Sezunas indes hatte es geschafft Kadens Geruch aufzuschnappen und folgte diesem nun durch die Stadt.
Kaden war schon einen langen Weg gelaufen und so fand sich Sezuna schließlich in einer sehr belebten Mode-Straße wieder.
Zielsicher bog sie in eine volle Straße ein, auf der eine Fahrzeugsperre war. Die Wege wurden immer voller und Sezuna hörte laute Musik, die jedoch nicht an die Lautstärke der Gespräche der Leute reichte.
Außerdem tauchten in den Straßen überall die seltsamsten Buden auf.
Zuckerwatte, Kuscheltiere, eine Losbude, Zielschießen und andere Stände.
Auf Sezunas Lippen bildete sich ein Lächeln. Eine Kleinmesse. Davon hatte sie gelesen und es unterschied sich kaum von denen, die sie zuhause hatten.
Das war schön. Sie war schon sehr lange nicht mehr auf einer solchen gewesen.
Vielleicht sollte sie Kaden doch nicht weiter suchen und die Umgebung genießen?
Nein, das konnte warten.
Immerhin war er hier definitiv irgendwo in der Nähe, wie Sezuna deutlich schnuppern konnte.
Sie folgte weiter der Menschenmasse.
Auch wenn sie nicht so recht wusste, wie oder was sie ihm sagen sollte, so wusste sie dennoch, dass es lange hinfällig war.
Zum einen die Sache mit den Briefen. Und zum anderen wäre da ja noch diese Sache mit ihren Träumen.
Vielleicht waren diese ja auch nur ein Nebeneffekt von ihrer Krankheit?
Sezuna wusste es nicht, doch sie wusste, dass sie heute die Sache mit den Briefen klären würde.
Diese konnte sie ihm geben, ohne dass es wieder in einem Drama endete. Das hoffte sie zumindest.
Die andere Sache... Nun, die würde sie später vielleicht ansprechen, oder sie verschweigen. Sie wusste noch nicht genau.
Irritiert blieb Sezuna stehen und blickte in einen Seitenweg, der eine andere, reichlich besuchte Straße mit dieser verbannt. Dort war Kaden hindurch gegangen.
Sie folgte der Witterung des Vampirs und schlängelte sich zwischen den zahlreichen Besuchern umher. Es schien immer voller zu werden, je mehr sich die Sonne dem Westen zuwandte.
Zimt Geruch stieg ihr in die Nase und sie vernahm auch mehrere kleinere Knallgeräusche.
Sie hielt inne als sie den Ursprung entdeckte.
Da war er.
Kaden zielte mit einem Gewehr an einem Schießstand bis er abdrückte und nachlud.
Sezuna blieb in ausreichender Entfernung stehen, was die anderen Besucher gar nicht gut fanden. Sie wurde mehrere Male angerempelt, doch Sezuna störte sich wenig daran. Sie war es nicht, die davon blaue Flecke davontragen würde.
Ihr goldener Blick lag auf Kaden, der zielsicher alles abräumte.
Nachdenklich runzelte sie die Stirn, während sie den Blonden betrachtete.
Irgendwie hatte sie sich das leichter vorgestellt.
Sie überlegte, ob ihr Gehirn ihr das als Traum verkaufen würde, doch die Einbildung schien hier keinen Platz zu finden.
Wieder ein Schuss nachdem Kaden nachlud.
Sie erinnerte sich daran, dass Kaden nie wirklich der Typ für Messer oder sonstiges war, doch mit Schusswaffen konnte er schon weitaus mehr anfangen.
Nun ja... mit Wasserpistolen jedenfalls.
Schließlich hatte sie nie Gelegenheit ihn mit einer richtigen Waffe zu sehen.
Nur das eine Mal, als Kaden Ruvik weiß machen konnte er wäre Meister im Messer werfen.
So naiv wie Ruvik schon immer war glaubte er ihm natürlich.
Sein Glück, dass er ein Vampir war sonst hätte er vermutlich immer noch eine Narbe in seiner Schulter.
Sezuna atmete tief durch und wartete, bis Kaden fertig geschossen hatte, dann lief sie auf ihm zu. Sie war sich fast sicher, dass er sie schon längst gerochen, oder anderweitig gespürt hatte.
Trotzdem rief sie seinen Namen, wenn auch weniger laut, als andere und mit leicht zitternder Stimme.
Dieser drehte sich direkt zu ihr um, was sie ein wenig überraschte. Sie hatte um ehrlich zu sein erwartet, dass er sie ignorieren würde.
