Du wirst dich sicher fragen, wer ich bin. Auch wenn ich nicht weiß, warum dich das interessiert. Ich, ich bin das Feuer.
Ganz genau. Ich bin das Feuer. Kein Wesen aus Feuer. Nein. Das Feuer persönlich. Sollte doch nicht so schwer zu verstehen sein. Oder?
Du willst mehr über mich wissen? Solltest du mich nicht kennen?
Ich begleite euch Menschen schon seit Anbeginn der Zeit. Am Anfang habe ich manchmal die Tiere verjagt. Das hat ziemlich viel Spaß gemacht, muss ich sagen. Richtig lustig, wie die Tiere liefen. Wie leicht ich sie doch lenken konnte. Ich war frei. Völlig frei.
Am Horizont die hohen Tannen, alle in Flammen.Grelle Flammen. Ich bin es. Ich leuchte wie die Sonne. Schwarzer Rauch steigt auf, verdunkelt die Sonne. Es braucht keine Sonne, wenn ich da bin. Ich strahle weiter und erhelle die dunklen Bäume. Rotes Feuer überall. Ich bin überall. Tiere fliehen, Menschen sind panisch. Sie versuchen mich zu kontrollieren, aber das werden sie niemals schaffen. Sie können mich niemals beherrschen. Doch ich kann sie alle kontrollieren. Ich.
Das Wasser liegt mir zu Füßen. Selbst das Wasser, mein größter Feind.
Ich bin unbesiegbar. Ich hinterlasse nur Asche. Ich kann niemals sterben, denn ich kann aus dem Nichts wieder auferstehen. Ich kann alles zerstören. Und niemand kann es dauerhaft verhindern.
Du glaubst mir nicht? Soll ich es dir zeigen?
Schau diese Asche an. Nur Asche bleibt übrig, wenn ich alles zerstöre.
Dieses Buch dort. Siehst du es? Was steht dort drin? Steht dort euer Wissen drin? Ist es besonders? Und doch kann ich es ohne Probleme zerstören. Weil es mir völlig egal ist.
Schau, wie meine Zunge über die Seiten leckt, sie langsam rot werden. Wie meine Finger über die Seiten streichen. Wie die Seiten immer kleiner werden. Schwarz werden. Die gesamte Schrift verschwimmt. Das ganze Wissen dieses Buches; ich nehme es in mir auf und hinterlasse nur ein bisschen Staub. Nicht mehr und nicht weniger.
Du findest das vielleicht brutal. Doch es ist doch alles egal. Wenn interessiert dieses Buch schon? Nur weil du vielleicht glaubst, dass es wichtig sei. Doch ist es wirklich wichtig? Mir ist es völlig egal. Wie kann es dann wichtig sein?
Soll ich dir mal was sagen: Es macht Spaß. Es macht Spaß, das alles in Asche zu verwandeln. Du nennst es vielleicht zerstören, ich nenne es verwandeln. Alles zerfällt irgendwann zu Asche. Ich beschleunige das einfach nur. Du hast am Spaß am errichten, ich habe Spaß am zerstören. Es ist ein Kreislauf. Du kannst nicht immer alles herstellen, wenn es keiner zerstört. Irgendwann hast du viel zu viel. Du hast kein Material mehr. Du kannst nichts neues mehr herstellen. Das Herstellen verliert an Bedeutung, weil es schon zu viel davon gibt. Erst durch die Endlichkeit, gewinnt etwas an Bedeutung. Du brauchst mich. Du bist von mir abhängig.
Du glaubst mir nicht? Ich bin dein ständiger Begleiter. Ich helfe dir so oft. Täglich.
Ohne mich würde es dich so nicht geben. Ich habe mich damals mit deinen Vorfahren angefreundet. Das Elend konnte ja keiner ansehen.
