Mit schnellen gezielten Schritten lief Lika zurück in das Gebäude, die bereits auf Kadens Spur war. Der Geruch des Vampirs war so dominant, dass er erst vor kurzem hier gewesen sein musste. Eigentlich sogar, während Sezuna zusammengebrochen war.
Endlich entdeckte sie den dunkelblonden Haarschopf in der Menschenmenge und beschleunigte ihre Schritte, um zu ihm durchzukommen.
„Kaden!“, rief sie und schlüpfte zwischen den letzten paar Studenten hindurch, die sie von ihm trennten.
Sie merkte, wie der Vampir seine Schritte beschleunigte, um ihr vermutlich aus dem Weg zu gehen, doch sie hielt mit ihm Schritt und lief neben ihm her.
Mit rollenden Augen sah er weiter geradeaus und konzentrierte sich auf seinen Weg.
„Was willst du?“, fragte der Vampir sichtlich mies gelaunt.
Sie liefen weg vom Unigelände und so wurde es immer ruhiger.
„Wir brauchen deine Hilfe“, sagte sie und machte keinen Hehl daraus, dass etwas nicht stimmte. Warum auch? „Sezuna ist krank und wir wissen nicht, was sie hat. Wir kennen uns mit eurer Art nicht aus“, sagte sie, aber so, dass es möglichst niemand außer Kaden hörte.
Mithörer war das letzte, was sie brauchten.
Kaden lachte kurz auf, doch es schien nicht wirklich ein Lachen der Freude zu sein. „Wir werden nicht krank. Das liegt einfach nicht in unserer Natur“, gab er kalt zurück und ging nach wie vor mit schnellen Schritten voran, ohne Lika anzusehen.
„Sie ist zusammengebrochen und ihre Temperatur liegt bei über 40 Grad“, sagte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. Kadens Desinteresse was Sezunas Gesundheit betraf, ärgerte sie heftig. Am liebsten würde sie den Typen zusammenschlagen und mitnehmen, doch sie wusste, dass sie kaum eine Chance hatte.
„Natürlich. Weil Vampire auch dafür bekannt sind sich in fleischliche Heizungen zu verwandeln“, flüsterte er bedacht, aber dennoch höhnisch. Was zur Hölle war mit den beiden nur los?
Lika, die spürte, wie egal Kaden Sezuna zu sein schien, blieb einfach stehen. Kaden lief weiter und beachtete sie nicht.
Was sollte sie jetzt tun? Sollte sie beim WeVa anrufen? Oder erst einmal abwarten. Was, wenn Sezuna wirklich ernsthaft krank war? Die Verzweiflung stand ihr wie ins Gesicht geschrieben, ebenso wie ihre Ratlosigkeit.
Aufgebracht raufte sie ihre Haare und machte sich joggend auf den Weg zurück ins Wohnheim, um Orion Bericht zu erstatten. Er würde bestimmt wissen was zu tun war.
Dieser saß noch immer an Sezunas Bett und hatte einen kühlen Lappen auf ihre Stirn gelegt.
Das kannte er von Fieber, wusste aber nicht, ob es bei ihr half.
Als er draußen hörte, wie die Tür geöffnet wurde, erhob er sich.
Wenn Lika mit Kaden zurückkam, wollte er erst einmal besprechen, was los war und Sezuna dabei nicht stören.
Als er jedoch den Raum verließ, fand er eine Lika vor, die selbst für ihn aussah, als würde sie jeden Moment vor Ärger in die Luft gehen.
Verbissen lief Kaden weiter ohne wirklich zu wissen wo er hin wollte.
Ein kranker Vampir?
Das schien so absurd wie ein Werwolf, der sich vor dem Mond fürchtete.
Vermutlich hatte sie einfach einen ihrer Anfälle und lag dabei zu lange in der Sonne.
Überreagieren, schien eine von Likas Stärken zu sein, die sich aber negativ auf Kadens Freizeit auswirkte.
Er hatte nicht umsonst die Vorlesung geschwänzt, um Sezuna aus dem Weg zu gehen, doch nun kam Lika und zwang ihn Sezuna Aufmerksamkeit zu schenken.
