„Danke", murmelte Sezuna. „Aber mir reicht die Couch. Ich möchte nicht unbedingt schlafen", gestand sie zögerlich.
Orion blieb abwartend sitzen und musterte Sezuna mit einem bedenklichen Blick.
„Was genau... hattet ihr denn zu klären?", fragte er und versuchte den einnehmenden Geruch von Sezunas Hormonen zu ignorieren.
„Ich war bei seiner Familie untergebracht und ich hatte einige Dinge, die ich abliefern sollte. Und eigentlich wollte ich unser kleines Problem klären, aber... Ach Kaden ist einfach ein Idiot", meinte sie, wobei sie das letzte eher resigniert sagte.
Orion musste bei diesem plötzlichen Wechsel ihrer Beschreibungen lachen.
„Da will ich dir nicht widersprechen", entgegnete er und verschränkte die Arme. „Du bist keine 24 Stunden zurück und schon hat er wieder Mist gebaut. Scheint selbst für ihn ein neuer Rekord zu sein."
Sezuna seufzte. „Nein eigentlich ist es kein neuer Rekord. Zumindest wenn man die Vergangenheit betrachtet. Ich hab ihn in einem vermeintlich sicheren Gebiet zurück gelassen, um was zu erledigen und keine fünf Minuten, nachdem ich ihn zurückgelassen habe, rief er an, er hätte Probleme und bräuchte Hilfe", erklärte Sezuna und musste leicht lächeln, als sie an die Vergangenheit denken musste.
Er schaffte es wirklich immer sich irgendwie in Schwierigkeiten zu bringen.
Selbst in einer Gegend, wo nichts war, würde er es schaffen etwas kaputt zu machen.
So wie er eben den Moment zwischen den beiden kaputt gemacht hatte.
Ja... das konnte er wirklich gut.
„Ein Wunder, dass er es überhaupt so weit im Ältesten Rat gebracht hat", gab Orion zu bedenken.
Obwohl er am liebsten das Thema mit Kaden abschließen würde.
Er würde sich wohl nie mit dem Vampir abfinden.
„Na ja, er hat auch seine Vorteile", meinte Sezuna nüchtern. „Sie sind zwar etwas verschüttet, aber manchmal kommen sie doch ans Licht", gab sie von sich. Das zwar eher unerfreut, weil es sie wieder daran erinnerte, warum sie Kaden eigentlich so gern hatte.
„Glaubst du eigentlich, dass die Bibliothek noch offen hat?", wollte Sezuna wissen und wechselte ganz plötzlich das Thema.
Sie selbst wollte aber lediglich ein wenig Ablenkung und die bekam sie am besten durch Bücher.
Der Werwolf zuckte lediglich die Schulter, bevor er sich einmal übers Gesicht fuhr bis über seine Haare.
„Denke schon. Wieso?"
Sezuna zog ein wenig die Augen zusammen und blickte zum Fenster hinaus. „Es ist mitten in der Nacht. Ich halte dich vom Schlafen ab. Vielleicht sollte ich einfach in die Bibliothek gehen und lesen", murmelte sie und ärgerte sich, dass sie das nicht schon vorher entschieden hatte. Obwohl sie auch ziemlich müde war. Was sie durch ein leises, vorsichtiges Gähnen auch zum Ausdruck brachte, ohne dass sie es wollte.
Orions Mundwinkel zuckten bei dem Gähnen, das Sezuna versuchte zu verstecken.
„Das stimmt nicht, du störst nie. Leg dich lieber ins Bett, bevor du hier noch zusammenklappst. Wäre zwar nicht das erst Mal, dass ich dich ins Bett tragen muss, aber ich denke, es wäre dir vermutlich lieber, wenn du es selbst tust", gab er zurück, während er sich auf die Couch hinlegte und die Arme hinter dem Kopf verschränkte.
„Lass mich auf der Couch schlafen, ich möchte dich nicht aus deinem eigenen Bett verscheuchen. Nicht schon wieder", murmelte Sezuna, obwohl sie wusste, dass es wenig Sinn hatte. Orion war nun einmal durch und durch Gentlemen. Wobei sie auch nicht glaubte, dass Kaden sie auf der Couch hätte schlafen lassen.
