Sezuna seufzte. „Wir haben den vorherigen Streit noch nicht beigelegt und haben schon wieder einen neuen", erklärte sie wenig begeistert. „Also ja. Irgendwie sind wir wohl immer im Streit. Es scheint, als hätten wir uns beide so sehr verändert, dass wir nicht mehr so gut harmonieren, wie in der Schule."
„Klingt kompliziert", murmelte Orion und wandte sich wieder seinem Teller zu.
Ihm schien Kaden nicht wirklich ein komplizierter Kerl zu sein.
Eher einfach, flach und oberflächlich.
Vielleicht war er ja auch zu einfach für Sezuna. Das war jedenfalls der einzige Gedanke, der für den Werwolf Sinn machte. „Jeder ändert sich mit der Zeit. Vielleicht ist er ja nicht mehr der Vampir, den du früher kanntest. Ich meine, bist du denn noch dieselbe von damals?"
Sezuna strich sich eine Strähne ihrer roten Haare nachdenklich hinter die Ohren. „Nicht unbedingt. Aber Vampire verändern sich nur sehr langsam. Sowohl charakterlich, als auch körperlich. Es sei denn es geschieht etwas Gravierendes in unserem Leben. Was eher selten der Fall ist", erklärte sie und nahm noch ein Stück, ehe sie nachdenklich darauf herum kaute.
Könnte ihr Verschwinden für Kaden gravierend genug gewesen sein?
Fragen, die ihr vielleicht Mae oder Roar hätten beantworten können.
Doch wann hätte sie dafür Zeit finden sollen? Sie war viel zu sehr damit beschäftigt nicht durchzudrehen.
Orion hob eine Augenbraue und setzte dazu an, etwas zu sagen, als es plötzlich an der Tür klopfte.
Stirnrunzelnd wandte er den Kopf um, verwundert, wer das sein konnte.
Zögernd stand er auf, um zur Tür hinüber zu gehen und diese zu öffnen.
Als er Kaden auf der anderen Seite der Tür erblickte war er verwundert.
Orion starrte ihn so verwirrt an, dass er auch nichts unternahm, als Kaden plötzlich eintrat.
Sezuna blickte auf, als sie den Geruch des Vampirs wahrnahm. Dieser stand wie versteinert neben Orion in der Tür und sah sie nur ungläubig an.
„Ist das dein Ernst?", fragte er vollkommen fassungslos, doch Sezuna, die Kaden lange genug kannte, spürte die unterschwellige Wut, die darin mitschwang.
Orion, der das Ganze als Außenstehender betrachtete, reagierte schnell und packte Kaden an den Schultern, um ihn aus der Tür wieder nach draußen in den Gang zu schubsen. Als er ihn schon im Türrahmen hatte schien Kaden wieder aufzuwachen aus seinem Stillstand und schlug Orions Arm von ihm weg.
„Fass mich nicht an!", zischte er und machte sich von alleine auf dem Weg.
Sezuna zuckte zusammen, weil er dasselbe zu ihr gesagt hatte, bei ihrem Streit im Regen, in dem sie ihn zum Stillstand bringen wollte.
Kaden mochte es generell nicht, wenn man ihn unaufgefordert anfasste. Aber wer mochte das schon?
Allerdings hielt dieser Gedanke Sezuna nur kurz in seinem Bann.
Die Frage, was Kaden hier zu suchen hatte, bahnte sich in ihr Gehirn.
Warum war er zu Orion gegangen?
Sezuna erhob sich und wollte eigentlich nach vorn, um Kaden zu fragen, was er hier wollte, doch da war er schon von Orion komplett hinaus geschoben wurden.
Dieser wandte sich zu der Rothaarigen mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck um.
„Tut mir leid, ich hätte vorher checken sollen wer es ist. Er ist einfach rein gekommen", setzte Orion an, der davon ausging, dass sie Kaden wohl nicht sehen wollte, da sie ja im Streit waren.
„Warum war er hier?", fragte sie und in ihrer Stimme schwang etwas mit, dass Orion an ein Kind erinnerte, dass versuchte etwas zu begreifen, was man nicht begreifen konnte, weil es so schrecklich war.
