Langsam lief Havok die dunkle Straße entlang und schielte möglichst beiläufig zu Lika und Sezuna die neben ihr her liefen.
Nur wenige Straßenlaternen spendeten Licht im Dunkel, da der Himmel größtenteils mit dunklen Wolken verhangen war.
Lika und Sezuna waren bis nach Ladenschluss geblieben und hatten Havok somit angeboten mit ihr zurück zu laufen da sie sowieso dasselbe Ziel hatten.
Welche Frau lief schließlich gerne alleine nachts durch eine gefährliche Straße?
Und die Straßen, durch die sie liefen waren wirklich gefährlich. Aber es war der kürzeste Weg und auch sicherer, als die Hauptstraßen. Denn dort war selbst um diese Uhrzeit ein sehr nervender Verkehr.
Außerdem musste Havok zugeben, dass sie die beiden Frauen mochte. Sie waren keine Schnattermäuler und vor allem Sezuna schien immer erst zu denken, bevor sie sprach. Das war Havok gleich aufgefallen.
Lika währenddessen schien eher schüchtern und vorsichtig. Und sie konnten beide eine ganze Menge trinken. So viel Alkohol wie diese beiden intus hatten, musste Havok ihnen wirklich hoch anrechnen, dass sie noch geradeaus laufen konnten.
Und wenn sich jemand mit Betrunkenen auskannte, dann sie. Schließlich hatte sie schon oft genug Betrunkene aus der Bar torkeln sehen die dann letztendlich doch von einem Krankenwagen abgeholt werden mussten. Doch ihnen schien man es überhaupt nicht anzusehen.
Erleichtert atmete Havok aus als sie bereits das Gelände des Wohnheims sehen konnte und versuchte sich wieder auf das Gespräch der Frauen zu konzentrieren.
„Hey, ihr geilen Schnitten“, erklang eine lallende Stimme und Havok schloss die Augen. Was hatte sie noch gerade über Betrunkene gedacht?
Neugierig, wie ihre beiden Begleitungen reagierten, schielte sie zu Sezuna und Lika.
Lika war stehen geblieben und blickte ein wenig ängstlich zu dem Mann im mittleren Alter. Allerdings nicht lange, denn Sezuna hackte sich bei ihr ein und zog sie mit.
Dieser schien zwar nicht wirklich nachzugeben, doch er stolperte über den minimalen Bürgersteig, als dieser die Straßenweite wechseln wollte.
Havok rollte die Augen und beschleunigte ihre Schritte. Ihr war nicht wirklich nach Auseinandersetzungen und auch wenn sie gerne dem Trunkenbold der Stadt dabei zusehen würde, wie er es letztendlich doch schafft den Bürgersteig zu erklimmen so schien sich draußen doch ein Gewitter anzubahnen auf das sie nicht unbedingt warten wollte.
Auch Sezuna schien es ähnlich zu sehen, die Lika mit sich zog: „Komm schon, ich will nicht nass werden“, brummte die Rothaarige und zog Lika mit sich, die noch immer zu dem Betrunken starrte.
Irgendwie hatte sie das Bedürfnis ihm zu helfen.
Einzelne Regentropfen lösten sich aus dem dunklen Himmel und begannen die Straße zu bedecken. Schnell wurde der Regen stärker, so dass Havok letztendlich doch ihre Tasche über den Kopf hob und die letzten Schritte zur überdachten Haustür des Wohnheims joggte.
Auch Lika und Sezuna begannen zu rennen, nur waren diese komplett durchnässt, als sie ankamen. Anders als Havok, hatten sie keine Taschen dabei, die sie halbwegs schützten.
Nun klebte ihr langes Haar an ihren Rücken und Likas weiße Bluse zeigte deutlich ihren himmelblauen BH.
„Was für ein Sauwetter“, murmelte Sezuna und wrang ihre Haare aus, während sie Havok und Lika zu ihren Wohnungen folgte.
Sie fragte sich, ob Kaden wieder vor den Türen warten würde, oder ob er eine andere Schlafgelegenheit gefunden hatte.
Eventuell sollte Sezuna den Schlüssel einfach als gefunden beim Hausmeister abgeben.
Doch als die Frauen den gewünschten Flur erreichten, war dort kein Kaden zu sehen. Sezuna kam hinter Havok zum Stehen und sah sich noch einige Sekunden in dem langen Flur um und schielte zu Kadens Zimmertür. Sie hatte noch nie jemanden aus dieser Tür rein oder rauskommen sehen... vielleicht hatte ja auch noch niemand die Wohnnug bezogen.
Vor ihr schloss Havok deren Wohnung auf und öffnete die Tür. Erleichtert warf Havok ihre Tasche zur Seite und ging in die gemeinsame Küche.
