Selbstreflektion
Ich stehe am Rande einer großen Pfütze.
Ich stehe am Rande einer großen Pfütze und blicke hinab.
Ich stehe am Rande einer großen Pfütze und blicke hinab. Am unteren Ende meines Sichtfeldes ragen die Spitzen zweier kanarienvogelgelber Gummistiefel in das sich mir liefernde Portrait, die mich im ersten Moment an Hügel, auf denen prallvoll Getreide steht, dann aber in ihrer Form an die weibliche Brust erinnern. In alle übrigen Himmelsrichtungen erstreckt sich der Regenwasserspiegel.
Es ist eine große Pfütze.
Ich stehe am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze und blicke hinab.
Ich stehe am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze und blicke hinab. Diesmal wandert mein Blick von den kanarienvogelgelben Gummistiefelspitzenkornfeldbrüsten zur sanft glänzenden Oberfläche der Regenwasserspiegelpfütze, die plötzlich so verletzlich scheint, dass ich Angst habe, mich zu bewegen, zu atmen, zu sprechen, zu denken. Ich muss Acht geben auf die verletzliche Regenwasserspiegelpfütze.
Ich muss Acht geben auf die verletzliche Regenwasserspiegelpfütze und sie vor mir selbst beschützen.
Gleichzeitig tut sie mir weh, die verletzliche Regenwasserspiegelpfütze. Verletzliche, Verletzende Regenwasserspiegelpfütze! Sonnenflecken toben auf dem zirkulierenden Glas, brennen so erbarmungslos und grell, dass ich mir die Ohren zuhalten muss, um nicht geblendet zu werden. Mein Spiegelbild ist im Wellengang verzerrt. Die Sonnenflecken brennen und grellen ihm die Haut hinfort, dass ich mein tänzelndes Portraitspiegelpfützenbild in meiner eigenen fremd-bekannten Stimme nach mir rufen höre – Da muss ich auch die Augen ganz, ganz feste zukneifen, um ja nichts zu hören.
Oh, zerbreche doch! Du verletzliche, verletzende Spiegelwasserregenpfütze!
Ich stehe am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze, mit verschlossenen Augen und zugestopften Ohren.
Ich stehe am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze, mit verschlossenen Augen und zugestopften Ohre und atme.
Ich stehe am Rand einer großen Regenwasserspiegelpfütze und atme und blicke hinab und erkenne eine ebenso gutmütige wie entschlossene Regenwasserspiegeloberfläche, die sich in alle Himmelsrichtungen erstreckt und nur gen Süden von den Spitzen zweier kanarienvogelgelber Gummistiefel freundlich angestubst wird. Kleine Kristalle glänzen vom Boden des Spiegelwassers in den Himmel, vom Himmel glänzen sie zurück an den Boden der Regenwasserspiegelpfütze. Das Spiegelpfützenportrait ist nicht von Brandwunden vernarbt.
Auch wenn ich weiß, dass die die Sonnenflecken mit Ihrem Grellen und Blenden und Schreien und Stinken nicht zurückkehren werden, fürchte ich sie und schaudere und zittere jedes Mal ein wenig, wenn die Bilder der verletzlichen, verletzenden Spiegelwasserregenpfütze zum Tanz auf dem Parkett meiner Erinnerung ansetzten.
Oh, bleibe friedlich! Du gutmütige, entschlossene Wasserspiegelregenpfütze!
Ängstlich stehe ich am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze und atme und blicke hinab.
Bedrückt stehe ich am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze und atme und blicke
Enttäuscht stehe ich am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze und atme und
Wutgeladen stehe ich am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze und atme
Hassend stehe ich am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze und
Erregt stehe ich am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze
Hoffnungsvoll stehe ich am Rand einer großen
Einer großen?
Stehe ich?
Ich?
Spiegelwasserpfützenselbstportrait?
Menschlich stehe ich am Rande einer großen Regenwasserspiegelpfütze und blicke hinab.
Menschlich stehe ich am Rande einer großen Pfütze und blicke hinab.
Menschlich stehe ich am Rande einer großen Pfütze und
Blicke in die Augen meines Spiegelbildes, auf dessen Gesicht die Reflektion der Sonne und von lauem Wind erhobene Wellen spielen.