Allerdings sah man ihr das nicht an und Orion glaubte auch fast sofort, dass er sich das nur eingebildet hatte.
„Keine Ahnung. Aber was immer es ist, hat hier nichts verloren", entgegnete er nur seufzend und ging wieder zurück zum Tisch, um diesen abräumen.
Er hatte Kaden noch nie wirklich wütend erlebt.
„Wahrscheinlich", seufzte Sezuna ergeben und kam ebenfalls zurück zur Küche, um Orion zu helfen.
Kaden konnte nicht wissen, dass sie hier war, also war er definitiv nicht wegen ihr hierhergekommen.
Orion legte die Teller in das Spülbecken und schielte unauffällig zu Sezuna rüber, die zwar nachdenklich drein blickte, aber dennoch irgendwie traurig.
„Alles okay?", fragte er leise und stupste sie mit dem Ellenbogen aufmunternd an.
Die Rothaarige hob den Blick und lächelte, doch selbst Orion bemerkt, dass ihr Lächeln ihre Augen nicht erreichte. „Es wird wieder", sagte sie und tischte ihm gar nicht erst eine Lüge auf.
In ihrem Kopf ging es sowieso gerade drunter und drüber.
Was wenn Kaden glaubte, sie würde etwas mit Orion haben? Was zwar total idiotisch war, weil es dafür nicht den Hauch eines Hinweises gab, aber sie versuchte zu denken wie Kaden. Wie hätte sie denn in seiner Haut reagiert? Und was hätte sie gedacht?
Sie hatte weder andere Klamotten an, noch könnte irgendwas darauf hindeuten, dass hier mehr als nur schlafen angesagt war.
Vielleicht suchte er ja auch nur nach einem Grund, um mit ihr abzuschließen.
Etwas, dass ihm ein schlechtes Gewissen ersparte, wenn er sich irgendwann hieran erinnern würde.
Ein trauriger Gedanke, doch für Kaden gar nicht mal so unwahrscheinlich.
Er hatte zwar gelernt mit den Gefühlen von anderen umzugehen, nur kamen dabei seine eigenen zu kurz. Er tat sich schon immer schwer mit etwas wie Schuldgefühlen oder anderen negativen Empfindungen umzugehen.
„Du musst nicht schon wieder arbeiten, wenn du dich dazu noch nicht in der Lage fühlen solltest", schlug Orion mitleidig vor. Er konnte sich gar nicht vorstellen, was für eine Qual es sein muss mit jemandem zusammenarbeiten zu müssen, mit dem man Streit hatte.
„Doch, das wird mich ablenken. Wird meinen Gehirn etwas zum Nachdenken liefern, das sich nicht um Kaden drehte", sagte sie und atmete tief durch. „Streits sind wirklich nicht meins", meinte sie, denn oft überforderten Gefühle ihr Gehirn und das konnte sie überhaupt nicht leiden.
Auch wenn sie wusste, dass sie sowieso schlaflose Nächte haben würde, wegen diesem Morgen, freute sie sich schon irgendwie auf die Arbeit.
Orion lächelte sie aufmunternd, jedoch nicht wirklich überzeugend, an.
„Dann lass uns zu Lika gehen. Vielleicht hat sie inzwischen was herausgefunden und du kannst dir den Talisman ansehen", schlug er vor und setzte den letzten abgespülten Teller zum Trocknen ab.
Sezuna nickte und versuchte sich entschlossen zu zeigen, doch sie konnte einfach nicht aufhören an den blonden Idioten zu denken. Hätte sie ihm vielleicht folgen sollen?
Immerhin geriet er so schnell in Schwierigkeiten.
Sie trat mit dem Werwolf in den Gang, als sie Havok gemeinsam mit dem Hausmeister vor ihrer Tür vorfand.
Havok wirkte alles andere, als begeistert, schien aber ein wenig fröhlicher, als sie Sezuna erblickte.
„Du bist wieder da?", fragte sie und Sezuna nickte, ehe sie entschuldigend lächelte.
„Ich bin gestern in der Nacht zurückgekommen und hatte das Pech, dass mein Schlüssel abgebrochen ist. Da du nicht da warst und der Hausmeister auch nicht, wollte ich heute Morgen dafür sorgen, dass es repariert wird", sagte Sezuna mit entschuldigender Stimme. „Ich hoffe ich hab keinen allzu großen Ärger gemacht."
