Nervös rieb Lika den Stoff eines schwarzen Rockes zwischen ihren Fingern und schielte ab und an zu Sezuna rüber.
Der Kleiderschrank der Rothaarigen war wirklich gut befüllt mit allem möglichen, wie Lika sich eingestehen musste.
Doch auch wenn sie versuchte sich abzulenken, wollte es ihr nicht so recht gelingen.
Wie sollte sie Sezuna nur auf sowas ansprechen?
Das war einfach nur peinlich!
„Ist es Kaden?“, rutschte es ihr schließlich heraus und Sezuna, die gerade ein schlichtes, aber doch sehr schönes schwarzes Kleid in der Hand hielt, hielt inne und blickte zu Lika.
Sie wirkte ziemlich ertappt.
„Wie hast du es herausgefunden?“, fragte sie leise und ein wenig nervös.
Lika nahm einen tiefen Atemzug, als sie ihre Vermutung bestätigte.
„Geraten?“, log die Werwölfin schlecht und zwirbelte eine blaue Strähne um ihren Zeigefinger.
Sezuna sah sie ungläubig an.
„Sagen wir einfach, die Wände im Wohnheim sind dünn wie Papier“, murmelte Lika und wandte sich schnell wieder dem Kleiderschrank zu, bevor sie rot werden konnte.
Sezunas Augen weiteten sich, als ihr die Bedeutung der Worte klar wurden. „Oh“, hauchte sie. „Oh“, machte sie noch einmal ein wenig perplexer. „Du hast uns gehört?“, fragte sie ungläubig und konnte Lika nur mit offenem Mund anstarren.
Diese hatte den Kopf immer noch zwischen Sezunas aufgehängten Klamotten versteckt und grummelte ein wenig.
„Ich hab die ganze Nacht gearbeitet... da hört man schon mal das ein oder andere. Außerdem liegt Kadens Schlafzimmer genau neben meinem“, sie wurde immer leiser, bis sie den letzten Satz nur noch nuschelte. Am liebsten hätte sie es gar nicht angesprochen, doch wenn sie und Kaden nun öfters in seinem Zimmer waren würde es wohl früher oder später zur Sprache kommen müssen.
„Hast du auch unseren Streit mitbekommen?“, fragte Sezuna vorsichtig und ein wenig deprimiert. Obwohl es keinen Grund mehr dafür gab. Immerhin hatte Kaden gesagt, sie würden es versuchen. Aber Sezuna hatte panische Angst, dass das schief ging.
Was, wenn Kaden der Meinung war, sie wären nicht dazu bestimmt ein Paar zu sein? Konnte sie dann noch seine Freundschaft halten?
Lika nickte langsam und schielte zu Sezuna.
„Es war eher schwer zu überhören. Deswegen war ich auch so verwundert, dass du auf einmal von Dates sprichst“, merkte Lika nachdenklich an. „Wie kam es dazu?“
Sezuna seufzte. „Das ist eine sehr lange Geschichte“, sagte sie und begann damit zu erzählen, während sie immer wieder andere Kleider anprobierte und auch Frisuren und Schmuck.
Lika hörte aufmerksam zu und reichte Sezuna immer wieder etwas Neues.
Es dauerte vielleicht eine Stunde, bis sich Sezuna für etwas entschieden hatte.
Es war ein langes, schwarzes Seidenkleid, das ihre Schultern frei ließ.
Ihre Haare waren an den Seiten leicht hochgesteckt und kleine Strähnen verdeckten die Ohren ein wenig. In diesen trug sie den silbernen Schmetterling und das Blatt. Ansonsten trug sie keinerlei Schmuck.
Lika blickte sie an, um sie zu mustern.
Sie sah wirklich hübsch aus, aber dennoch blieb das mulmige Gefühl in ihrem Magen.
„Orion weiß von nichts oder?“, fragte sie letztlich. Sie war davon überzeugt, dass er kein Freund von Beziehungen unter Kollegen war.
„Nein“, gestand Sezuna, die allerdings nicht wusste, warum Lika das wissen wollte.
Sezuna hatte es lediglich nicht verraten, weil sie keinen Ärger machen wollte. Sie wusste immerhin nicht, wie Orion zu Beziehungen stand und vor allem schien der Werwolf eine Abneigung gegenüber Kaden zu haben.
„Ist vielleicht auch besser so“, murmelte Lika zu sich selbst. Sie war Orion loyal gegenüber doch sie mochte auch Sezuna.