Sezuna drehte sich zu Lika um, die vor ihrer Tür stand und dieser den Rücken zukehrte.
„Möchtest du noch mit rein kommen?“, fragte Sezuna auffordernd mit einem aufmunternden Lächeln.
„Ich geh mich eben trocknen und komm dann rüber?“, sagte Lika, auch wenn es eher fragend klang, als wirklich selbstsicher.
„Ja klar“, meinte Sezuna mit einem Lächeln und warf Lika einen Schlüssel zu. Sie hatte ihre eigene Zimmertür nicht abgeschlossen, so dass sie den Schlüssel im Moment nicht brauchte. So musste Lika nicht klingeln.
„Danke“, damit wandte sie sich ihrer Zimmertür zu und kramte den Schlüssel aus ihrer Tasche.
Geräuschlos betrat Lika ihre Wohnung, aus Ansgt ihre Mitbewohnerin zu wecken, und bemerkte erst nach einem Blick in den Spiegel, dass sich ihre Bluse in einen durchsichtigen Stoff verwandelt hatte. Mit leicht geröteten Wangen zog sie sich rasch um und überlegte ob eine ausgibige Dusche nicht doch vorteilhafter wäre, entschied sich jedoch dagegen, da sie Sezuna nicht lange warten lassen wollte.
Schließlich hatte sie sich etwas Bequemes angezogen und verließ leise ihre Wohnung wieder, um erneut in eine andere Wohnung reinzugehen.
Sie fand Sezuna, die sich umgezogen und die Haare mit einem Handtuch hochgebunden hatte, und Havok in der Küche am Tisch vor, wie sie sich leise unterhielten.
Vorsichtig trat die Blauhaarige ein und schloss die Tür hinter sich, um den Schlüssel auf den Küchentresen abzulegen.
Sie wusste nicht über was sie sich unterhielten, dennoch setzte sie sich etwas zögerlich in die Runde.
Die drei jungen Frauen waren gerade in eine Kartenspielrunde vertieft, als es an der Tür klopfte.
Sezuna runzelte etwas die Stirn, legte ihre Karten verkehrtherum auf den Tisch und erhob sich, um an die Tür zu gehen.
Havok, die um diese Uhrzeit nie Besuch bekam, zog verwundert eine Augenbraue in die Höhe.
Lika die dagegen vollkommen in ihre Karten vertieft war schein das Klopfen nicht mal gehört zu haben, doch sie hob letztlich doch den Kopf, als Sezuna die Tür öffnete.
Orion hatte sich mit dem rechten Unterarm an dem Türrahmen abgestützt und schien ungeduldig auf die Tür gewartet zu haben. Er hob den Blick, als er die Vampirin hinter der Tür entdeckte. Beinahe schon automatisch schweifte sein Blick hinter sie und entdeckte Lika die ihn ungläubig anstarrte und Havok deren Blick nicht wirklich zu deuten war.
Kurz vergrößerten sich seine Augen, als er die Blauhaarige entdeckte. Er hatte nicht damit gerechnet Lika hier anzutreffen. Vielmehr ging er davon aus, dass sie bereits im Bett liegen würde oder vielleicht höchstens an irgendwas rumschraubte.
Mit dem Kopf deutete Orion Sezuna ein Stück raus zu treten.
„Können wir kurz reden?“, flüsterte er und wich ihrem goldenen Blick aus.
„Ja natürlich“, damit trat sie zu Orion heraus und zog die Tür zu, dass sie nur noch einen Spalt offen stand. Sie wollte sie nicht ganz schließen, weil sie den Schlüssel nicht dabei hatte. Auch wenn es egal wäre, weil Lika, oder Havok ihr öffnen konnten, wenn sie klopfte.
„Was gibt es?“, wollte sie neugierig, wie immer, wissen.
Dass Orion um diese Zeit an ihrer Tür klopfte, konnte nur bedeuten, dass er sich wegen ihrer Aufgabe mit ihr unterhalten wollte. So gut konnte sie den Werwolf mittlerweile schon einschätzen.
„Kaden hat eingewilligt... wegen der Sache mit dieser Alex. Er sagte aber, dass er wegen uns in ein schlechtes Licht gerückt wurde und will, dass wir rausfinden auf welchen Typ Alexa steht. Das ist seine Bedingung, wie er so schön gesagt hatte“, erklärte der Werwolf und vermied es dabei sehnlichst Sezunas Blick zu erwidern.
Ohne ein bestimmtes Ziel sahen sich seine Augen in dem Flur um, während er sich abermals über den Nacken rieb.
