlen.“ “Doch, habe ich wohl“, sein Blick ist sehnsüchtig: “Schließlich habe ich gerade einen der heißesten Typen auf dieser Welt einfach so verschwinden lassen.“
Ich kann ein amüsiertes Lachen nicht unterdrücken: “Erstens war der gar nicht so heiß und zweitens habe ich, nachdem ich das Geld raus gesucht hatte, deine Nummer auf einen Zettel geschrieben und deinem Traumtypen den Zettel gegeben.“
Scheinbar braucht er erst einige Sekunden, um zu realisieren, was ich gerade gesagt habe. Sein geschockter Gesichtsausdruck verwandelt sich innerhalb von wenigen Sekunden in ein freudiges Lächeln. “Ich liebe dich, Leyla“, flüstert er mit großen Augen. “Ich weiß“, grinse ich und esse weiter.
Nachdem ich auch das letzte Stück meiner Pizza gegessen habe, wirft Elijas einen Blick auf die Uhr: “Musst du heute arbeiten?“ Kurz muss ich nachdenken: “Ja, warum?“ “Weil es dann wohl langsam Zeit wird, dass du dich fertig machst“, er hält mir das Ziffernblatt seiner Armbanduhr vor die Nase.
Er ist der Einzige, der weiß, dass was ich für einen Job mache. Da wir zusammen leben und uns schon seit zweiundzwanzig Jahren kennen, wäre es viel zu schwer geworden so ein Geheimnis vor ihm zu verbergen. Also habe ich ihm auch mein Geheimnis erzählt, als ich die Erste war, der er von seiner Sexualität erzählt hat. Denn erst als wir ausgezogen waren, hat er sich dazu bekannt und nach wie vor bin ich ihm dankbar dafür, dass er mir so viel Vertrauen entgegengebracht hat. Auch verurteilt hat er mich niemals dafür, dass ich meinen Job liebe, denn er weiß, dass es ein Teil von mir ist.
Mit diesem Kapitel bin ich irgendwie gar nicht zufrieden!