Es hatte ihn unglaublich viel Überwindung gekostet sie gestern so alleine stehen zu lassen, doch es schien ihm richtig zu sein. Jedenfalls war es das was er sich einbildete. Aber eigentlich fühlte es sich nicht gut an. Jedes Mal, wenn er auch nur den Ansatz von roten Haaren sah, musste er an sie denken. Jede verdammte Frau, die den Mund auf machte, klang wie Sezuna und jetzt machte sich Sorge in ihm breit.
Was war, wenn Sezuna doch irgendwie krank war?
Kaden schüttelte den Kopf. Nein, das war unmöglich. Es gab keine kranken Vampire!
Er hielt in seinem Lauf inne und konnte den Gedanken merkwürdigerweise nicht mehr loslassen.
Es wäre nichts Neues, das sie sich mal wieder von anderen Vampiren abheben musste. Eine Krankheit wäre da nur eine von vielen Möglichkeiten.
Der Dunkelblonde versuchte verschiedene Möglichkeiten durchzugehen auf dessen Umwege Sezuna vielleicht doch krank sein könnte, doch er kam zu keinem Entschluss.
Das war Sezunas Aufgabe, nicht seine. Antworten zu finden, bevor überhaupt eine Frage entstand.
Sein Körper verspannte sich bei dem Gedanken ins Wohnheim zu gehen und nach dem Rechten zu sehen.
Auch wenn er versuchte weiter geradeaus zu laufen so trugen ihn seine Füße doch wie automatisch zu ihrer Wohnungen und er roch bereits Sezunas Gegenwart im Flur.
Und was er noch roch, ließ seine Laune gleich wieder sinken.
Er roch den Köter, der doch die Frechheit besessen hatte sie in sein Zimmer zu bringen.
Wut machte sich in Kaden breit, doch sie erlosch sofort wieder, als er sich fragte, warum er eigentlich wütend war.
Eigentlich sollte das gut sein, denn so hatte er die Möglichkeit einfach durch eines der Fenster zu schauen. Denn Orions Wohnung lag im Erdgeschoss auf der Seite an der es viel Fläche gab, von der aus man die Leute in den Zimmern beobachten konnte.
Er atmete einmal tief durch, um sich wieder zu beruhigen und machte sich auf den Weg nach draußen, um zum gewünschten Fenster zu gelangen. Mit geraumen Sicherheitsabstand spähte er in ihre Richtung und konnte sehen, dass Lika im Wohnzimmer saß und wohl gerade telefonierte.
Prüfend blickte sich der Vampir einige Male um, um sicher zu gehen, dass ihn niemand sah, während er lautlos in Orions Zimmer einstieg, dessen Fenster zum Glück offen stand.
Nebenbei prüfte er die Wohnung mit seiner Nase, doch abgesehen von seinem allgegenwärtigen Geruch schien er im Moment nicht da zu sein.
Erleichtert wandte er sich nun der bewusstlosen Sezuna zu, die in Orion Bett schlief.
Wie eine Faust trafen ihn Sezunas Gefühle ins Gesicht, die von Panik und Angst gesäumt war.
Er schluckte schwer, als er sich neben Sezuna auf die Bettkante setzte und zögerte.
Vorsichtig legte er eine Hand auf ihren linken Arm und schloss die Augen, um sich zu konzentrieren.
Die Fähigkeit Gefühle zu manipulieren, benutzte er mehr als ungern. Wenn überhaupt nur für die Arbeit, wenn es denn notwendig war. Er beherrschte sie zwar schon recht gut, doch trotzdem kostete ihn es Überwindung diese an Sezuna anzuwenden.
Aber solange die Spitzen ihrer Panik ihn stachen, konnte er nicht feststellen, ob sie wirklich krank war, oder nur einen ihrer Anfälle hatte.
Aber seine Finger, die nur auf ihrem Arm lagen, wurden bereits warm.
Ihre Körpertemperatur war wirklich viel zu hoch und das machte ihm Angst. Auch wenn er nicht genau sagen konnte, ob die Angst von Sezuna stammte, oder von ihm.
Schnell versuchte er sich darauf zu konzentrieren Sezunas Panik einzudämmen und ihre Träume vielleicht zu einigen Besseren zu drehen.
Seine Hand begann Hitze auszustrahlen und ein sanftes Vibrieren in Form von Emotionen glitten in Sezunas Gefühlsregungen. Es dauerte eine Weile, doch nach und nach schien sich Sezunas Körper zu entspannen und auch ihre Gefühle legten sich langsam.
Die Panik machte positiven Gefühlen Platz und auch Kaden musste erleichtert ausatmen.
