Sommer - Sonne - Grillfleisch
Der Wettergott ist in den vergangenen Jahren ein gnadenvoller gewesen und setzt seine Unachtsamkeit auch in Diesem wieder konsquent fort. Nach Winter folgt Sommer, das Frühjahr hält dazwischen nicht länger als eine Woche an seiner jämmerlichen Existenz fest und lebt nur noch in Schulbüchern fort. Zumindest noch so lange, bis auch der kümmerliche Rest an buchstabengewandten Plagen von der Seuche der Emojiconkonversation niedergesteckt wird.
Somit rückt eine der beliebtesten Freizeitverschwendungen des Teutonen immer zeitiger in den primären Schmärbauchfokus.
Fleisch abfackeln!
Der deutsche Recke rumpelt den Baumarktgrill aus der Garage, kärchert und drahtbürstet das Ungeheuer liebevoll auf Maximalglanz und schmiert so manchen versteckten Nippel lustvoll ab.
In den Supermärkten stapelt sich das Holzkohlereservoire direkt im Eingangsbereich und verstopft sämtliche automatische Türen. Das tut der Handelsmann nicht, um dem Anhänger gesottener Tierleichen auf die schiere Existenz seiner Ware hinzuweisen, sondern um sich mit dem Dreckzeug nicht die beleuchteten Auslagen in der Kühltheke einstauben zu lassen. In jener nämlich harrt das listig angestrahlte Geschlonze und aufpolierte Abdeckfleisch zu unverschähmten Billigpreisen seiner zugedachten Verwendung. Mit gierigen Augen und voll bepackten Armen reißt der Carnivore das Fleisch aus seiner kühlen Zwischenlagerung.
Und da steht er dann, im Garten, auf dem Hinterhof oder in der abgespeckten Version im Stadtpark (mit Einweggrill) und tut all die Dinge, von der der echte Mann glaubt, dass nur er sie zur Perfektion treiben kann. Tonnen an Schwein und Geflügel brutzeln in mannigfaltigen Variationen über weiß glühenden Scheiterhaufen und Schwaden müffelnder Fett-, und schmoriger Eiweißaromen verpesten die ansonsten so gesunde Feinstaubluft.
Was dabei aus heutiger Sicht zu kurz kommt, ist das schnöde Steak, das früher bei Vatern über Nacht mit Zwiebeln im Biersud gammeln musste bis es grau und schlabbrig war. Heute preist der Verstand des Verbrauchers, die Werbeindustrie, in all ihren Drecksblättern und den unaufgefordert den Briefkasten zujauchenden Discounterjournallien die Paprika/Chilli/Kräuter/Barbecue/Knoblauch und Rasendungmarinade an. Wenigstens ist das ganze Geseire auf chlorfrei gebleichten und recycelten Urwaldresten gedruckt, Natur muss immer mit! Praktisch kehrt der Großhandel all die zotteligen und sehnigen Hinterlassenschaften seines Antibiotikamastschweines zusammen und ersäuft die sonst bestenfalls Tonne und Tafel zugedachten Schlachtabfälle in chemisch lecker angereicherten Tunken, die den ganzen Mist wieder weich und rosig klopfen.
Und da lacht das Herz des schürzentragenden Helden am fettigen Rost, kann er wenden, verkohlen und stapeln bis er nicht mehr weiß ob die fluchend hingenommene Scheißhitze von der Sonne oder der Flamme kommt, die aus seiner Unterarmbehaarung schwelendes Kraushaar macht. Er lässt es sich gut gehen, verklappt Rohware kubikmeterweise, bepieselt Rippchen, Bauch und Nacken völlig sinnlos mit schalem Büchsenbier und dreht blass schlabbrige Wurstpimmel, bis sie Aussehen, Konsistenz und Geruch von Schäferhundköteln annehmen.
Währenddessen zieht die Generalität jeder vernünftig verlaufenden Ehebeziehung sämtliche Kohlenhydrate durch hektoliterweise Majonaise und nennt die kleistrige Pampe Salat, wahlweise aus Kartoffeln, Nudeln oder Reis bestehend. Die Kartoffel erhält die Gurke, die Nudel den Paprika und der Reis die Mandarine und fertig ist der vegetarische Gaumenkrebs.
Für die Pseudogesundheit taucht immer gern noch ein echter Grünzeugmix auf, frisch geschnippeltes Gewächshausgemüse mit grünen Kräutern aus dem Tiefkühler. Das dient aber nur der Ablenkung und vor allem um das Gewissen zu beruhigen. Fressen will den Kompost keiner.
„Och nö Danke, ich bin so satt, sieht aber gut aus, beim nächsten mal bestimmt.“
Alles andere wird anstandslos verschlungen, landet allerhöchstens am kommenden Mittag im Herd, wo dann der letzte Saft rausgeschwitzt wird und krumpelige Schuhsohlen das Geschirr belästigen.
Wenn am Abend alles runtergemümmelt ist, ganze Schweinehälften den Spieß verlassen haben, dann reibt sich der Gast die Wampe und lobt den Meister.
„Konnte man essen.“ - Mehr Bauchpinseln ist nicht drin und der Erzeuger des Verbalausfalls versteht sein Gelaber auch noch als echte Huldigung.
Na gut, kippen wir einen hinterher. Knack knack machen Jägermeister, Goldbrand, und Wodka. Dazu das Plopp von ungezählten Stiegen Bier zum nachtrinken. Es wird über alles gefachsimpelt und philosophiert was die Woche an Müll angepült hat, jeder hat eine Meinung und keine Lösung. Sätze mutieren im Laufe der Zeit zu lallenden Brunftlauten und dann unausweichlich zu Schnarchgeräuschen.
Als Zeichen zum Gelageabbruch kotzt der Nachbar das ganze Gewölle zurück in die Erdbeerrabatte und ein denkwürdiger Abend neigt sich dem Ende.
Es gibt heute nur einen Verlierer, den bunten Salat, der heimlich unterm Rindenmulch verscharrt wird.