„Uns wurde gesagt, du kennst dich mit der Geisterhotel-Sache aus“, erklärte Kaden und wirkte angespannt, während er versuchte Reyes Gefühle genauer zu ergründen.
Dieser Kerl war nicht sonderlich umgänglich. Nicht einmal für ihn.
Kaden wusste nicht, wie er ihn dazu bringen sollte, seine Fragen zu beantworten, ohne zu viel von ihren Plänen zu verraten. Und Orion, der das Ganze schweigend betrachtete, war auch nicht hilfreich.
Er hätte wirklich Lika mitnehmen sollen. Sie hätte mit dem Typen flirten können, um an Informationen zu gelangen.
Die Glut an der Spitze von Reyes Zigarette glühte kurz auf, als er daran zog. Einige Sekunden musterte er die beiden Männer genauestens und blies dann langsam den Rauch raus.
„Mag schon sein. Ich krieg in dieser Stadt so einiges mit. Die bessere Frage ist aber doch: Was wollen zwei junge... Studenten... mit so einer Geschichte, die gerade erst heute angekommen sind?“, fragte er, als würde er die Antwort bereits kennen.
Langsam bückte er sich kurz nach vorne, um in das leere Glas zu Aschen aus dem vor kurzer Zeit noch die blonde Frau getrunken hatte.
Kaden grinste und versuchte sich möglichst unbefangen zu geben.
„Unsere Freundinnen erschrecken“, erklärte er gut gelaunt, was Orion fast dazu brachte sie beide zu verraten. Was für eine dämliche Ausrede. Darauf würde doch niemand reinfallen.
Langsam breitete sich ein Lächeln auf den Lippen des rauschenden Mannes aus.
Es war kein normales, erfreutes Lächeln, weder war es ein aufreizendes Lächeln. Eher erinnerte es an eine Katze, die mit einer Maus spielte. Auch, wenn Kaden dieser Typ zuwider war, so versuchte er dennoch nun eher auf einer freundschaftlichen Basis vorzugehen.
Normalerweise fiel es ihm leicht Leute zu durchschauen. Durch deren Gefühle wusste er immer genau, welche Person er gerade sein musste, um die Leute zu täuschen. Doch bei Reyes schien es nicht so einfach zu sein, was nicht an seiner Fähigkeit lag, sondern an der Persönlichkeit des Mannes, die sich einfach nicht deuten ließ.
„Ich weiß nicht so Recht. Es gibt viele die was von mir wollen“, erzählte Reyes leichthin und nahm noch einen Zug von seiner Zigarette. „Das blonde Mädchen von eben zum Beispiel. Erzählt mir irgendwas von wegen ihr Bruder sei von einem fliegenden Knochen erdolcht worden, doch die Polizei fand weder den Bruder noch die Leiche. Sogar ein Dozent kam einmal zu mir und erzählte von einem Kind auf der Straße das ihn regelrecht verfolgt haben soll. Gruselig nicht wahr? Und doch wollen alle irgendwas von mir. Der einzige Unterschied zwischen ihnen und euch ist nur... sie bieten mir was im Gegenzug an. Was habt ihr mir zu bieten?“, fragte Reyes leichthin, doch nun konnte Kaden seine Neugierde deutlich spüren.
Diese Sachen mit der Blondine und dem Dozenten... hatte er sie wirklich ernst gemeint oder erlaubte er sich hier einen Scherz? Auch wenn Kaden auf seinen Herzschlag gelauscht hatte, so blieb dieser doch konstant und neutral. Entweder er war ein Meister im Lügen oder er glaubte selbst, dass was er da von sich gab.
Verdammt! Wäre nur Sezuna hier gewesen, hätte sie sich jedes einzelne Wort merken können. Er nahm sich vor, die Sachen im Hinterkopf zu behalten und dem später nachzugehen.
„Du handelst also“, murmelte Kaden nachdenklich.
Was konnten sie ihm anbieten? Bisher hatten sie noch nichts, was Reyes interessieren würde. Da war sich Kaden ziemlich sicher.
Mit einen Blick auf Orion gab er diesem zu verstehen, dass er Hilfe brauchte. Vielleicht fiel dem Werwolf etwas ein.
„Was ist es denn was du willst? Geld?“, fragte Orion unsicher. Es war ihm zutiefst zuwider mit diesem Mann ein Geschäft einzugehen, doch sie beide wussten, dass die Möglichkeiten schlecht standen, woanders so schnell an Informationen heranzukommen.
Reyes Mundwinkel verzogen sich zu einem breiten Grinsen.
„Wie wäre es mit einem Gefallen? Ich erzähle euch, was ich weiß, und dafür seid ihr mir was schuldig. Was meint ihr?“
Kaden blickte nur kurz zu Orion. Es schien, als hätte dieser nicht Ansatzweise eine Ahnung, also würde er weiter machen.
„Das klingt fair“, meinte der Blonde und unterdrückte seine Unsicherheit. Irgendwie gefiel ihm dieser Typ nicht und eigentlich wollte er ihm auch nichts schulden, aber es sah wohl so aus, als hätte er keine andere Wahl.
Sezuna war noch nicht einmal richtig wach und spürte schon, dass etwas nicht stimmte.
Sie streckte sich und blinzelte dann verschlafen.
Das Zimmer, in dem sie lag, kam ihr nicht vertraut vor und ihr Gehirn brauchte ein bisschen, bis es wieder richtig arbeitete.
