Leise erhob er sich auch, ehe er in das Zimmer ging, in dem er Sezuna zurückgelassen hatte.
Sie saß im Bett und er konnte ihre katzenhaften, goldenen Augen im leichten Licht, dass von draußen herein schien, leuchten sehen.
Sie suchte langsam die Umgebung ab, schien aber nicht daran interessiert sich zu bewegen.
Er blieb stehen und lehnte sich, immer noch verschlafen, gegen den Türrahmen während er die Arme vor der nackten Brust verschränkte.
Sie war wach kein Zweifel und die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn nicht bemerkt hatte war doch mehr als unwahrscheinlich.
„Ich wollte nicht deine Mitbewohnerin wecken“, erklärte er und bereute es doch sie hier her gebracht zu haben.
Zum Glück hatte er sich dazu entschieden sie nicht auszuziehen.
Das hätte vermutlich mehr als falsch ausgesehen.
Erschrocken zuckte Sezuna zusammen und richtete ihren Blick auf Orion. Die Augen ein wenig geweitet, so als wäre sie erschrocken über seine Anwesenheit.
„Das ist dein Zimmer?“, fragte sie, so als wäre es ihr gar nicht richtig klar.
Aber sie musste doch seinen Geruch wahrnehmen, oder nicht?
Orion musterte sie von oben bis unten und bemerkte das Zittern ihrer Hände, die sich in die Bettdecke verkrallt hatten.
Hatte sie Angst weil er sie in sein Zimmer gebracht hatte? Dachte sie er...
Er trat einige Schritte zurück und drehte sich um.
„Ähm... ja, ich... ich wollte nicht...“, stotterte er unsicher und versuchte ihr ein wenig Raum zu geben. „Tut mir Leid“, seufzte er letztendlich und setzte sich wieder auf die Couch wo er mit dem Rücken zur offenen Tür saß.
Er hörte es rascheln, als sie sich bewegte und schließlich hörte er ihre nackten Füße auf den Boden schlagen.
„Darf ich deine Dusche benutzen?“, fragte sie leise und man hörte ein leichtes Zähneklappern.
Orion drehte ihr einen Blick zu und sah, wie sie am ganzen Körper zitterte.
Obwohl ihre Haut noch immer die Farbe von dunkler Schokolade besaß, war sie doch ein wenig blass um die Nase. Vielleicht war ihr einfach kalt.
Besorgt stand er auf und setzte dazu an zu ihr rüber zu gehen.
„Ist alles ok? Du siehst schrecklich aus.“
Ihre Lippen verzogen sich ein wenig und es erinnerte schwach an ein Lächeln.
„Vampire werden nicht krank“, wiederholte sie mit diesem schiefen Lächeln, das irgendwie nicht ganz passte. „Aber mir ist kalt und eine warme Dusche wäre schön. Ich möchte nicht zu Havok und sie vielleicht wecken. Oder ausgefragt werden“, erklärte sie und wurde immer leiser beim Sprechen, bis Orion seine Ohren richtig spitzen musste, um sie zu verstehen.
Erneut legte Orion eine Hand auf Sezunas Stirn. Sie war immer noch kalt, doch das hieß ja nichts. Viel mehr war es ein gutes Zeichen... vermutete der Werwolf zumindest.
„Ja in Ordnung. Sag Bescheid wenn du was brauchst“, nickte Orion und deutete auf die Badezimmertür und ging zurück ins Wohnzimmer um Wasser für einen Tee aufzusetzen.
Krankheit bei Vampiren hin oder her, Sezuna sah alles andere als gesund aus.
Langsam und vorsichtig bewegte sich Sezuna auf die Tür zu und Orion fragte sich, ob ihre Glieder von der Kälte steif waren, oder sie sich mit Bedacht bewegte, weil sie Schmerzen hatte.
Allerdings fragte er nicht danach und kümmerte sich um den Tee.
Er hörte, wie die Dusche angestellt wurde und entspannte sich ein wenig.
Sie sah zwar nicht sonderlich gut aus, schien sich aber nicht ernsthaft verletzt zu haben.
Benommen stütze sich die Rothaarige an der Wand der Dusche ab und genoss das warme Wasser das ihren Körper hinab floss.