Zuerst blickte er ihr überrascht entgegen, während sie auf ihn zu lief, doch das wurde schnell von einem strahlenden Lächeln abgelöst.
Sezunas Herz schlug bei diesem Anblick schneller, doch sie ließ sich nichts anmerken.
„Hey. Seit wann bist du denn wieder da?", fragte er munter und legte das Gewehr auf dem Tisch ab.
Sezuna musste sich zwingen ihn nicht mit offenem Mund anzustarren. „Seit etwa einer Stunde", erklärte sie und analysierte Kaden nachdenklich.
Etwas an ihm stimmte nicht, da war sie sich ziemlich sicher. Aber genauso sicher war sie, dass es sich um den echten Kaden handelte.
Also zog sie aus ihrer Tasche zwei Briefe. „Die hat deine Mutter vergessen dir zu geben. Sie sind schon älter", erklärte sie langsam. Sie log ihn ja nicht direkt an, aber die Wahrheit erzählte sie ihm mal wieder nicht.
Lachend nahm Kaden die Briefe entgegen und packte sie in seine hintere Hosentasche.
„Ja, sie hat mir erzählt, dass du da warst. Ein Wunder, dass sie dich wieder hat gehen lassen", lachte Kaden glücklich und wandte sich zu dem Besitzer des Standes.
„Was soll's sein?", fragte er und sah ein wenig verärgert darüber aus, dass Kaden so viele Punkte geschossen hatte.
Lächelnd drehte der Vampir sein Gesicht zu Sezuna, um sie zu mustern.
„Die Dame darf sich was aussuchen."
Sezuna blinzelte und blickte auf Kadens Punkte.
Anerkennend stieß sie einen leisen Pfiff aus. Sie konnte sich wirklich alles aussuchen.
Ihr Blick glitt über die Preise und zu einer Drachenfigur, die eine Kugel in der Klaue hatte.
„Die da", erklärte sie, weil sie spürte, dass in der Kugel ein magisches Artefakt verborgen lag.
Nicht sonderlich begeistert packte der Standbesitzer ihr das Gewünschte ein und überreichte es ihr.
„Danke", strahlte Sezuna nun ihrerseits Kaden an und hielt die Figur vorsichtig fest.
Langsam setzten sich die beiden in Bewegung, während Sezuna das Geschenk begutachtete.
Trotz der Ablenkung spürte sie jedoch Kadens Blick zu ihrer linken auf sich ruhen.
Sie drehte sich ebenfalls zu ihm, worauf er anfing zu lächeln.
Natürlich konnte sie sich jetzt wundern, weshalb Kaden wohl überhaupt nicht mehr sauer auf sie war, doch vielleicht war ihm auch einfach klar geworden wie sehr er sie verletzt hatte.
Andererseits... wollte sie es vermutlich auch gar nicht wissen.
Kadens gute Laune war ansteckend, auch wenn sie für Sezuna einen beißenden Nachgeschmack hatte. Das war nicht Kadens Art, doch sie entschied sich darüber nicht den Kopf zu zerbrechen und lieber die Atmosphäre zu genießen und die Tatsache, dass sie ihren Freund wieder hatte. Auch wenn es vielleicht nur für ein paar Stunden war.
„Oh. Zuckerwatte", bemerkte Sezuna und blickte die riesige, rosafarbene Zuckerwatte mit großen Augen an. Sie liebte Zuckerwatte, auch wenn Kaden sie früher damit gerne aufgezogen hatte.
„Willst du welche?", fragte er, doch er wartete nicht auf eine Antwort, sondern orderte gleich eine riesige Portion, die er Sezuna in die Hand drückte, ehe er bezahlte.
Diese wirkte ein wenig unschlüssig, ehe sie grinste. „Danke", strahlte sie und zupfte sich ein Stückchen ab.
Kaden musste grinsen. „Aber versuch dir das Zeug nicht wieder in die Haare zu schmieren", feixte er und Sezuna gab einen schnaubenden Ton von sich.
„Ich bin mittlerweile alt genug, um auf zu passen."
Kaden lachte leise
„Werden wir ja sehen", murmelte er und musterte sie wieder nachdenklich, aber dennoch irgendwie glücklich von der Seite. Nach einigen Bissen wandte sich Sezuna stirnrunzelnd zu Kaden.
„Was ist?", fragte sie ein wenig unsicher, da sie sich beobachtet fühlte.
„Nichts. Ich überlege nur", entgegnete er und lächelte sie weiterhin an.
