Der Frieden, den Sezuna bei Kaden fand, hielt jedoch nicht lange.
Die Rothaarige war gerade auf seinem Sofa, bei einem Actionfilm eingeschlafen, als jemand an Kadens Tür klopfte.
Kaden nuschelte etwas vor sich hin, als er widerwillig aufstand, um zur Tür zu gehen. Er war wirklich sehr in den Film vertieft gewesen, dass Sezuna gar nicht wusste, ob sie lachen oder weinen sollte. Schließlich mochte sie es wenn er sich ihr widmete.
Langsam stellte er sich vor die Tür, als er seufzte und die Augen rollte.
Er stieß die Tür auf und drehte sich um, da er bereits wusste wer es ist.
„Was willst du?“
Orion trat in den Raum und schloss die Tür, ehe er Kaden musterte. „Die Sache mit den Talismanen wird verschoben. Unser Informant hat uns einen Auftrag zugespielt, bei dem es um verschwundene Jugendliche geht. Man vermutet übernatürliche Beteiligung“, erklärte Orion knapp.
Sein Blick fiel kurz auf Sezuna, die auf der Couch lag, doch er sah schnell wieder weg, um ihrem Blick auszuweichen. Die Unterhaltung im Café hatte wohl bei beiden Spuren hinterlassen.
„Verschwunden im welchen Zusammenhang. Gibt es ein Motiv?“, fragte Kaden, der irgendwie doch erleichtert war, die Sache mit den Talismanen ruhen zu lassen. Er wusste immer noch nicht, welche Ausmaße die Folgen haben könnten und bei der Tatsache, dass Sezunas Gesundheit vielleicht davon abhing, wäre es wohl besser nichts zu überstürzen.
„Nein. Alles was uns mitgeteilt wurde, war, dass man Spuren der Verschwundenen in der Nähe in einem abgesperrten Waldgebiet gefunden hat. Außerdem scheint es sich bei den Verschwundenen um magische Wesen zu handeln. Einige von ihnen wurden von der Regierung beobachtet, weil man sie für übernatürlich hielt“, erklärte Orion, der sich durch einen ganzen Stapel an Informationen hatte kämpfen müssen, die jedoch alle total nutzlos gewesen waren.
„Klingt ziemlich willkürlich“, gab Kaden ein wenig skeptisch zurück, der eher daran dachte, dass vielleicht einfach ein Serien Mörder kursierte. Etwas, was zwar inakzeptabel war, aber dennoch keine Bedrohung für die Regierung.
„Wie auch immer, wir sollen das untersuchen“, erklärte Orion und drückte Kaden ein paar Unterlagen in die Hand. „Mach dich also nützlich und versuche etwas über die Opfer heraus zu finden. Die neuste heißt Stephanie. Du findest eine Akte über sie.“
Mit diesem Worten verließ der Werwolf augenblicklich die Wohnung.
Augenrollen überflog Kaden die Papiere und musste sich ein Grinsen verkneifen. Vermutlich war es kein guter Augenblick, um sich über Orions Eifersucht lustig zu machen, also setzte er sich wieder neben Sezuna, um den Film zu pausieren und die Unterlagen durchzublättern.
„Orion ist manchmal wirklich seltsam“, murmelte Sezuna und setzte sich etwas auf, damit auch sie die Unterlagen untersuchen konnte.
„Vermutlich hat er zu wenig Mondlicht geschnuppert“, murmelte Kaden und sah sich einige Bilder der Vermissten an. „Du musst dich nicht damit befassen. Ruh dich aus. Ich geh mich mal umhören“, erklärte Kaden und stand auf, um sich im Schlafzimmer umzuziehen.
„Ich möchte mitkommen und mich ablenken“, erklärte Sezuna, auch wenn sie noch immer wirkte, wie ein verwaistes Kind.
„Ich halte das für keine gute Idee“, rief ihr Kaden zu, als er sich eine Jacke überzog, während er zurück ins Wohnzimmer kam. „Es wäre mir lieber, wenn du hier bleibst“
Sezuna schob ein wenig die Unterlippe vor. „Warum?“, fragte sie leise. „Bin ich dir im Weg?“
Bedenklich neigte der Vampir den Kopf zu Seite, um sie zu mustern, während er nochmal seine Jacke ausschüttelte.
