Ich blicke auf das kleine Schild neben dem Tor. »GARTEN DER LIEBE – BETRETEN AUF EIGENE GEFAHR«. Vorsichtig spähe ich durch die Stäbe. Ein kleiner Kiesweg schlängelt sich zwischen den Bäumen hindurch, bis er hinter den Bäumen verschwindet. Ich höre Vögel zwitschern, irgendwo rauscht Wasser. Ich atme die frische Luft ein. Sie riecht nach Natur. Frisch und lebendig.
Ich kann den Blick nicht von den Zweigen abwenden. Wie sie sanft im Wind hin und her schaukeln. Fast als würden sie auf mich warten, als würden sie in freudiger Erregung hin und her hüpfen.
Ich blicke auf das Tor und kann mich nicht überwinden, es zu öffnen. Wer weiß, was mich dahinter erwartet. Das Knarzen würde das sensible Lied der Natur zerstören.
Vorsichtig ziehe ich mich hoch schwinge mich hinüber. Langsam, um auch ja keinen Ton zu machen, lasse ich mich auf der anderen Seite wieder hinunter.
Leise knirscht der Kiesweg unter mir, als ich seinen geschwungenen Linien folge. Immer tiefer zwischen den Bäumen. Es ist als würden sie nur für mich einen Weg bilden, durch den ich gehen kann und den Weg hinter mir wieder verschließen. Als ich nach hinten sehe, entdecke ich nur Bäume.
Je weiter ich gehe, desto mehr verändern sich die Bäume. Sie erscheinen immer größer, stärker und bunter. Der Gesang der Vögel wird immer lauter und fröhlicher, die Gespräche angeregter. Ich sehe mehr Insekten. Schmetterlinge fliegen vor meinen Augen umher, plötzlich rennt ein Eichhörnchen über den Weg. Am Wegrand sind immer mehr bunte Blumen zu sehen.
Das Rauschen des Wassers wird immer lauter, als ob der Bach hinter der nächsten Biegung auf mich wartet.
Immer weiter folge ich dem Weg und gehe immer tiefer in den Garten; alles was außerhalb war, erscheint mir immer belangloser und unwichtiger. Meine Sorgen, die ich eben noch hatte, sind alle weg.
Plötzlich stehe ich auf einer Lichtung. Über mir höre ich einen Raben rufen, ohne ihn sehen zu können. Die Sonne dringt durch die Blätter und taucht die Blumen in ein goldiges Licht. Unzählige Insekten schwirren über die bunten Blüten. Dort sind blaue, daneben rote. Je länger ich sie mir anschaue, desto mehr Details erkenne ich. Jede Blüte sieht anders aus, als alle anderen.
Vorsichtig, um keine Blumen zu zertreten, gehe ich über die Wiese zur Mitte. Die Blumen werden größer, reichen mir fast bis zur Hüfte. Und doch scheint jede genug Platz zu haben.
So viele verschiedene Farben und doch scheinen sie alle zusammenzupassen.
Ich schiebe mich vorsichtig weiter, bis ich irgendwann vor dem Bach stehe. Stetig fließt das Wasser vor meinen Füßen entlang. Hinter dem Bach entdecke ich eine riesige Blume, genauso groß wie ich. Die Blüte erstrahlt in tiefem Blau und auf ihr sind viele Punkte zu erkennen, fast wie der Sternenhimmel bei Nacht. Ich setzte mich hin, lasse meine Füße vom Wasser umspülen und starre auf die Blüte. Das ist also der Garten der Liebe.
Langsam wird es dunkler, doch die Blüte strahlt immer stärker.
Vorsichtig stehe ich auf und gehe langsam auf die Blüte zu. Ganz leicht berühre ich sie mit dem Finger und spüre die Magie. Plötzlich schwebe ich über dem Garten, blicke von oben auf die unendlichen, strahlenden Punkte herab. In der Mitte die tiefblaue Blüte.
Ich spüre eine Hand an meiner und blicke zur Seite. Ein vertrautes Gesicht blickt mich an und wir beginnen gemeinsam den Garten der Liebe von oben zu bewundern. Hand in Hand.