Der gestrige Abend wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen und Kadens Worte die wie Messer in ihrer Brust steckten schienen auch nicht weniger zu schmerzen.
Zögerlich öffnete sie ihre verkrampfte Hand und betrachtete das silberne Blatt, das sie noch immer in dieser hielt.
Es war noch voller Dreck, also hielt sie es mit unter den Strahl und seufzte, als ihr Körper begann zu stechen, weil er für das Wasser einfach zu kalt war.
Es tat eine Weile lang unangenehm weh, doch Sezuna blieb stehen, weil sie wusste, dass sie ihren Körper wieder aufwärmen musste.
Das Blatt an sich schien bereits genug Schmerz auszustrahlen und sie würde es am liebsten in die Luft jagen. Doch es war ein Schmerz den sie nicht loslassen wollte.
Wie ein Masochist drückte sie wie betäubt ihre wieder geschlossene Faust gegen ihre Brust und rief sich das gestrige Gespräch der beiden nochmal ins Gedächtnis.
Sie hätte in seiner Gegenwart nicht wütend werden dürfen, dass wusste sie. Und vielleicht wäre es auch nicht dazu gekommen, hätte sie sich zusammengerissen.
Doch er war selbst schuld. Niemand hatte ihn gezwungen das Armband vor Ihre Füße zu werfen als wäre sie eine räudige Katze die sich auf einen gammligen Fisch stürzte.
Und doch... hatte sie es irgendwie getan...
Sezuna schloss die Augen und versuchte sich mühsam auf das heiße Wasser zu konzentrieren und dieses zu genießen.
Es dauerte wirklich lange, bis sie es schaffte ihre Gedanken wieder zu ordnen und Kaden aus ihrem Kopf zu verbannen.
Sie war geübt darin unwichtige Dinge in ihrem Gedächtnis weit nach hinten zu drängen und das würde sie nun auch mit diesem Gespräch tun. Solange, bis irgendwas diese Erinnerungen wieder aufleben ließ.
Aber bis dahin würde sie versuchen sich mit Ablenkung zu schützen. Etwas anderes blieb ihr kaum übrig.
Sie schreckte zusammen als sie es plötzlich an der Tür klopfen hörte.
„Bist du ok? Du bist schon ziemlich lange da drin“, ertönte Orions tiefe Stimme gedämpft durch die Tür.
Schnell stellte sie das Wasser wieder ab. „Ja...“, rief sie ein wenig überrumpelt. „Ja. Alles in Ordnung“, versicherte sie und trat aus der Dusche, um sich mit einem Handtuch zu trocknen und sich dann ein solches um den Körper zu schlingen. Sie wollte nur ungern ihre nassen Sachen, die über das Waschbecken gehangen hatte, wieder anziehen.
Zum Glück war das Handtuch vorerst lang genug.
So wie sie war, öffnete sie die Tür und blickte zu Orion in die Küche.
Dieser drehte sich instinktiv zu ihr um und wandte schnell wieder den Blick ab.
„Geht's dir besser?“, fragte er ein wenig unsicher und schob eine dampfende Tasse zur Seite, um kurz darauf in sein Zimmer zu verschwinden. Nach einigen Sekunden kam er wieder rein und hielt Sezuna ein großes T-Shirt entgegen.
„Wenn du möchtest. Ich hab dir einen Tee gemacht“, erwähnte er so kurz und knapp wie möglich und schien ihrem Blick auszuweichen.
Sanft lächelnd, so wie er es von ihr gewohnt war, nahm sie mit einem leisen: „Danke“, das T-Shirt entgegen und verschwand noch einmal schnell im Bad.
Da ihr das T-Shirt bis fast zu den Knien reichte, entschied sie sich dieses so zu lassen.
Kurz spielte sie mit dem Gedanken ihre Unterwäsche wenigstens mit dem Föhn zu trocknen, doch es blieb schließlich lediglich bei dem Spitzenhöschen, dass sie sich unter das Shirt zog.
Später, als erwartet, trat Sezuna in seinem T-Shirt wieder aus dem Bad und Orion wusste nicht, wo er als erstes hinsehen sollte. Nur möglichst nicht zu ihr.