„Mach nicht dieses Gesicht. Das ist furchtbar“, sagte er und ging nochmal zu ihr rüber, um sich vor sie zu stellen. „Ich will nur nicht, das dir was passiert. Du bist nicht gerade in der besten Verfassung“
Sezuna senkte den Blick. „Du hast recht, ich wäre dir so wohl wirklich nicht hilfreich“, meinte sie und klang traurig.
Kaden seufzte und reichte ihr eine Hand zum Aufstehen.
„Übertreib es aber nicht. Überlass am besten mir das Reden“, gab er zurück als Einverständnis sie mitzunehmen.
„Okay, ich geh mir fix was anderes anziehen“, erklärte sie und verließ Kadens Wohnung, um ihre eigene zu betreten und war keine fünf Minuten später auch schon wieder bei Kaden, damit sie aufbrechen konnten.
Der Weg verlief anfangs still, doch Kaden musste immer wieder zu Sezuna blicken, als er sich wieder an den Abschied vom letzten Abend erinnern musste.
„Hast du gut geschlafen?“, fragte Kaden leise, um das Schweigen zu brechen.
Sezuna zuckte ein wenig betroffen zusammen und schenkte ihm ein zittriges Lächeln. „Ehrlich gesagt fast gar nicht, weil ich das Gefühl gehabt habe, mich gestern Abend wie ein Vollidiot verhalten zu haben“, gestand sie. Sie wusste, dass es besser war, wenn sie ehrlich war, doch es war so schwer.
Kaden nickte mit gespieltem, ernstem Blick, um Sezuna zuzustimmen.
„Ja du bist wirklich ein Vollidiot“, gab dieser nur sarkastisch zurück, ehe er doch abwinkte. „Ich weiß was du meinst. Es war irgendwie merkwürdig.“
„Aber auch irgendwie schön“, murmelte sie und meinte damit den Kuss. Nicht die seltsame Stimmung danach.
Kaden seufzte, als er die Bar ansteuerte, in der Stephanie zuletzt gesichtet wurde.
„Eine merkwürdige Kombination“, lachte Kaden nervös, als er die Tür aufstieß, um einzutreten. Die Bar war überraschend leer. Er hatte gesehen, dass die meisten Vermissten vorher in dieser Bar gewesen waren. Vermutlich nicht gerade die beste Werbung die sich ein Lokal wünschen konnte.
Dennoch gab es einige wenige, die sich auf der Tanzfläche amüsierten und einige an der Bar.
Es schien, als würden diese die Atmosphäre genießen, die mit so wenigen Leuten doch recht erträglich war. Zumindest war das Sezunas Meinung.
Zusammen mit Kaden setzte sie sich an die Bar und bestellte einen Drink.
Gezielt suchte Kaden den Raum ab, wie ein Raubtier auf der Jagd. Sezuna schielte kurz zu ihm und wollte ihn gerade fragen was er denn suchte. Denn Stephanie würde auf keinen Fall hier zu finden sein. Doch da stieß sich Kaden auch schon von der Bar ab.
„Bin gleich wieder da. Du wartest hier okay?“, fragte er und blieb so lange stehen, bis er eine klare Antwort von Sezuna bekam.
„Ja, ich werde hier bleiben“, versprach sie und nahm ihren Drink, um daran zu nippen.
Auch wenn es ihr nicht gefiel, sie wollte Kaden nicht noch Ärger machen. Immerhin hatte er sie schon mitgenommen.
Kaden sah sie noch einige Sekunden prüfend an, ehe er sich seufzend abwandte und sich an einen einzelnen Tisch setzte und wartete.
Es dauerte nicht lange bis sich ein Mann mit schwarzen Haaren zu ihm setzte und mit ihm sprach.
Sezuna erkannte ihn aus ihrer ersten Nacht in der Bar. Der Mann, der sie angebaggerte hatte... glaubte sie jedenfalls. Sie wusste nicht was er von ihr wollte, doch er war ihr irgendwie suspekt.