Andererseits konnte sie sich dem auch nicht sicher sein.
Allein der Gedanke in Kadens Nähe zu schlafen löste in Sezuna ein wohliges aber auch ein übles Gefühl aus.
Sie legte sich ihre Arme um den Bauch und versuchte den Gedanken an Kaden wieder zu verdrängen.
Wann war die Beziehung zu Kaden so kompliziert geworden?
Man verliebte sich doch nicht einfach so über Nacht...
Doch eine Laune, wie Kaden es beschrieben hatte, war es auch nicht.
Sie war schließlich nicht mehr in der Pubertät.
„Du bist zu müde, um mit mir zu diskutieren. Leg dich einfach hin und melde dich, wenn du was brauchst. In Ordnung?", riss Orion sie wieder aus ihren Gedanken, wofür sie sogar recht dankbar war.
Die Rothaarige seufzte schicksalsergeben. Orion hatte Recht. Sie war zu müde, um mit ihm zu diskutieren.
„Danke", murmelte sie und trat in sein Zimmer, ehe sie sich auszog und unter seine Bettdecke huschte. Der ganze Tag war sehr, sehr komisch gewesen.
Verschlafen spitzte Orion sich das Wasser von Waschbecken ins Gesicht, um wieder zu Bewusstsein zu kommen.
Der Schlaf wollte ihm seit Tagen nicht recht gelingen.
Doch die Nacht verlief überraschenderweise angenehmer, obwohl er auf dem Sofa geschlafen hatte.
Er steckte sich noch einmal, als er vorsichtig die Tür zu seinem Schlafzimmer öffnete, um ins dunkle Zimmer zu treten.
Er vernahm ein Murmeln von Sezuna, die sich wohl an den Lichtstrahlen störte, die durch die Tür schienen.
Schnell nahm er sich einige frische Klamotten aus dem Kleiderschrank, um duschen zu gehen.
Er hielt vor dem Bett inne, als sein Blick auf die Uhr fiel.
Es war bereits Mittag, doch obwohl es Wochenende war, hatten sie viel zu tun jetzt wo Sezuna wieder da war.
Langsam ging er an die Bettseite an der Sezuna sich niedergelassen hatte und stieß bereits gegen ein Kissen und die Decke die halb auf dem Boden lag.
Sie hatte wohl einen ziemlich unruhigen Schlaf.
Noch immer ein wenig benommen packte er Sezunas Schulter, um sie aufzuwecken, als er bemerkte, dass diese nackt war.
Instinktiv betrachtete er Sezuna genauer, als ihm auffiel, dass nicht nur ihre Schulter entkleidet war.
Orion war so überrascht, dass er ihre entblößten Brüste, mehr als einen Moment lang anstarrte.
Er hatte noch nie gehört, dass Frauen in fremden Betten komplett nackt schliefen. Das verwirrte ihn. Und die Tatsache, dass Sezunas dunkle Haut so seidig aussah.
Er verpasste sich eine mentale Ohrfeige, als er die Augen schloss und sich abwandte.
Er schluckte und spielte sogar mit dem Gedanken die Wohnung zu verlassen, bis sie aufgestanden war, entschied sich aber dagegen.
Er senkte die grünen Augen auf den Boden und hob letztlich die Decke auf um sie über Sezuna zu legen.
So würde sie wenigstens nicht auf die Idee kommen, dass er gespannt hatte. Was er nicht einmal absichtlich getan hatte!
Bei dem zusätzlichen Gewicht schien Sezuna wach zu werden. Zumindest bewegte sie sich ein wenig und gab murrende Laute von sich.
Fast schon paranoid schlich sich Orion zurück ins Wohnzimmer und lehnte die Tür an.
Er konnte nur hoffen, dass sie früher oder später von alleine aufwachen würde, denn er würde da nicht nochmal rein gehen...
Vielleicht sollte er absichtlich ein wenig Lärm machen, um sie 'ausversehen' zu wecken?
Sezuna indes ließ die Augen geschlossen und lauschte auf die Schritte. Es hätte nicht den Geruch bedurft den Orion verströmte. Sie konnte ihn auch so gut erkennen. Seine Schritte waren unverkennbar. Zumindest für einen Vampir.
