Gut gelaunt schlenderte Sezuna zurück zu Orion, der sie bereits in der Menge suchte.
Es war nicht schwer seinen Geruch aufzunehmen und ihn zu finden. Dafür war es schwieriger zu ihm durch zu kommen, denn die Menschen drängelten ganz schön.
„Orion, hier lang", rief sie ihm zu, weil sie ihn eigentlich schon vor Kadens Auftauchen zu dem Stand hatte führen wollen, der ihr so verdächtig vorkam.
Allerdings waren ihre Gedanken gerade ganz wo anders.
Ihr erstes Date und dann auch noch mit Kaden.
Sie war ganz aufgeregt. Was sollte sie anziehen? Wie sollte sie sich verhalten?
Sie zwang sich einige Male tief durchzuatmen, als sie merkte wie unvorbereitet sie doch eigentlich war. Sie kannte Kaden nun schon seit mehreren Jahrzehnten und doch... kannte sie ihn nicht wirklich.
Jedenfalls nicht in solchen Beziehungen.
Sie hatte zwar schon oft seine Beziehungen miterlebt und auch Berichte von seinen Verabredungen gehört, doch am eigenen Leib löste es nichts als Bauchschmerzen bei ihr aus.
„Wo warst du auf einmal? Ich hab mir schon Sorgen gemacht", holte Orion sie zurück aus ihren Gedanken, als dieser plötzlich vor ihr stand.
„Tut mir leid, ich musste was erledigen", sagte sie entschuldigend und ausweichend. „Aber ich hab was interessantes gefunden, komm mit", erklärte sie und führte Orion zielsicher durch die Menge, bis sie einen kleinen, recht versteckt liegenden Stand fanden. Dieser verkaufte Holztalismane in Form von Skarabäen.
Orion blieb ebenfalls stehen und musterte den Stand mit großen Augen.
„Das sind sie...", hauchte er und nahm einen in die Hand, um ihn genauer zu mustern.
Tatsächlich, stimmte sowohl Verarbeitung, als auch Holzart überein. Sie waren definitiv von derselben Person hergestellt worden.
Aber irgendwie auch nicht...
Orion runzelte die Stirn und warf der Vampirin eine bestimmen Blick zu, mit der stummen Frage, ob sie es auch merkte.
Irgendwas war anders an diesen Exemplaren. Etwas, das man nicht sehen konnte.
Sezuna betrachtete den Talisman neugierig und meinte dann zu der Frau hinter dem Stand: „Ich hätte gerne diesen hier. Sagen sie, was für eine Geschichte steckt hinter diesen kleinen Dingern?", fragte sie neugierig.
Die alte Dame lächelte und kassierte Sezuna, bevor sie begann die Geschichte zu erzählen.
Der Talisman war einst als Glücksbringer für eine junge Pharaonin gefertigt wurden. Vom Hohepriester persönlich. Er sollte ihr Glück bis an ihr Lebensende bringen.
Sezuna lächelte der Frau freundlich entgegen und Orion legte das Geld für den Talisman auf den Tisch.
Mit einer bedankenden Verabschiedung wandten sich die beiden wieder ab und Sezunas Lächeln erstarb, als sie das Holz genauer unter die Lupe nahm.
„Kam dir die Frau gesichtslos vor?", fragte Orion und sah weiter auf den Weg vor ihnen.
„Kaden erwähnte, dass sie das Gesicht vergessen, nicht das sie gesichtslos ist", korrigierte die Rothaarige abwesend, doch sie konnte einfach nicht sagen was diesen Talisman von Likas unterschied.
„Es kann sich also um einen Zauber handeln, der vom Talisman selbst ausgeht und die Leute das Gesicht vergessen lässt", meinte sie nachdenklich, während sie den Talisman immer wieder drehte. Dieser hier war überhaupt nicht magisch. Nicht ein bisschen. Und auch an der Frau war nichts Magisches gewesen. „Es muss noch einen anderen Stand geben."
„Oder es ist doch nichts dran", schlug Orion vor, der der Sache immer noch nicht recht besonnen war. „Ich glaube nicht wirklich an Glücksbringer. Hast du denn schon mal was von einem Zauber gehört der Glück bringt?", fragte er, in der Hoffnung Sezuna auf seine Seite ziehen zu können.