Am besten sie sagte einfach überhaupt nichts. Solang es nicht rauskam, konnte es auch nicht für Komplikationen sorgen.
„Ich hab mich schon gefragt wieso Kaden bei dir im Zimmer war, während du geschlafen hast“, erklärte die Blauhaarige, als sie sich zurückerinnerte an den Tag an dem Sezuna ohnmächtig geworden war.
„Wann meinst du? Er schien ja mehrmals bei mir im Zimmer gewesen zu sein“, murmelte Sezuna, die an die Nacht zurückdachte, die sie für einen Traum gehalten hatte.
„Als du ohnmächtig geworden bist kam Kaden nach dir schauen“, erklärte Lika und Sezuna wurde ein wenig rot.
„Wirklich?“, fragte sie vorsichtig und Lika nickte.
Die Rothaarige lächelte. Die Anzeichen waren irgendwie da. Vielleicht konnte es ja doch klappen.
Allerdings nur, wenn sie sich jetzt beeilte, denn sie wollte ihn nicht versetzen.
Alexa folgte verwirrt den hektischen Bewegungen von Kaden, der die ganze Zeit auf und ab lief und beinahe schon hyperventilierte.
„Was mach ich hier eigentlich?! Das war eine ganz schlechte Idee. Ich Date nicht! Wieso hab ich das überhaupt vorgeschlagen!“, führte Kaden weiter Selbstgespräche und raufte sich die Haare.
„Weil du sie magst und nicht willst, dass sie traurig ist.“
Alexas Antwort kam so nüchtern, dass Kaden stehen blieb und sie anblickte.
Ja, da hatte sie Recht, aber war das schon ein Zeichen dafür, dass er mehr für sie empfand? Er wusste es nicht und momentan war er viel zu nervös, um darüber nach zu denken.
„Und das du nervös bist, ist ein Zeichen dafür, dass sie dir wichtig ist. Würde dir das Ganze nichts bedeuten, wärst du nicht so nervös“, erklärte Alexa ruhig.
Kaden blieb in der Küche stehen, wo er sich eine Papiertüte griff um hinein zu atmen und seine Atmung unter Kontrolle zu halten.
Alexa rollte die Augen von Kadens überdramatisierender Aktionen und stand von der Couch auf, um zu ihm rüber zu gehen.
„Du übertreibst maßlos. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du noch nie ein Date hattest“, höhnte sie und öffnete den Kühlschrank, um sich eine gekühlte Dose daraus zu entnehmen.
Kaden legte die Tüte zur Seite und vergrub die Hände in seinen Locken.
„Darum geht's nicht. Was wenn doch nichts draus wird? Ich würde meine beste Freundin verlieren. Und dann?“
„Wenn du so an die Sache ran gehst, wird garantiert nichts draus“, erklärte Alexa nüchtern und nahm einen Schluck. Als sie fertig war, starrte sie Kaden an. „Sie ist deine beste Freundin. Ich glaube nicht, dass das einfach so kaputt geht. Natürlich ist es möglich, aber mit ein wenig Arbeit werdet ihr die Freundschaft trotzdem erhalten können. Und nach dem, was du gesagt hast, habt ihr euch ja schon lange nicht mehr gesehen“, hier schüttelte Alexa den Kopf. „Und als ich euch das erste Mal sah, hatte ich auch eher den Eindruck ihr könnt euch nicht leiden und seit keine besten Freunde.“
Erneut schüttelte sie den Kopf. Sie konnte sich wirklich nicht vorstellen, dass Kaden noch nie ein Date hatte, aber sonst wäre er wohl viel ruhiger. Oder ging es wirklich nur um die Person?
Der Blonde ließ seinen Kopf mit einem dumpfen Schlag auf den Tisch fallen und hielt inne.
„Wir hatten einen miesen Streit. Und dann noch einen. Und vorletzte Nacht ebenso“, nuschelte er gegen die Tischplatte, als ihm überhaupt wieder bewusst wurde, wie oft sie sich eigentlich stritten. Es schien bereits ein Normalzustand zwischen den beiden zu sein.
„Nur für den absoluten Notfall. Was wenn sie immer noch was für mich empfindet ich aber nicht für sie? Sollte ich es ihr sagen? Ich meine ich weiß nicht, ob ich das übers Herz bringen könnte“, er hob den Kopf und sah Alexa nun direkt an.