Und dass Kaden sich mit ihm traf, gefiel ihr überhaupt nicht.
Ihre Finger schlossen sich fester um ihr Glas, doch sie versuchte es nicht kaputt zu machen. Stattdessen hatte sie ihre goldenen Augen auf die beiden Männer gerichtet.
Unverfroren starrte sie die beiden an, ohne Scham davor auffällig zu sein. Viel mehr hoffte sie, dass Kaden zu ihr blicken würde, damit sie ihm einen bösen Blick zuwerfen konnte.
Doch nein, sie unterhielten sich nur.
Während Kaden recht teilnahmslos wirkte, lachte der Schwarzhaarige einige Male auf, als wären sie alte Schulfreunde.
Sie versucht die Ohren zu spitzen doch eine Gruppe Frauen neben ihr, die lautstark über eine Realityshow diskutierten, machten es ihr schwer.
Sie schnappte nur Bruchstücke auf und diese machten keinen Sinn.
Sezuna seufzte und leerte ihr Glas, ehe sie einen weiteren Cocktail bestellte und ihren Blick über die Leute gleiten ließ.
Alles wirkte ruhig und völlig normal.
Sie lehnte sich an die Bar und bemerkte den Blick der blonden Frau, deren Stimme sie schon am Tag der Einführung gehört hatte. Dieselbe, die sich vorgenommen hatte sie und Kaden auseinander zu bringen. Dieselbe, die ihr jetzt gerade tödliche Blicke zuwarf.
Sezuna ignorierte sie und griff stattdessen nach ihrem Getränk. Sie leerte es frustriert und bestellte einen weiteren Drink.
Allerdings fragte sie sich, ob das eine gute Idee war, denn kurz verschwamm ihre Sicht.
Verdammt. Waren das noch die Nachwirkungen ihrer Krankheit? War sie jetzt auch noch anfällig auf Alkohol?
Allerdings klärte sich ihr Blick sofort wieder und sie tat es als Ausnahme ab.
Wie lange brauchte der Typ bitte?
Machten sie da etwa Urlaubspläne oder was?
Nach einer gefühlten Stunde blickte Sezuna auf die Uhr hinter der Bar, als sie feststellte, dass erst 5 Minuten vergangen waren.
Das war wirklich frustrierend, wie sie feststellen musste.
Und sie war irgendwie nervös. Sie hatte das Gefühl, dass sie angestarrt wurde. Und das nicht von dieser komischen Trulla, die ihr immer noch böse Blicke zu warf. Sondern von einem Raubtier. Aber sie konnte niemanden finden, der sich seltsam, oder unnormal verhielt.
Sie fächerte sich ein wenig Luft zu, als sie sich für eine Sekunde vorstellte Kaden wäre auf einmal weg.
Sie blinzelte einige Male heftig, als er doch wieder vor ihr am Tisch auftauchte.
Vielleicht brauchte sie nur ein wenig frische Luft.
Ja... das war es.
Es war nur etwas stickig hier drinnen.
Oder Kaden hatte sich entschieden kurz mit Vampirgeschwindigkeit etwas zu holen. Doch das war unwahrscheinlich.
Sezuna rutschte von ihrem Stuhl und erhob sich, ehe sie auf die Toilette zu lief. Vielleicht war dort etwas bessere Luft, auch wenn sie das nicht glaubte. Aber sie konnte sich etwas Wasser ins Gesicht spritzen.
Mit taumelnden Schritten schaffte sie es zum Waschbecken, um sich daran festzuklammern.
Vielleicht auch eine Nebenwirkung von Kadens Alkohol? Er war ziemlich stark gewesen und hatte ihr mehr zugesetzt, als andere Erdengetränke.
Eventuell hatte sie daher so stark auf den Alkohol reagiert. Möglich war das auf alle Fälle.
Sezuna atmete tief aus und spürte, wie ihre Beine plötzlich nachgaben.
Sie griff zwar noch nach dem Waschbecken, doch ihre Finger waren so kraftlos, dass sie sich nicht festhalten konnte.
Mit einem dumpfen Geräusch schlug sie am Boden auf und um sie herum wurde alles schwarz.