Jetzt, wo sie recht entspannt im Bett lag, konnte er sie endlich genauer mustern.
Sie war ganz rot im Gesicht und ihr Atem kam stoßweise. Kein sonderlich gutes Zeichen. Dazu kam die Wärme, die er deutlich spürte.
Seufzend fuhr sein Daumen, der auf ihrem Arm lag ihre Haut entlang.
„Du musst dich wirklich immer in den Mittelpunkt stellen was?“, flüsterte er kaum hörbar und beobachtete ihre unregelmäßige Atmung.
Unweigerlich fragte er sich, was sie wohl träumte und wovor sie solche Angst gehabt hatte. Neugierig tastete er erneut nach ihren Gefühlen.
Er wollte gar nicht so tief greifen, doch plötzlich überkam ihn ein Gefühl, dass dafür sorgte, dass sich seine Härchen aufstellten und er am liebsten laut geseufzt hätte.
Es war ein Gefühl von Vertrauen, Zuneigung und vor allem Erregung.
Was auch immer sie träumte, sorgte dafür, dass Kaden Mühe hatte seine eigenen Gefühle zu beherrschen.
Er kniff die Augen zusammen und zog seine Hand weg von ihrem Arm.
*Ich will es gar nicht wissen*, dachte er nur und stand auf, um sich übers Gesicht zu reiben. Im selben Moment hörte er das Klicken der sich öffnenden Tür und blickte Lika ein wenig ertappt an.
„Geht es ihr gut?“, fragte Lika besorgt und Kadens Miene verfinsterte sich.
„So schlecht kann es ihr nicht gehen, wenn sie solche erotischen Träume hat“, meinte er und steckte die Hände in die Taschen. „Ist ja auch egal. Ich war nie hier. Verstanden?“, er wartete nicht auf eine Antwort sondern machte sich mit Vampirgeschwindigkeit aus dem Staub.
Lika stand da, wie bestellt und nicht abgeholt und wusste nicht recht, ob sie sich das Ganze nicht nur eingebildet hatte.
War Kaden wirklich hier gewesen?
Seufzend nahm sie neben Sezuna Platz und nahm ihr den kalten Lappen von der Stirn.
Im selben Moment schien die Rothaarige zu sich zu kommen und blinzelte. „Kaden?“, fragte sie sehr leise, doch Lika entschied nicht darauf einzugehen.
„Oh, Gott sei Dank, du bist wach“, keuchte Lika und wusste nicht genau, ob Sezuna Kaden Geruch vielleicht nicht doch von alleine wahrnahm. Doch diese schien nur gegen die Zimmerdecke zu starren und nicht mal Lika wahrzunehmen.
*...ein erotischer Traum...*, dachte Lika wieder und versuchte Kadens Worte auszublenden.
Sezuna blinzelte und kniff die Augen zusammen, ehe sie schmerzhaft stöhnte.
„Gott tut mein Hals weh“, brachte sie krächzend hervor. „Und mir ist so verdammt kalt. Was ist passiert?“, fragte sie und kuschelte sich in die Decke.
Sie nahm weder Orions, noch Kadens Geruch wahr, weil ihre Nase komplett dicht war. Was man ihrer Stimme auch anhörte.
Lika musste, bei dem Klang von Sezunas Stimme kichern, doch das wurde gleich wieder von ihrer Besorgnis abgelöst.
„Mach dir keine Sorgen. Orion ist losgegangen um den WeVa zu kontaktieren. Ich habe eben noch mit ihm geredet“, flüsterte Lika behutsam, da sie Sezuna nicht stressen wollte. Vorsichtig legte sie den Lappen, ausgespült und kühl wieder auf ihre Stirn, um sie zu beruhigen.
„Ich... Ich versteh das nicht. Vampire werden nicht krank. Das ist unlogisch“, meinte sie und klang völlig verstört.
Unlogische Dinge, oder Dinge, die sich nicht nachvollziehen ließen, brachten Sezuna dazu völlig zu verzweifeln. Deshalb hatte sie auch Angst vor Geistern. Zumindest, bis sie eine Erklärung zu diesen erhalten hatte, die es logisch erscheinen ließen, dass diese existierten, sich nur nicht zeigten.
„Wir sind hier auf der Erde“, versuchte Lika es ruhig, um sie zu beschwichtigen. „Vielleicht gelten hier andere Regeln.“