Richtig. Sie war in einem Studentenwohnheim, auf der Erde.
Das erklärte auch den Lärm draußen und die schlechte Luft.
Seufzend streckte sie sich und erhob sich langsam.
Ihr Magen murrte, weil sie Hunger hatte und sie fragte sich, wie sie hier an das nötige Blut kommen sollte.
Natürlich konnte sie auch normale Nahrung essen, aber das würde nicht lange vorhalten.
Seufzend und im Schnellmodus verschwand sie im Bad und kleidete sich für den Tag.
Mit ihrer Vampirschnelligkeit brauchte sie nicht einmal 10 Minuten, um alles zu schaffen. Selbst eine Frisur, die für sie typisch war.
Dann entschied sie sich dazu, bei Kaden nachzufragen, wie er die Nacht verbracht hatte.
Ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus.
Sie war gestern ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen, ohne ihn seine Sachen zurückzugeben. Sezuna fragte sich wirklich, wo er die Nacht verbracht hatte und ob er wirklich geschlafen hatte.
Vampire brauchten nicht sonderlich viel Schlaf, wenn sie nicht gerade ihre Fähigkeiten überstrapazierten, wie es bei ihr Gestern der Fall gewesen war.
Lautlos ging sie zu Kadens Koffer, der nach wie vor in ihrem Wohnzimmer stand.
Zielsicher zog sie seinen Zimmerschlüssel aus einem kleinen Fach und begutachtete ihn. Nach einigen Sekunden blickte sie wieder auf den Koffer und spielte mit dem Gedanken seine Sachen zu durchwühlen.
Kurz schielte sie zu Havoks Zimmertür, die nach wie vor verschlossen war und auch keine Geräusche schienen davon auszugehen. Sie musste noch schlafen.
Was nicht verwunderlich war. Wenn sie am Abend in einer Bar arbeitete, kam sie sicherlich sehr spät erst heim. Vielleicht fing sie auch das Studium am Morgen sehr spät an. Das konnte Sezuna noch nicht genau sagen.
Nachdenklich betrachtete Sezuna noch einmal den Schlüssel.
Wo Kaden wohl die Nacht über geschlafen hatte?
Sie zuckte die Schultern und entschied sich, ihn suchen zu gehen.
Also zog sie sich Schuhe an und öffnete dann die Tür, um nach draußen in den Flur zu gehen.
Schon, als sie die Türklinke runter drückte, bemerkte sie, dass etwas von draußen an ihre Tür drückte, weshalb sie einen Schritt zurück machte.
Was war das? Augenblicklich bekam sie eine Gänsehaut, als sie an den gestrigen Abend denken musste.
Litt sie nun schon unter Verfolgungswahn?
Sie atmete einmal tief durch. Sie war eine junge, fähige, starke Vampirin!
Mit einem Satz, riss sie die Tür auf, fest entschlossen sich dem zu stellen, als ihr plötzlich ein schlafender, dunkelblonder Haarschopf auf die Füße fiel.
Immer noch im Tiefschlaf blieb Kaden auf ihren Schuhen liegen.
Unweigerlich musste sie daran denken, wie sie früher immer versucht hatte ihn zu wecken. Sie hatte selten jemanden getroffen, der einen solch tiefen Schlaf besaß, wie der Vampir.
Mit einem Grinsen im Gesicht sah sie sich um, ehe sie die Hand hob.
Es kostete sie viel mehr Konzentration und Kraft, als sonst, aber das kleine Glas, in dem sie Wasser hatte, das sie eigentlich zum Tee machen nutzen wollte, erhob sich langsam in die Luft und schwebte auf sie zu.
Sie nahm es in die Hand und vergewisserte sich noch einmal, ob das auch niemand gesehen hatte.
Dinge schweben zu lassen, lernte man in der Schule, doch es fiel nicht jeden gleich leicht. Für Sezuna war es eher ein Mittelding und sie verließ sich nicht so gern auf ihre Magie. Dennoch nutzte sie gerade diese Fähigkeiten sehr gern.
Mit einem zufriedenen Lächeln kippte sie den Inhalt des Glases auf den schlafenden, blonden Mann.
Keuchend schüttelte Kaden desorientiert den Kopf, bis er sich wiederholt über die Augen fuhr, um zu der rothaarigen Vampirin aufzusehen.
Mit Vampir Geschwindigkeit schnellte er hoch und schüttelte seine Haare. Einige Wassertropfen verirrten sich in Sezunas Gesicht.
„Was zum-!“, rief er irritiert aus und fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar, damit ihm die nassen Strähnen nicht im Gesicht kleben blieben. „Warst du das?“
Sezuna versteckte das leere Glas hinter ihrem Rücken. „Nein“, meinte sie unschuldig, aber Kaden spürte eindeutig ihre Belustigung. „Ich hoffe du hast gut geschlafen“, fügte sie mit einem schelmischen Grinsen hinzu, was nur für Kaden reserviert zu sein schien.
Dieser verengte wütend seine Augen und funkelte sie an. Doch Sezuna wusste nur allzu gut, wie sein wütendes Gesicht aussah und wie er aussah, wenn er nur so tat.
Bereits nach einigen Sekunden zerbrach seine Miene und ein unterdrücktes Grinsen schlich sich auf seine Lippen.