Als er das Zimmer verlassen hatte, erhob sie sich, um sich anzukleiden und nur wenig später mit einem schüchternen: „Guten Morgen", die Tür zu öffnen.
Orion, der gerade ins Badezimmer gehen wollte, schreckte zusammen und drehte sich im Türrahmen zu ihr um.
Fast schon ohne dass er es merkte fiel sein Blick direkt auf ihr Dekolleté, doch noch im selben Sekunden Bruchteil kniff er die Augen zu und sah auf seine Füße.
„Ähm-ja-guten... morgen. Hast du gut... geschlafen?", fragte er ein wenig hektisch, während er vor sich hin stotterte.
Sezuna lachte ein wenig leise. „Tut mir leid wenn ich dich durcheinander bringe", sagte sie leise, „Und danke, ich habe echt gut geschlagen."
Nervös trat er von einem Fuß auf den anderen, als er tief durchatmete und sich zwang sie anzusehen.
„Was? Nein alles gut. Du bringst mich nicht durcheinander. Wenn du was essen möchtest, die Küche steht dir frei zur Verfügung. Ich komm dann später zu dir, okay?" Ohne auf eine Antwort zu warten schloss Orion die Badezimmertür und lehnte sich erleichtert dagegen.
Jedoch hielt die Erleichterung nicht lange, als ihm bewusst wurde wie peinlich er sich eigentlich verhalten hatte.
Sezuna ignorierte sein peinliches Verhalten und trat in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Nachdenklich besah sie sich das Innenleben und holte Eier und Milch hervor. Irgendwo fand sie noch Zucker und Mehl und damit begann sie Pancakes zum Frühstück vorzubereiten.
Es dauerte nicht lange, da verklang das Geräusch der eingeschalteten Dusche und wenig später trat Orion auch schon angezogen und mit nassen Haaren heraus.
Er nahm einige tiefe Atemzüge, als er zu ihr rüber ging und sie dann jedoch stirnrunzelnd musterte.
„Was machst du da?", fragte er und wusste nicht recht was er machen oder sagen sollte.
„Frühstück", erklärte sie fröhlich. „Man nennt es Pancakes", sagte sie und schenkte ihm ein Lächeln.
Mit einem Zögern erwiderte er ihr Lächeln, doch es schien ihm immer noch unangenehm zu sein, Sezuna überhaupt normal anzusehen.
*Reiß dich zusammen, sie ist doch nur eine Frau!*, mahnte sich Orion innerlich und räusperte sich.
„Du musst kein Frühstück machen. Du bist schließlich mein Gast", versuchte er halbwegs gefangen zu erklären und trat neben die kleine Rothaarige.
„Ich koche gerne. Das ist der Dank, dass ich hier schlafen durfte", sagte sie und begann leise zu summen.
Der Werwolf zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe, wagte es jedoch nicht der Vampirin zu widersprechen.
Schließlich holte Sezuna die fertigen Pancakes aus der Pfanne und nahm sich zwei Teller um diese auf den Tisch zu platzieren. „Lass es dir schmecken", verkündete sie zufrieden.
Seufzend ließ sich Orion auf einen der Stühle nieder und begann die Pancakes zu zerschneiden.
Er hatte zwar nicht großartigen Hunger, doch er wollte Sezunas freundliche Geste dennoch nicht ablehnen.
„Schmeckt gut", gab er nach dem ersten Bissen von sich und es war auch nicht gelogen. Er ließ den Blick einige Sekunden auf Sezuna gerichtet, bis er sich zwang wegzusehen.
Er seufzte erneut, als er auf einmal wieder das Bild von Sezuna und Kaden vor Augen hatte, die Gott weiß was taten.
Schnell trank er einen Schluck Kaffee und versuchte das Bild zu vergessen, das sich quälend in seine Netzhaut brannte.
„Hast du dir den Talisman schon angesehen?", versuchte er mit rauer Stimme das Thema in eine angenehme Richtung zu lenken, um sich abzulenken und aß weiter.
„Nein, ich wollte Lika nicht wecken und Kaden war mal wieder ein sprudelnder Quell der Unwissenheit", gab sie von sich und schob sich ein Stück Pancake in den Mund. Sie kaute langsam und schluckte, während ihr Blick katzenhaft auf Orion ruhte.
