Er
"Mist", ruft mein Vater plötzlich laut. Ich hebe den Kopf und schaue ihn fragend an: "Was ist los?" "Denkst du meine Assistentin ist schon weg?", fragt er mich und sieht mich mit großen Augen an. "Keine Ahnung, warum?" "Ich hab vergessen ihr etwas mitzugeben, was heute noch zur Post muss", er vergräbt den Kopf in den Händen. Weil ich seine Verzweiflung gut nach empfinden kann, mache ich ihm einen Vorschlag: "Willst du mir die Sachen geben und ich gehe nach unten, um zu schauen, ob sie noch da ist, und wenn sie nicht da ist, bringe ich die Sachen selbst zur Post, okay?" "Vielen Dank, du bist ein Schatz", er schiebt mir ein kleines, braunes Paket herüber.
Sofort packe ich es und springe auf. Er braucht mir nicht zu sagen, dass ich mich beeilen soll. Das kann ich mir selbst denken. Schließlich hat sie sein Büro bereits vor einigen Minuten verlassen und die Chance, dass irgendwas sie aufgehalten hat, ist minimal.
Ich hechte buchstäblich zum Aufzug und hämmere auf den Knopf, der mir die Kabine bringen soll. Normalerweise gehe ich mit Sachen wie Aufzügen wirklich vorsichtig um, aber gerade habe ich wirklich Zeitdruck.
Glücklicherweise öffnen sich die Türen schnell und ich husche hinein. Zu meiner Überraschung ist der kleine Raum menschenleer. Deshalb habe ich das Glück, dass der Aufzug nicht dreimal halten muss, bevor ich im untersten Stock ankomme.
Endlich in der Eingangshalle angekommen, schlägt mir eine ungeheure Lärmwelle entgegen. Am Empfang streitet sich eine Angestellte mit einem wild gestikulierenden Kunden, während auf den weißen Ledersofas zwei Männer in schwarzen Anzügen einander irgendwelche Pläne zu zeigen scheinen. Ich sehe eine Schlange, die sich vor dem Schalter aufgebaut hat, doch Miss Grand, die Assistentin meines Vaters, ist nirgends zu sehen.
Die letzte Hoffnung, die ich habe, ist, dass sie sich noch auf der Straße befinde. Deshalb eile ich, so schnell ich kann, durch die Drehtüren und trete auf den Bürgersteig hinaus.
Überall sausen bunte Autos umher, halten an roten Ampeln an und fahren wieder an. Unter meinen Füßen rattert die U-Bahn entlang, während Rauch aus einigen Gullydeckeln aufsteigt. Fast laufen mich einige Leute um und ich einige sogar das ein oder andere Schimpfwort. Allerdings ist mir meine Zeit viel zu schade, um darauf zu kontern.
Als ich gerade wieder reingehen will, sehe ich aus dem Augenwinkel zwei junge Frauen. Eine von ihnen hat blondes Haar, während die andere dunkelhaarig ist. Generell ist das nichts Besonderes in einer Stadt wie Seattle, doch die Tatsache, dass ich nach einer blonden Person suche, macht mich aufmerksam. Also fokussiere ich mich auf die Frau und erblicke die gelbe Jacke, die Miss Grand immer trägt.
Nun mustere ich auch die Person neben ihr und bekomme fast einen Schock. Es ist Leyla, das Mädchen, welches mir im Kopf herumschwirrt, und plötzlich kann ich mich nicht mehr bewegen.
Anstatt auf die Assistentin zuzulaufen, bleibe ich wie angewurzelt stehen und sehe auf die Szene, die sich vor mir abspielt. Das Paket ist völlig vergessen. Miss Grand, ich glaube Bree ist ihr Vorname, kennt meine Traumfrau. Soll ich den Kontakt zu der jungen Frau nutzen, um an die Stripperin heranzukommen? So leicht gebe ich nicht auf!