Alexa ließ sich mit ihrer Dose auf einem Küchenstuhl nieder und schien zu überlegen. „Es ihr nicht zu sagen wäre wohl noch herzloser. Dann würde sie es immer wieder versuchen. Ich denke klare Grenzen zu setzen und zu sagen wie es ist, ist immer das Beste. Nicht, dass Einfachste, aber es ebnet einen Weg, der es euch vielleicht erlaubt danach noch Freunde zu bleiben“, meinte sie und fragte sich, wann sie denn zu so einem Paar-Experten geworden war.
Wahrscheinlich lag das an den ganzen Serien und Büchern, die sie immer las.
„Das Beste ist aber, es erst einmal auf dich zukommen zu lassen und danach zu entscheiden, ob du dich wohlgefühlt hast und dir sowas wieder vorstellen könntest. Sag ihr vielleicht auch, dass du nervös bist. Ich kenn das von Vorstellungsgesprächen. Niemand gibt gern zu, dass er eine Schwäche hat, aber es zu sagen macht es leichter, weil man sich dann nicht immer für alles dumme, was man vielleicht durch die Nervosität macht, schämen muss.“
Kaden riss sich zusammen und stellte sich wieder gerade hin.
„Ich denke das wird sie auch schon so merken, dass ich nervös bin. Aber trotzdem danke“, lächelte Kaden ihr schief entgegen, als er zur Tür hinging. Alexa erhob sich ebenfalls, um die Wohnung zu verlassen.
Sie wusste zwar, dass Kaden ihr auch erlaubt hätte hier zu bleiben, während er weg war, doch für den Fall, dass sein Date besser ausgehen könnte als er dachte, zog sie es doch lieber vor nicht in unmittelbarer Nähe zu sein.
Nachdem die beiden sich verabschiedet hatten, stellte sich Kaden vor Sezunas Tür und nahm mit geschlossenen Augen einige tiefe Atemzüge, um sich selbst Mut zu machen.
Als er sich schließlich traute zu klopfen, hörte er, wie alle Geräusche in der Wohnung erstarben, bis die Tür schließlich leicht geöffnet wurde und Sezuna ihm mit einem unsicheren Lächeln entgegen blickte.
Sprachlos blieb er in der Tür stehen und lächelte sie schief an.
*Los sag was... irgendwas!*, dachte Kaden angestrengt, bevor das Schweigen unangenehm werden konnte.
„Ich bin nervös!“, platze es aus ihm heraus, als er wieder an Alexas Worte denken musste.
Sezuna lächelte leicht und trat auf ihn zu, ehe sie sich einfach bei ihm einhakte. „Musst du nicht“, sagte sie und lächelte. Auch wenn Kaden spürte, dass es ihr nicht leicht fiel. Aber sie schien die Situation ein wenig entspannen zu wollen.
„Lass uns einfach ein wenig spazieren gehen, reden und dann essen. Alles wie immer“, erklärte die Rothaarige gut gelaunt. Das hatten sie immerhin früher schon oft genug gemacht.
Kaden lachte ein wenig nervös, was schon fast zittrig wirkte.
Er konnte sich nicht dazu überwinden sich zu entspannen.
So zu tun, als wäre alles wie früher schien garkeinen Platz in seiner Vorstellung zu finden.
Langsam spazierten die beiden durch einen Stadtpark.
Kaden konnte einfach nicht anders als Sezuna immer wieder von der Seite anzublicken und nach den richtigen Worten zu ringen.
„Du siehst hübsch aus“, sagte er etwas zögernd, aber dennoch aufrichtig.
„Ja?“, fragte sie unsicher, aber mit einem Lächeln. „Ich wollte mich nicht herausputzen, aber irgendwie fand ich nichts gut genug. Wären wir zuhause hätte ich wohl eines meiner anderen Kleider angezogen, aber hier trug man sowas nur im Mittelalter“, erklärte die Rothaarige gut gelaunt. „Und ich hatte keine Lust dass mich alle Leute für verrückt halten. Auch wenn das durchaus seine Vorteile hatte“, plapperte sie drauf los, in der Hoffnung es würde Kaden vielleicht ein wenig entspannen, wenn sie ein bisschen plaudern konnten.
Kaden lächelte und versuchte auf sie zu achten ohne die Umstände zu realisieren doch bei dem Gedanken an die magische Welt musste er wieder an den Moment denken, als er sie bei sich zu Hause besucht hatte.
Er richtete den Blick wieder geradeaus und versuchte an was anderes zu denken.
„Ich war auch ziemlich unsicher, allerdings eher wegen anderen Dingen. Ich glaube Alexa hat eine gefühlte Stunde versucht mich zu beruhigen.“