Ich habe dafür gesorgt, dass sie Fleisch besser essen konnten. Stärker werden konnten. Intelligenter werden konnten. Ohne mich hätte das alles nicht funktioniert. Ich habe die Menschen verändert. Ich sorge für Veränderungen. Wie bei diesem Buch. Aus dem Buch ist zu Asche geworden. Aus der Asche wird was neues. Etwas neues zum zerstören.
Es macht unheimlich viel Spaß die Dinge zu verändern. Viel mehr als du es dir vorstellen kannst. Es ist unglaublich. Die Struktur der Stoffe zu verändern. Die Luft zu verändern. Das Leben in der Umgebung zu verändern. Ich glaube, das alles kannst du dir gar nicht vorstellen. Das übersteigt deine Wahrnehmung.
Schau dich doch mal an. Glaubst du ehrlich, dass dein Körper so wichtig ist? Du tust immer so, als ob dein Körper das wichtigste sei. Wie ihr euch immer um euren Körper sorgt. Wie immer alles perfekt sein muss. Keine Macke. Kein Fehler.
Euer Körper muss perfekt sein. Doch was ist euer Ziel? Eines Tages wird euer Körper alt sein, runzeln. Wofür ist der Körper wichtig? Eines Tages wird euer Körper versagen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Warum ist dann der Körper so wichtig? Warum? Das ist doch völlig absurd.
Ich meine, ihr werdet sterben. Ihr werdet nicht ewig leben. Ihr habt nur so wenig Zeit zu Verfügung und trotzdem macht ihr euch die ganze Zeit Sorgen um euren Körper. Ich würde mir an eurer Stelle Sorgen um mein Leben machen. Aber aus irgendeinem Grund schafft ihr es nicht, ohne Körper weiter zu leben. Dabei ist das doch gar nicht so schwer. Ich hatte noch nie einen festen Körper und lebe trotzdem. Warum schafft ihr das dann nicht?
Schau dich doch mal an. Sobald ich dich berühren will, zuckst zu zusammen. Du machst dir so viele Sorgen darüber, ob ich hässliche Narben auf deiner Haut hinterlassen würde.
Du fragst dich, warum du dann trotzdem hier bist?
Das weiß ich nicht. Du bist viel zu nah. Niemand wagt sich in meine Nähe. Warum bist du so nah?
Du sitzt dort auf dem Waldboden. Meine Finger greifen in deine Richtung, doch du bleibst sitzen. Warum rennst du nicht weg? Alle rennen weg. Alle. Du muss auch wegrennen. Sonst macht es doch gar keinen Spaß! So ist es doch langweilig. Kannst du nicht mehr laufen? Willst du nicht mehr laufen? Aber das ist doch blöd. Langweilig.
Mein Atem berührt dich, doch du beginnst nicht einmal zu husten. Warum hustet du nicht? Alle husten, wenn sie mit meinem Atem in Kontakt kommen. Du musst husten. Das ist doch langweilig so!
Ich strecke einen Finger nach dir aus, doch du starrst ihn nur fasziniert an. Keiner starrt mich jemals fasziniert an. Niemand. Warum auch? Warum starrst du mich so an?
Ich umfasse deinen Arm und deine Kleidung beginnt zu brennen. Doch es stört dich nicht. Du schaust gespannt zu, wie die Flammen um sich schlagen. Warum tust du nichts? Warum versuchst zu nicht mich zu bekämpfen? Jeder bekämpft mich! Jeder ist mein Feind! Warum bist du nicht mein Feind?
Du bist nicht mein Freund. Du bist nicht mein Feind. Was bist du?
Du sitzt dort auf den glühenden Blätter, umgeben von brennenden Bäumen. Umgeben von Flammen. Deine Ärmel brennen. Doch dir ist das alles egal. Wie kann dir das alles egal sein? Du kannst nicht so sein. Dir kann es nicht egal sein. Warum tust du dann nichts?
Was bist du?
Du meinst, dass ich wissen sollte was du bist? Wieso? Woher soll ich wissen was du bist?