„Ja, es gibt viele Arten von Zaubern. Dieser hier ist aber keiner, der Glück bringt. Das ist nur eine oberflächliche Erscheinung. Dieser Zauber entzieht Leben und kaschiert dies mit Glücksgefühlen. Wer auch immer dahinter steckt, könnte so schon sehr alt geworden sein", erklärte sie nachdenklich. Sie war sich zu 98% sicher, dass es sich um einen solchen Zauber handelte. Alle anderen würden nicht passen.
„Ein Glück bringender Zauber... hört sich an als hätte man das aus einem Märchen geklaut", murmelte Orion und verstand nicht, wo der Zusammenhang lag. „Wir sollten vielleicht mal die Opfer besuchen, von denen Kaden erzählt hat. Vielleicht hat er was übersehen."
Sezuna runzelte die Stirn. Obwohl sie sich ziemlich sicher war, dass Kaden im Bezug darauf eine bessere Wahrnehmung hatte, in Bezug auf seine Fähigkeiten, so musste sie Orion dennoch zustimmen.
Sollte er wirklich von einem solchen Talisman besessen sein... dann wäre seine Wahrnehmung vermutlich eingeschränkt.
Doch nun, wo die Rothaarige so darüber nachdachte hatte sie nicht wirklich gemerkt, dass es Kaden schlechter ging, abgesehen von seinem Ausschlag.
Sezuna hätte am liebsten die Zeit zurückgedreht.
Wieso hatte sie nicht darauf geachtet als sie bei ihm war?
Er war halbnackt gewesen, doch sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet.
Ihr Gehirn würde es irgendwann schon wieder ausspucken und hätte wohl reagiert, wenn sie etwas wahrgenommen hätte, was wichtig war.
Vielleicht kamen die Auswirkungen aber auch später, weil er ein Vampir und damit fast unsterblich war.
Wenn sich der Talisman wirklich von Lebensenergie speiste und diese raubte, dann könnte es bei Kaden länger dauern. Oder aber, er hatte die Macht des Talismans noch nicht oft genug genutzt.
Sezuna konnte noch nicht sagen, welche Art von Zauber auf dem Talisman lag. Ob er für jeden Wunsch etwas nahm, oder aber dauerhaft.
Sie erinnerte sich wieder an die zahlreichen Runden Blackjack und Poker die Kaden gewonnen hatte.
Zum ersten Mal hoffte sie, dass sie sich irrte und er vielleicht doch einfach nur zufällig gewonnen hatte. Doch ihr Gehirn würgte diese unrealistische Lüge gleich wieder ab.
Wenn er ihr wenigstens sagen würde, dass er einen besaß, würde es einiges um Längen einfacher machen. Doch das Thema um den Talisman, schien zwischen ihnen beigelegt worden zu sein, bevor Sezunas Schlüssel abgebrochen war.
Der Schlüssel.
An diesem Abend war wirklich eine Menge seltsamer, unwahrscheinlicher Zufälle passiert und Sezuna bekam ein ungutes Gefühl.
Sie fragte sich nicht, was Kaden dazu bewogen hatte und sie interessierte sich auch nicht sonderlich dafür, ob das vielleicht ein unterbewusstes Zeichen von Kaden gewesen war, dass er ihre Nähe wünschte. Sie machte sich lediglich Sorgen.
Lieber verbrachte sie ihr Leben damit ihn von der Ferne aus anzuhimmeln, als ihn sterben zu sehen!
Unbewusst knurrte Sezuna wütend, bei dem Gedanken Kaden würde sein Leben für solch unbedeutende Dinge wie gute Karten aufs Spiel setzten.
Orion wandte seinen Blick verwundert zu Sezuna, als sie beide gerade den Rummel verließen.
„Alles okay?", fragte dieser, da er die Befürchtung hatte, er hätte etwas Falsches gesagt.
„Ich ärger mich, dass wir keine Spur gefunden haben", erklärte sie und das war noch nicht einmal gelogen. Sie wollte Kaden den Talisman am liebsten abknöpfen. Doch da das nicht so einfach möglich war, würde sie den Zauber irgendwie brechen müssen.
Eventuell mit einer Rückkopplung. Doch dafür brauchte sie selbst einen Talisman und musste ihn auf Kaden richten. Seine Gesundheit wäre ein Wunsch, der sich mit Kadens Talisman kollidieren würde. Doch ob das am Ende den Zauber auflöste oder es nur schlimmer machte, war abzuwarten.
Entweder war es eine gute Idee den Zauber wenigstens zu pausieren, oder aber eine fatale Entscheidung, die alles zum Überkochen bringen konnte.