Sezuna zog die Stirn erneut kraus. „Ach so? Und über was?", wollte sie wissen. Als würde sie sich mit einem ‚Nichts' abspeisen lassen. Soweit kam es noch!
Außerdem war sie verdammt neugierig. Bereute jedoch, dass sie gefragt hatte. Wenn sie damit jetzt die Stimmung ruinierte, würde sie sich ewig darüber ärgern.
Doch er zuckte nur die Schultern und richtete seinen Blick wieder geradeaus, um entgegenkommenden Passanten auszuweichen.
„Über dich... mich... uns", erwähnte er beinahe schon, als wäre nichts Besonderes dabei und beobachtete einige Kinder dabei, wie sie sich mit gefärbten Puder bewarfen.
Sezuna hielt in der Bewegung inne und die Zuckerwatte in ihren Händen wurde langsam wieder zu Zucker, doch das interessierte sie nicht. Stattdessen kniff sie die Augen ein wenig zusammen und musterte Kaden.
„Und ist schon was dabei rausgekommen?", wollte sie vorsichtig wissen.
Kaden hielt ebenfalls an und drehte sich zu ihr um, als er merkte dass sie angehalten hatte.
„Wieso guckst du denn so misstrauisch?", fragte er lachend und deutete ihr mit dem Kopf mit ihm zu laufen.
Sezuna hob eine Augenbraue. Das hieß dann wohl nein.
Konnte man nichts machen. Also setzte sich Sezuna wieder in Bewegung und folgte Kaden weiter durch die Menge. „Wo willst du hin?", fragte sie neugierig.
Kaden lachte leise.
„Kommt drauf an. Hast du immer noch Höhenangst?", fragte er und sah Sezuna an.
Diese wandte den Kopf um, als sie das große Riesenrad vor sich entdeckte und musste schlucken.
„Ja, natürlich", stammelte sie, war aber trotzdem neugierig. Sie stellte sich zwar immer an, wenn sie ein Riesenrad bestieg, aber der Ausblick war immer wundervoll.
„Wir müssen nicht, wenn du nicht willst. Wenn du paranoid wirst kann ich es selbst nicht mal genießen", gab er mit einem Lachen zurück, was die Situation ein wenig entschärfte. „Aber solltest du doch wollen, werde ich dich auch beruhigen wenn du möchtest", fügte er hinzu und lächelte Sezuna wieder warm an.
„Hast du dein Gedächtnis verloren, oder so?", rutschte es Sezuna heraus und Kaden lachte.
„Wieso?"
Die Rothaarige schüttelte den Kopf. „Ach nichts, vergiss es. Los, lass uns fahren."
Anstatt auf Sezunas Sinneswandel einzugehen, lächelte der Vampir nur und stellte sich mit ihr gemeinsam in die Schlange.
Es dauerte nicht lange bis sie einen Wagon betreten konnten und sich das Rad ruckelnd in Bewegung setzte.
Sofort krallte sich Sezuna an das erst Beste, dass sie fand und versuchte ihr Herz wieder zu beruhigen. Der Anfang war immer am schlimmsten. Später, wenn sie oben waren, konnte sie die Aussicht genießen. Jetzt hingegen ging ihr einiges durch den Kopf, was ihr sagte, dass das Riesenrad nicht mehr das Neuste war.
„Alles okay?", fragte Kaden ruhig und bot Sezuna seine Hand an.
Auch wenn sie nicht wirklich wusste, was es damit auf sich hatte.
Was war nur los mit ihm?
Er schien wie ausgewechselt.
„Ich denke", murmelte sie und war sich sicher, dass Kaden ihre Angst spürte.
Und weil er ihr die Hand schon hinhielt, ergriff sie diese und hielt sich daran fest, während sie versuchte etwas zu finden, dass sie ablenken konnte.
Dass das Rad immer wieder anhielt und dann kurz weiter fuhr, machte es nicht besser. Aber die Leute mussten ja irgendwie einsteigen.
Langsam atmete sie durch und fühlte eine wohlige Wärme in sich aufkommen.
Obwohl die Angst immer noch da war und sie beeinflusste, so nahm ihre Anspannung deutlich ab.
Sie lockerte ihren Griff, um die Stange hinter ihr, ließ aber dennoch nicht los.
Ihr Blick glitt zu Kaden, der lächelte, als wäre nichts.
Sezuna schluckte. Wenn sie das richtig sah, dann hatte er gerade irgendwas mit ihren Gefühlen gemacht. Oder täuschte sie sich?
Nein, sie konnte die Magie in der Luft spüren.