Er selbst hatte sich inzwischen auch ein Unterhemd übergezogen um nicht zu viel nackte Haut im Raum zu haben. Er wollte eigentlich etwas Bedeckenderes anziehen, doch dafür war seine momentane Körpertemperatur zu hoch woran Sezuna nicht ganz unschuldig war. Er schob ihre Tasse auf dem Couchtisch von sich weg um ihr zu deuten, dass sie für sie gedacht war und starrte auf sein Handy, während er es schon peinlich berührt hin und her drehte.
„Danke“, erklärte die Rothaarige mit einem Lächeln, dass jedoch ihre Augen nicht berührte.
Sie wirkte noch immer genau so kränklich wie vor der Dusche, doch Orion sagte nichts.
Vampire konnten nicht krank werden. Das waren ihre Worte. Also gab es nicht viel, was er machen konnte.
Sezuna griff nach der Tasse und nahm einen Schluck Tee, ehe sie sich, auf Grund der Wärme, seufzend zurück lehnte.
Er schluckte kurz als sein Blick doch, wenn auch flüchtig, über sie wanderte. Doch sobald er sich dem bewusst wurde, richtete er seinen Blick wieder auf das Handy in seiner Hand und hoffte, dass sie es nicht gemerkt hatte.
„Lika hat mir gesagt das du raus gegangen bist. Sie hat sich Sorgen gemacht. Du solltest sie vielleicht besuchen, sobald es dir wieder besser geht natürlich“, sagte Orion leise und wusste nicht genau über was er reden sollte. Die Stille im Raum schien unangenehm schwer und wollte nicht abnehmen.
„Willst du... mir sagen was passiert ist?“, fragte er vorsichtig, da er sich nicht sicher war, ob es denn nicht noch zu früh war. An sich hatte er auch überhaupt nicht das Recht sich in ihr Leben einzumischen. Unabhängig vom Auftrag.
„Nein“, kam die sehr kalte Antwort zurück und als Orion aufblickte, bemerkte er, dass Sezuna den Blick aus dem Fenster in die Dunkelheit der Nacht gerichtet hatte.
„Ich möchte nicht darüber reden, aber ich werde Lika morgen früh besuchen und ihr versichern, dass alles in Ordnung ist.“
Orion nickte verständnisvoll, auch wenn er sich eingestehen musste, dass er es schon gerne wissen wollte.
Was könnte so schlimm sein, dass es sie so sehr traf?
Er lehnte sich nach vorne und stütze seine Unterarme an den Knien ab, um zu ihr rauf zu sehen.
„Tut mir leid. Es geht mich auch nichts an... aber wenn was sein sollte... dann... naja du weißt schon“, Orion versuchte gedrängt die richtigen Worte zu finden, doch es schien sie gar nicht zu geben. Wieder rieb er sich über den Nacken was eine typische Geste für ihn war, wenn er nervös war.
„Wenn du mir helfen kannst, werde ich zu dir kommen“, erklärte sie und es klang wie ein Versprechen. Aber gleichzeitig sagte sie ihm damit auch, dass es aktuell nichts gab, wobei sie seine Hilfe gebrauchen könnte.
Oder zumindest dachte sie das. Ob er helfen konnte, wusste er jedoch nicht.
Aber so oder so, wollte sie eine Hilfe im Moment scheinbar nicht. Und vielleicht war es auch besser, wenn sie erst einmal ein bisschen Raum zum Atmen hatte.
Sie schien das gerade zu brauchen. Ein wenig Ruhe für die Seele und Orion überlegte sogar seine Wohnung zu verlassen um ihr diesen Freiraum zu geben. Doch wo sollte er hin? Er wollte Lika nicht wecken. Vermutlich sollte er nach Kaden suchen, doch jetzt im Moment war er der letzte, den er jetzt zu Gesicht bekommen wollte. Vermutlich würde er nicht mal mit ihm reden sondern direkt auf ihn einprügeln.
Orion war schon immer schlecht darin sein Temperament zu zügeln. Etwas was sein Vater nie toleriert hatte, was ihn dazu zwang es dennoch zu unterdrücken.