So oder so, blieb ihr nur eine Möglichkeit. Einen Versuch war es Wert.
Doch zu aller erst brauchte sie den Talisman von Lika.
Sie wusste nicht, was dazu nötig war, um diesen zu aktivieren, da er bei Lika nicht zu wirken schien. Sie wusste auch nicht, wie es möglich war, dass Kaden einen besaß wenn er ihn doch Lika gegeben hatte.
Sie wusste nur, dass sie sich etwas einfallen lassen musste... und zwar schnell!
Sezuna betrat das Krankenhaus mit gemischten Gefühlen.
Sie hatte Ärzte und Krankenhäuser schon immer nicht gemocht und zum Glück wurde man als Vampir nicht krank. Was nicht hieß, dass sie nicht doch ab und an Blutkontrollen und solche Sachen über sich hatte ergeben lassen. Und noch viel mehr Dinge, die sie lieber verdrängte.
Zum Glück war sie heute nicht alleine hier, sonst hätte sie die Nervenheilanstalt dieser Klinik wohl nie betreten.
Orion hatte der Stationsschwester erklärt, sie seien hier um den Kranken vorzulesen oder auch einfach Zeit mit ihnen zu verbringen. Etwas wofür sie zum Glück keine Marken vorzeigen mussten, wobei es gar nicht so verkehrt wäre, sich solche zu besorgen, nur für den Fall.
Sie betraten einen großen Aufenthaltsraum und obwohl dieser halbwegs gut befüllt war, fiel Sezuna direkt ein hölzerner Talisman auf, der in der Hand eines Mannes mittleren Alters nervös hin und her geschoben wurde.
Sie entdeckte noch einige weitere, aber nicht von allen ging dieses magische Pulsieren aus.
„Guten Abend", grüßte Sezuna freundlich und trat auf den Mann zu. „Möchten sie vielleicht eine Geschichte hören, oder ein Spiel spielen?", fragte sie und belegte ihre Stimme mit einem leichten Zauber, damit ihre Worte an dem Mann hängen blieben und verführten.
Langsam blickten die eisblauen Augen des Mannes zu ihr auf und ein warmes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„Ja", flüsterte er und nahm einen tiefen Atemzug als würde er sich entspannen.
Sie drehte sich kurz zu dem Werwolf um, der ihr bestätigend zunickte als Zeichen, dass er sich die Anstalt genauer ansehen würde. Vielleicht wussten die Schwestern genaueres zu den Betroffenen.
Sezuna wandte ihr Gesicht wieder zu dem Mann und erschrak kurz als dieser die Hand kurz vor ihrem Gesicht hatte, um ihr Haar und befühlen.
„Schön", murmelte er und schien abwesend in seiner eigenen Welt gefangen zu sein.
Sezuna hoffte, dass sie den Zauber nicht zu stark genutzt hatte. Sie wollte ihn immerhin nur dazu verführen ihr zuzuhören und ihren Bitten nachzugehen und nicht, dass er sich in sie verliebte.
Aber der Mann wirkte nicht so. Er schien lediglich das rote Haar zu bewundern. Mit einer Neugier, die normalerweise eher von einem kleinen Kind stammen könnte.
Sie zwang sich zu einem höflichen Lächeln, auch wenn ihr die Situation ein wenig unheimlich war.
„Danke", antwortete sie und senkte den Blick auf die Hand des Mannes der immer noch mit dem Talisman spielte. Er ließ von ihrem Haar ab und legte die Hand an seine Brust.
„Louis", stellte er sich leise vor und nahm die Hand wieder von seinem Brustkorb, um mit dem Zeigefinger auf Sezunas zu zeigen.
„Sezuna", erwiderte sie und passte sich dabei dem Akzent an, den der Mann nur ganz leicht in seinen Namen gelegt hatte.
Das schien ihn dazu zu veranlassen ihr ein Lächeln zu schenken.
„Nun Louis. Möchtest du ein Märchen hören? Gerade eben hat mir eine Frau auf dem Markt eine Legende zu genau diesem Talisman erzählt", erklärte sie und holte ihren eigenen, gerade gekauften Talisman hervor.
Wenn sie es richtig anstellte, konnte sie die beiden vielleicht austauschen, somit müsste sie nicht zuerst an Lika und Orion vorbei um sich einen zu besorgen.
Louis nickte langsam, als wäre er in einer Zeitlupe gefangen, doch das Strahlen in seinen Augen nahm für keine Sekunde ab.
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