„Er wollte mir nicht einmal erklären, wie der Talisman genau aussieht", fügte sie hinzu, sagte aber nicht, dass sie annahm, dass Kaden diesen Talisman noch immer besaß und sogar nutzte.
Wieder wich der Werwolfs Sezunas Blick aus, als er wieder drohte sie nackt vor sich zu sehen.
„Weiß Lika denn schon, dass du wieder da bist?", fragte er und ließ es nicht nochmal drauf ankommen die Vampirin anzusehen.
Ob sie was gemerkt hatte? Er hoffte jedenfalls, dass dem nicht so war.
„Ja, ich habe sie als erstes getroffen. Sie war im Cafe. Allerdings hab ich nur Hallo gesagt und mich dann auf die Jagd begeben", erklärte sie und meinte damit, dass sie nach Kaden gejagt hatte. Der sich leichter hatte fangen lassen, als normalerweise. Was verwunderlich war. Aber nicht, wenn man es mit dem Hintergrund betrachtete, dass der Abend bei Kadens Eltern kein Traum gewesen war und Kaden natürlich Antworten wollte.
Antworten, die Sezuna ihm nicht geben konnte.
„Mit Jagd meinst du... Hunger?", fragte er etwas vorsichtig und nahm einen weiteren Bissen.
Sezuna starrte abwesend auf ihren Teller, während sie die gestrigen Ereignisse nochmal mental durchging.
Hätte er nur seinen Mund gehalten... dann wäre der Abend vollkommen anders verlaufen.
Es hätte alles geändert und sie würde jetzt gerade vermutlich mit Kaden am Frühstückstisch sitzen. Vielleicht wäre sie auch immer noch im Bett gewesen. Etwas, dass sie wohl nie herausfinden würde. Es sei denn, der Idiot würde endlich anfangen zu denken, bevor er sprach.
‚Das hier ist nur passiert, weil wir beide zu viel intus haben', hatte er gesagt...
Ja, vielleicht stimmte das, aber das hieß noch lange nicht, dass es Falsch war.
Ob er wohl schon wach war?
Sezuna war in Gedanken, nahm aber Orions Frage wahr und beantwortete sie auch. „Nein, ich habe nach Kaden gejagt, der sonst immer weg läuft", erklärte sie murmelnd und war weiterhin nur halb an diesem Esstisch. Kaden hätte sich sicher über die Pancakes gefreut. Zumindest mehr als Orion.
Diesen schien es zwar zu schmecken, er hatte aber nicht sonderlich begeistert ausgesehen.
Orion beobachtete die Vampirin rätselnd, wie diese in ihrem Essen rumstocherte und lehnte sich ein wenig zurück.
„Wieso rennst du ihm hinterher, wenn er wegrennt? Ich meine er ist doch eigentlich selbst schuld, oder? Sein Pech", setzte der Brünette an, mit dem Versuch einen Fetzen von Sezunas Gedanken zu erhaschen.
Er hatte gehofft, dass es ihm egal sei, was genau am gestrigen Abend vorgefallen war, doch das war eine Lüge. Er musste es einfach wissen.
Sezuna seufzte. „Als ich krank war, war ich bei seinen Eltern, um mich dort auszukurieren. Ich hatte Briefe für ihn, die ich ihm geben musste", erklärte sie und lies absichtlich aus, dass es Briefe von ihr waren. Es war beabsichtigt, dass Orion davon ausging, dass die Briefe von seiner Familie stammten.
Orion schien es einzuleuchten und griff nach seiner Tasse.
„Klingt einleuchtend. Ich meine du warst ja nicht gut auf ihn zu sprechen. Und wirklich von dir gesprochen, hat er in deiner Abwesenheit auch nicht", erklärte er und schien ein wenig, wenn auch nur minimal, entspannter zu sein. „Ich nehme an ihr seid immer noch im Streit?", fragte er flüchtig und hoffte, dass es nicht zu neugierig klang, oder als wollte er sich in deren Angelegenheiten einmischen.
Allerdings war diese Behauptung wohl gar nicht mal so falsch.
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