„Du bist nicht mehr Captain America“, begann Natasha ihre kleine Rede, die sie sich sorgfältig zurecht gelegt hatte. Dabei setzte sie sich auf den Schreibtisch, an dem Steve Rogers gerade arbeitete – natürlich direkt vor ihn, damit er nicht in die Gelegenheit käme, ihr zu entweichen.
Langsam sah er auf und blinzelte. Sein Kiefer war angespannt, sein Blick müde. Obwohl seine Haltung aufrecht anmutete, wusste sie aus eigener Erfahrung, dass er zu gerade saß, als dass es eine entspannte Pose hätte sein können. Er wollte dem Thema aus dem Weg gehen, wenn möglich.
„Du hast dein Schild abgelegt, dich gegen die Regierung gewandt. Vom Muttersöhnchen zum Querulanten. Du bist in die Pubertät gekommen“, fuhr sie fort und schlug ihre Beine übereinander.
Ein leises Seufzen entwich ihm, so angespannt wie seine Haltung. „Natasha, bitte.“
Sie schüttelte den Kopf. „Hör mir zu, Steve.“ Beschwörend lehnte sie sich zu ihm vor und bemühte sich darum, seinen Blick zu erhaschen und ihn zu halten. „Du hast Cap hinter dir gelassen – und Amerika hat seinen Captain verloren, begünstigt durch euer beider Starrsinn. Einer ist schlimmer als der andere.“
Steve nickte. Sie wussten beide, von wem sie sprach.
„Was ist mit Team Cap?“
Sie konnte sehen, wie seine Lippen die Frage formten, die sie ihm gerade gestellt hatte. Zu einer Antwort schien er nicht zu kommen, immerhin hatte sie nun seine volle Aufmerksamkeit.
„Du hast dich auf meine Seite geschlagen“, antwortete er schließlich.
„Ich habe mich auf gar keine Seite geschlagen.“ Natasha lachte leise und schüttelte den Kopf. Einige weiße Strähnen flirrten am Rande ihres Sichtfeldes auf. Gewohnheitsmäßig schob sie sie zurück, gleichsam mit ihrem Lachen, das Ernsthaftigkeit weichen sollte. „Schadensbegrenzung, das ist es, was ich tue. Das ist das, was wir alle tun sollten – egal, mit wem du dich streitest oder verträgst.“
„Und was ist mit Team Cap?“, fragte Steve. „Es hat nie existiert, nehme ich an.“
„Du bist jemand, dem Menschen folgen. Freiwillig, wie schlecht die Chancen auch stehen und wie widersinnig es auch ist.“ Sie stützte sich mit einer Hand hinter ihren Rücken ab und ertastete das Stoffstück, das sie mit sich gebracht hatte. Ein fester Schirm, rauer Stoff, gedruckte Aufschrift.
„Du bist nicht mehr Captain America“, wiederholte sie ihre ersten Worte. „Du brauchst kein Amerika, keiner von uns muss einer verschrobenen Regierung in den Arsch kriechen – Kraftausdruck, ich weiß.“
Nun stahl sich ein Lächeln in seine Mundwinkel und zog sie nach oben, obwohl er seine Lippen aufeinander presste. Seine Hartnäckigkeit darin, ihr keine Emotionen zeigen zu wollen, beeindruckten sie mehr, als seine gescheiterten Versuche. Steve würde für sie ein offenes Buch bleiben.
„Ich habe dich grübelnden Miesepeter satt. Genauso diesen grauenhaften Bart. Aber ich kann nur eines davon ändern.“ Nun griff sie den Stoff hinter ihrem Rücken, zog ihn hervor und setzte Steve Rogers die Schirmmütze auf den Kopf.
Seine Hände folgten ihrer Bewegung, doch er war zu langsam um sie zu erwischen. Die Verwirrung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, als er die Mütze wieder absetze und sie eingehend betrachtete. Dunkelblau, beinahe schwarz – passend zu seinem Anzug. Keine farbenfrohen Streifen oder albernen Sterne. Auf der Front, über dem gestärkten Schirm, prangten zwei Wörter in silberner Schrift.
„Team Cap“, las er vor, beinahe fragend. „Wieso?“
„Den Bart darf ich dir nicht abrasieren. Sam und Wanda waren dagegen. Vision hat sich enthalten.“ Sie hob die Schultern, als wäre ihr die bartlose Variante weitaus lieber gewesen. „Die letzte Cap hat dir gut gestanden, ich konnte nicht widerstehen, Cap.“
Dieses Mal unterdrückte er nicht das Lächeln, das sich auf sein Gesicht schlich.