Du bist merkwürdig. Du bist viel zu merkwürdig. Du bist nicht normal. Aber woher soll ich jetzt wissen, was du bist? Du solltest wissen, wer ich bin. Aber ich muss nicht wissen, wer du bist.
Du meinst, dass wir uns schon einmal begegnet sind? Wir sind uns schon einmal begegnet? Wann sind wir uns begegnet? Ich begegne vielen Menschen. Doch ich bin noch nie jemanden wie dir begegnet. Niemals. Daran würde ich mich doch erinnern. Genau. Ich wüsste es. Ich vergesse fast nichts. Vielleicht bist du mir schon begegnet, aber ich bin dir noch nie begegnet.
Du stehst auf. Warum stehst du jetzt auf? Ich war doch nicht gar nicht fertig mit dir. Du machst keinen Spaß! Das ist langweilig so. Du musst dich schon an die Regeln halten. Sonst können wir doch gar nichts machen. Das geht so nicht!
Ich umfasse dich komplett. Halte dich in meinen Armen. Ich habe schon so lange niemanden mehr in meinen Armen gehalten. Es erinnert mich an eine Person. An eine besondere Person. Fast wie du. Aber das ist merkwürdig. Das kann nicht sein. Das geht einfach nicht. Wie soll das auch gehen? Die Person war ganz anders als du.
Ich halte dich fest und trotzdem bewegst du dich immer höher. Deine Füße berühren schon gar nicht mehr den Boden. Kannst du fliegen? Du kannst nicht fliegen! Du darfst nicht fliegen können. Das funktioniert doch gar nicht. Es macht keinen Sinn.
Ich umfasse dich stärker, deine Kleidung schmilzt schon. Ich ziehe dich herunter, doch du hebst immer weiter ab. Schon fast ein Meter vom Boden entfernt. Wie soll das gehen?
Ich kann dich nicht einmal am Boden halten. Niemand schafft es sich aus meinem Griff zu lösen. Niemand. Wieso kannst du dich aus meinen Griff lösen? Das ist unmöglich!
Du fliegst immer höher. Was bist du, dass du fliegen kannst? Du bist merkwürdig. Sonderbar. Eigenartig.
Wieso? Wieso bist du so anders?
Du meinst, dass es dir Spaß macht anders zu sein? Wie kann es dir Spaß machen anders zu sein? Ich meine ihr seid doch alle gleich. Alle anderen stört es doch auch nicht, gleich zu sein. Warum willst du es unbedingt sein. Ich meine, du wirst immer einer von ihnen sein. Du kannst niemals komplett anders sein. Auch wenn du anders bist, wirst du sein wie sie.
Was? Du meinst wirklich, dass du keiner von ihnen bist? Wie kann es sein? Was bist du sonst?
Du schwebst dort oben. Dein Blick herab gerichtet. Auf mich herunter. Niemand blickt auf mich herab. Niemand!
Der Himmel hinter dir ist dunkel. Einige Sterne sind am Himmel zu sehen. Doch du glitzerst mehr als die Sterne. Überall dieses Funkeln. In deinem Gesicht. An deiner Kleidung. Alles leuchtet. Alles funkelt. Heller als die Sterne. Dein Gesicht leuchtet noch weiter, Flammen schlagen aus, überall kleine Flammen. Doch das bin ich nicht! Ich bin das Feuer. Du brennst. Voller Feuer. Und doch bin ich es nicht! Wieso kannst du brennen, ohne das ich es bin? Ich bin das Feuer! Du darfst nicht brennen. Du kannst nicht ohne mich brennen. Es funktioniert einfach nicht.
Niemand leuchtet ohne mich. Niemand! Doch du funkelst trotzdem. Auch noch in der Nacht. Auch noch schöner als ich. Wie ist das möglich?
Einige Sekunden bleibst du dort. Glänzt weiter. Hör auf damit! Das macht mich neidisch. Du darfst mich nicht neidisch machen. Niemand darf das!