Plötzlich klickte es und die Tür schwang auf. Havok schüttelte den Kopf.
„Schon okay. Ich musste sowieso bis Nachts arbeiten und konnte bei Lika schlafen. Sie stand einfach auf einmal im Flur, sie hat wirklich ein gutes Gespür", entgegnete Havok und strich ihren Pony zur Seite.
Orion hob eine Braue. Ein gutes Gehör würde es wohl eher treffen. Dabei wunderte es ihn eher, dass Lika um die Uhrzeit noch wach gewesen war, um das mitzubekommen.
„Das ist beruhigend", meinte Sezuna, die sich etwas schuldig fühlte, weil sie Havok nicht benachrichtigt hatte.
„Sehen wir uns später?", fragte Havok als sie merkte, dass Sezuna nicht dazu ansetzte ihr in die gemeinsame Wohnung zu folgen.
„Bestimmt. Sobald ich mir einen neuen Schlüssel besorgt habe", gab die Rothaarige zurück und verabschiedete sich von ihrer Mitbewohnerin, bevor diese die Tür hinter sich schloss.
„Was Lika wohl so spät noch gemacht hat... ich hoffe sie überarbeitet sich nicht", flüsterte Orion mehr zu sich selbst und bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen, weil er Lika die letzten Tage allein gelassen hatte.
Im nächsten Moment klopfte er auch schon an ihre Tür, als die Blauhaarige diese bereits nach wenigen Sekunden öffnete.
Als sie Orion und Sezuna erblickte, erstrahlte sie. „Guten Morgen", grüßte sie fröhlich und trat zurück, damit die beiden eintreten konnten.
Die Küche war mit einem Laptop und weiteren elektronischen Geräten zugestellt, was Sezuna und Orion reichlich verwunderte.
„Ach, ich repariere gerade den Computer von Matthikan. Sie hat es geschafft ihn kaputt zu machen", erklärte die Blauhaarige. „Das hilft mir beim Nachdenken", fügte sie hinzu und Orion musterte sie nachdenklich. Sie wirkte nicht, als hätte sie wenig geschlafen.
Die beiden setzten sich gemeinsam mit Lika hin und beobachteten diese, wie sie Feuer und Flamme wurde für ihr Element.
„Ist... Matthikan denn zu Hause?", fragte Orion und drehte sich zu dem Zimmer der Frau, doch Lika schüttelte den Kopf.
„Sie sagte, sie hat noch was Wichtiges zu erledigen. Sie scheint mir viel beschäftigt zu sein", murmelte Lika, die dabei war einige Kabel neu zu verbinden.
„Sezuna sagt, sie ist wieder bereit, um zu arbeiten", schlug Orion an in der Hoffnung Lika würde ihn hören und verstehen was er ihr versuchte zu sagen.
„Ah ja. Der Talisman liegt auf den Tisch in der Schachtel. Meine Recherchen haben leider nichts ergeben. Aber vielleicht hat Sezuna mehr Glück", murmelte Lika, während sie eifrig an dem Computer von Matthikan arbeitete.
Sezuna beobachtete die junge Blauhaarige nur kurz und griff dann auf den Tisch zur besagten Schachtel. Daraus holte sie einen kleinen Käfer aus Holz.
„Hm. Das ist ein Scarabäus. Ein ägyptisches Tier", erklärte sie langsam. „Es sieht nicht so gut gearbeitet aus, dass ich sagen würde, es war ein Meister. Auch das Holz kommt mir nicht sonderlich wertvoll, oder selten vor."
Orion seufzte und ließ den Kopf hängen und stöhnte frustriert auf.
Wenn nicht mal Sezuna etwas darüber sagen konnte... wer dann?
Vermutlich hatte sich Kaden einfach was Falsches zusammengereimt und es war nur ein normaler Glücksbringer, der kein Glück brachte.
Sezuna betrachtete den Talisman weiter von jeder Seite. „Ich denke, ich habe den schon einmal gesehen", sagte sie leise und nachdenklich.
Aber wo war das gewesen?
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