Sezuna verzog ein wenig den Mund. „Das ist typisch Kaden. Mit sowas hätte ich rechnen müssen. Aber leider hat er recht“, überlegte sie leise. „Durch uns wurde sein erstes Auftreten nicht sonderlich... glanzvoll. Aber wir konnten auch nicht wissen, dass wir Alexa brauchen würden“, murmelte sie weiter und blickte dann zu Orion. „Ich kümmer mich um diese Sache und du versucht das nächste Mal einfach Kaden machen zu lassen.“
Als Sezuna begann zu sprechen glitt sein Blick automatisch zu ihrem, da er es gewohnt war die Leute anzusehen die mit ihm redeten. Er nickte zögernd als sie fertig gesprochen hatte und merkte wie sie sich zum Gehen zurückzog, da sie bereits nach der Türklinke hinter sich griff. Mit einer schnellen Bewegung hielt er Sezuna sanft am Arm zurück.
„Warte“, die Rothaarige drehte sich zurück und sah den Brünetten fragend an.
Eine Weile lag Stille in der Luft, da er scheinbar nicht wirklich wusste was er sagen sollte.
„Ist Kaden bei euch?“, fragte er letztendlich, obwohl es sich eher wie ein Themenwechsel anhörte.
Sezuna realisierte den leicht besorgten Unterton fast sofort und auf ihrer Stirn begannen sich Falten zu bilden. „Nein ist er nicht“, meinte sie langsam und sah Orion fragend an. „Wo genau habt ihr euch denn aus den Augen verloren?“, wollte sie wissen und nutzte automatisch ihre Nase, um Kadens Geruch aufzuspüren.
Sie konnte ihn leicht riechen, doch das lag daran, dass er in diesem Flur übernachtet hatte. Der Geruch war nicht stark genug, als das Kaden in den letzten Stunden hier gewesen sein konnte. Das machte ihr Sorgen.
Orion richtete seinen Blick ins Leere als er anfing nachzudenken.
„Ich weiß nicht genau, ich denke noch in der Bar, bevor Havok in mich reingelaufen ist. Ich dachte auch nur... weil Lika bei dir ist... vielleicht ist er ja auch da. Vermutlich ist er einfach weitergezogen oder sowas in der Art“, winkte Orion ab und bereute es Sezunas Gedanken auf Kaden gelenkt zu haben.
„Das kann schon sein“, murmelte die Rothaarige und schenkte Orion schließlich ein Lächeln. „Danke für die Infos. Jedenfalls gute Nacht“, meinte sie und zog sich nun zurück.
Als sie die Tür geschlossen hatte, atmete sie noch einmal kurz durch, um ihre Gedanken zu sammeln. Dann trat sie an den Tisch heran, nahm ihre Karten aber nicht wieder auf. Stattdessen nahm sie sich ihre Jacke, die noch über dem Stuhl hing. „Ich muss nochmal kurz weg“, erklärte sie an Havok und Lika gerichtet.
Verwundert folgte die Frau mit der Brille Sezunas Bewegungen mit ihren Augen, doch verstand sie nicht so recht was gerade vor sich ging.
Ging sie nun etwa mit Orion weg? Ließ sie sie zurück zusammen mit ihrer blauhaarigen Freundin?
„Alles ok?“, fragte Lika besorgt und setzte dazu an aufzustehen.
„Kann ich noch nicht sagen. Kommt drauf an, ob Kaden wiedermal in irgendwelche Schwierigkeiten geschlittert ist“, meinte sie ein wenig geistesabwesend.
„Wir sehen uns wahrscheinlich morgen. Gute Nacht euch beiden“, damit verließ sie auch schon das Zimmer und machte sich auf die Suche nach Kaden. Vielleicht schaffte sie es irgendwo seinen Geruch aufzuschnappen.
Das Gewitter war inzwischen zu einem Sturm geworden der die ganze Stadt aufwirbelte und Unordnung stiftete.
Vom Wind gepeitscht zog sich die Vampirin mühsam die Kapuze über den Kopf und versuchte kläglich ihre Haare darunter zu bändigen.
Wo konnte dieser Idiot denn nur sein?
Vielleicht war er wirklich weitergezogen.
Vielleicht war er aber auch gerade bei irgendeiner Frau die er aufgerissen hatte.
...Vielleicht aber auch nicht.
Sezuna wusste nicht so genau warum, aber ihr Weg führte sie nicht zur Bar, wo Orion ihn als letztes gesehen hatte, sondern Richtung Hotel.
Es war kaum eine Menschenseele auf den Straßen. Nicht einmal wirklich viele Autos. Was auch gut war, denn die Menschen hatten es wesentlich schwerer als Sezuna, sich gegen den Wind zu wehren. Er war wirklich heftig.
Doch als Sezuna für den Ältesten Rat durch die Welt gereist war und Nachforschungen angestellt hatte, war sie in wesentlich schlimmere Unwetter geraten. Es war wenigstens warm, daher machte ihr der Regen nicht viel.