Die Kälte des Kellergewölbes umfängt Natasha und lässt sie frösteln und die steinharte Pritsche, auf der sie liegt, macht es auch nicht besser. Die strammen Seile, die ihre Hände fest auf ihrem Rücken zusammen binden, schneiden in ihre Haut ein, doch Natasha richtet ihren Blick nur auf die dunkle Steindecke. Mittlerweile hatte sie ihr Zeitgefühl komplett verloren und konnte nicht einmal mehr sagen, ob es Tag oder Nacht ist.
Plötzlich ertönt das leise Klicken des Türschlosses. Automatisch hebt sie den Kopf und starrt wie gebannt auf die Tür. Gebannt sieht sie zu, wie diese sich knarrend öffnet.
In den kühlen Kellerraum tritt eine breit gebauter Mann: “Stehen sie auf, Miss Romanoff.“ Sie braucht einige Sekunden bis sie realisiert, was gerade passiert ist. Dann erhebt sie sich allerdings von dem provisorischen Bett, auf dem sie schon so lange liegt, und starrt den Mann an:“Was ist los?“ In ihren Augen funkelt eine Spur von Hoffnung und neu erwachten Kampfgeist.
Als ihr klar geworden war, dass keiner ihrer Avengers Kollegen weiß wo sie ist und sie deshalb auch keine Rettung erwarten kann, hatte sie den Glauben an die Freiheit verloren, nachdem Loki Laufeyson, ein alter Feind, ihr auf einer Mission entgegengetreten und sie ausgeknockt hatte. Sobald sie dann in diesem Raum aufgewacht war, war ihr sofort klar, dass der Gott des Schabernacks sie entführt haben muss. Getroffen hat sie ihn hier aber bis jetzt noch nicht persönlich.
“Mr. Laufeyson verlangt nach ihnen“, erwidert der Mann mit kalter Stimme. Sofort fallen Natasha seine Augen auf, die in demselben blaue Leuchten, das sie auch schon vorher bei ihrem besten Freund Clint Barton sehen musste. Das Leuchten, das für jemanden Avenger, besonders für Clint, ein Zeichen von Manipulation geworden ist.
Auf seine Aufforderung hin erhebt sie sich von und schreitet auf den Ausgang ihrer Zelle zu. Trotz ihrer Gefangennahme hat sie weder ihre Selbstachtung noch ihr Selbstvertrauen verloren. Wenn Natasha Romanoff schon untergehen würde, dann wenigstens würdevoll.
Der Mann packt die Rothaarige an den Handgelenken und zieht sie gewaltsam mit sich, sodass sie ins Stolpern gerät. Die Fesseln schneiden noch tiefer in ihr Fleisch, doch das ist gerade nicht das größte Problem. Das Problem, was für sie nun am Größten ist, ist Loki. Was kann, er von ihr wollen?
Sie laufen gemeinsam durch einige Kellergänge und steigen mehrere Treppen hoch, bis sie vor einer Flügeltür stehen bleiben. Nicht gerade erfreut, sieht sie zu, wie Lokis Handlanger die Tür aufreißt und sie hineinschubst. Selbst folgt er ihr nicht.
Der plötzliche Lichteinfluss blendet die junge Frau, doch als ihre Augen sich daran gewöhnte haben, ist sie geschockt.
Scheinbar befindet sie sich in einer Art Thronsaal, den man aus Mittelalter Filmen kennt. Dazu passen auch die steinernen Wände, die zu allen Seiten um Natasha herum aufragen.
Als sie den Blick nach vorne richtet, zuckt sie kurz zusammen. Dort sitzt er. Loki Laufeyson sitzt wie ein König auf einem, ebenfalls aus Stein bestehenden, Thron. Er trägt einen goldenen Helm mit zwei Hörnern, die an einen Widder erinnern, wie ein König auf dem Kopf, während seine grün-schwarze Uniform der, die er während der Attacke der Chitauri getragen hat, ähnelt. Sein dickes, schwarzes Haar hat er streng nach hinten gekämmt und vervollständigt somit den Look des bösen Gottes, den sie so gewohnt ist. Das, was sie aber wirklich erschreckt, ist das Zepter in seiner Hand. Sie hatte doch gedacht, dass Fury es irgendwo sicher versteckt hat. Wie konnte, er also daran gelangen, nachdem Thor ihn mit nach Asgard genommen hatte?
“Agent Romanoff, schön Sie endlich zu sehen“, er klingt amüsiert, während er ihr mit einem hämischen Gesichtsausdruck entgegengrinst. Sie presst die Kiefer zusammen: “Sie hätten mich ja schon eher aus meiner Zelle rausholen können.“ “Das haben Sie bei S.H.I.E.L.D. doch auch nicht getan“, spielt er auf seine Gefangennahme im Helicarrier an. Als sie nichts darauf antwortet, wird sein Grinsen nur noch breiter: “Punkt für mich. Es ist übrigens wirklich schön Sie endlich wieder zu sehen.“ Am liebsten würde sie auf ihn zu stürmen und ihm irgendeinen Knochen brechen, doch die Fesseln und die Neugierde, auf das, was er von ihr will, halten sie davon ab.
“Was wollen Sie von mir?“, fragt sie wütend und sieht zu, wie er bei ihrer Frage vom Sitz aufsteht. Jede Bewegung des Mannes erinnert an ein Raubtier, das auf seine Beute zu schleicht.
Bei ihr angekommen, umkreist er sie langsam und lässt seine Hand sanft über ihre Schultern gleiten. Sie spürt seinen Atem an ihrem Hals und wenige Sekunden darauf folgen seine Lippen, die ihre weiche Haut kaum merklich berühren, während er spricht: “Am besten komme ich sofort auf den Punkt. Ich brauche Sie meine Begleitung auf ein … Event.“
Ihre Gedanken fahren Achterbahn: “Was für ein Event?“ “Eine Party in Wien“, sie kann sein katzenhaftes Grinsen auf ihrer Haut spüren. “Was wollen Sie dort?“, fragt Natasha weiter und versucht die Gänsehaut zu ignorieren, die sich überall auf ihrem Körper ausbreitet. “Sagen wir einfach, ich bin auf der Suche nach jemandem, der auch dort sein wird“, erklärt er und lässt seine Hände zu ihren Hüften gleiten. “Und warum brauchen Sie mich dafür?“, fragt Natasha weiter und versucht klar zu denken. “Sie sind mein Köder, Miss Romanoff“, erklärt er: “Männer verbringen einfach gerne Zeit mit Ihnen. Wenn Sie wissen, was ich meine.“
Überrascht wendet sie seinem Kopf ihm zu: “Sie wollen, dass ich …?“ Kaum traut sie sich es auszusprechen, weshalb er sie glücklicherweise auch sofort unterbricht: “Nein, natürlich nicht. Sie sollen ihn nur ködern und dann zu mir führen. Das reicht mir schön.“ Sie schluckt schwer. Daran, dass er seine Worte ernst meint, ist kein Zweifel und Natasha ist klar, dass sie aus der Sache nicht raus kommt. Alleine kann sie gegen den Gott nie gewinnen, also steht ihre Entscheidung fest: “In Ordnung!“