Ich starre dich an. Wieso?
Langsam sinkst du wieder tiefer.
Du fragst mich, ob ich dich erkenne? Wieso soll ich dich erkennen? Woher soll ich dich erkennen? Ich kenne dich nicht. Woher auf?
Doch du schüttest den Kopf. Du versuchst mir zu erzählen, dass ich dich kennen müsse. Noch von damals. Aber ich kenne dich nicht von damals. Das muss eine Verwechslung sein. Das kann so nicht richtig sein. Nein!
Was? Du willst mir erzählen, dass wir Geschwister sind? Ich habe keine Familie. Ich war schon immer da. Wieso sollte ich eine Familie haben? Das macht doch keinen Sinn. Als ob ich eine Familie habe. Niemand ist so wie ich. Niemand! Wie kann ich da eine Familie haben?
Du kennst meine Familie und willst mir erzählen, dass sie alle sind wie ich? Ich glaube es dir nicht. Warum sollte ich es dir auch glauben. Schließlich bin ich das Feuer!
Was? Du bist die Glut? Du? Glut? Nein, dass macht doch keinen Sinn. Obwohl. Vielleicht. Unter ganz besonderen Umständen. Doch wie soll es funktionieren?
Doch das erklärt, warum du so leuchten kannst. Flimmern. Wie die Sterne. Du kannst nicht selbst brennen. Und trotzdem brennen.
Du schüttelst den Kopf? Aber du kannst doch gar nicht alleine brennen. Und trotzdem kannst du glühen. Und das ist fast eine Vorstufe des Feuers oder nicht?
Aber warum habe ich dann bisher noch nie gesehen?
Was? Ich soll ein Teil von dir sein? Nein! Ich dachte wir sind Geschwister? Was jetzt?
Ah, ich verstehe. Du bist ein Teil von mir. Das passt. Du bist ein Teil von mir! Aber ich bin kein Teil von dir. So ist es richtig.
Also gehören wir beiden zusammen. Ich kann es noch immer nicht verstehen und glauben, aber ich habe keine bessere Erklärung. Dann wird es wohl passen. Wie soll es sonst sein?
Erklärt vielleicht, warum du so anders bist. Warum du fast bist wie ich. Und nicht so wie die anderen. Aber warum hast du dann einen Körper?
Du hast einen Körper, damit dich die Menschen besser verstehen können? Bist du also etwas wie mein Botschafter unter den Menschen? Das macht vielleicht sogar Sinn. Ganz vielleicht.
Unter gewissen Umständen. Ich wusste zwar bisher nicht, dass ich so etwas brauche. Aber gut. Vielleicht hast du recht.
Ah, ich glaube du bist dann eine Mischung aus mir und den Menschen. Aber du bist gleichzeitig Ich oder zumindest ein Teil von mir. So langsam beginne ich es zu begreifen. Das macht Sinn. Merkwürdig. Aber macht Sinn.
Wir gehen durch die Gasse. Oder ich gehe durch die Gasse. Ich weiß gar nicht, was jetzt richtig ist.
Wir heben unsere Hände in die Höhe. Sie berühren sich über unseren Köpfen. Flammen schlagen über unserer Hände. Aber wir sind das Feuer! Wir müssen brennen! Wir müssen Licht schaffen. Rechts und Links Backsteinwände. So hohe Wände. Rote Wände. Doch vorne ist Licht. Ein helles Haus. Unserer Arme bleiben oben. Berühren sich über unseren Köpfen und wir beginnen zu schweben. Höher durch die enge Gasse.
Schließlich bin ich das Feuer!
Aber: Wenn du ich bist, wenn du ein Teil von mir bist, rede ich dann schon die ganze Zeit schon mit mir selbst? Bilde ich mir das alles vielleicht nur ein und führe schon die ganze Zeit ein Selbstgespräch? Aber ich bin doch das Feuer. Ich! Feuer!