Als Kaden die Bar am selben Abend betrat, entdeckte er Reyes schneller als erwartet.
Er saß alleine an seinem gewohnten Tisch und schien auf ihn zu warten.
Ein wenig widerwillig ging der Vampir zu dem Schwarzhaarigen rüber, um sich auf den gegenüberliegenden Stuhl zu setzten.
„Ah, da bist du ja. Ich hatte schon Angst, dass du unser Date versäumst“, grinste Reyes ihm entgegen und schob ihm ein Getränk über den Tisch hinweg zu.
Kaden beäugte es kurz, doch er dachte nicht einmal danach zu greifen.
Nicht, nachdem er gehört hatte, dass es möglich war Vampire soweit unter Drogen zu setzen, dass sie ihre Fähigkeiten verloren.
So schnell würde er wohl nichts mehr trinken, was er nicht selbst gemixt hatte.
„Was war gestern hier los“, begann Kaden durch zusammengebissene Zähne. Reyes musste etwas wissen, immerhin hatte er ihn auf Sezunas Verschwinden hingewiesen.
Dieser nahm nur einen Schluck aus seinem Glas, während er Kaden über den Rand hinweg musterte.
„Wirst du jetzt paranoid Kaden?“, fragte er mit einem kurzen Lachen und stellte sein Glas wieder vor sich ab. „Ich hab keine Ahnung wovon du sprichst“, gab der Mann mit einem merkwürdig kindlichen Lächeln zurück.
„Verarsch mich nicht!“, zischte Kaden wütend und ballte die Hände zu Fäusten.
Reyes schien wenig beeindruckt zu sein. „Was willst du von mir wissen?“, fragte er und Kaden zwang sich, sich zu beruhigen. „Gestern Abend wurde meine Freundin abgefüllt und fast verschleppt. Was weißt du darüber?“
Reyes lehnte sich zurück und sein Gesicht erhellte sich, als würde ihm ein Licht aufgehen.
„Ah... du meinst Sezuna. Ja wäre möglich, dass ich etwas gehört habe... natürlich nichts als Gerücht, wenn du verstehst. Ich könnte sie dir natürlich anvertrauen aber...“, hier musterte er kurz den Vampir und lehnte sich wieder nach vorne. „Wieso sollte ich?“, hier zuckte Reyes ratlos die Achseln, als wäre er selbst ratlos.
Kaden ballte die Hände stärker zu Fäusten und musste sich zusammenreißen diesen Kerl keine zu verpassen. Er brachte ihn unglaublich leicht zur Weißglut.
„Was willst du als Gegenleistung?“, fragte Kaden durch zusammengebissene Zähne, der schon mitbekommen hatte, dass Reyes die Informationen nicht einfach so preisgab.
Grinsend verschränkte Reyes die Finger auf dem Tisch ineinander und kniff die Augen ein wenig zusammen.
„Ich mach dir ein gutes Angebot, in Ordnung? Der Gefallen den ihr mir schuldet... vergiss ihn. Stattdessen biete ich dir an, für mich zu arbeiten. Ich könnte jemanden... wie dich gut gebrauchen. Im Gegenzug, kannst du immer zu mir kommen, wenn du was brauchst. Sieh mich einfach als der Pate und du bist einer meiner Mittelsmänner“, erklärte der Mann mit dem grauen Blick, als wäre es das normalste Gespräch der Welt.
Kaden runzelte unverständlich die Stirn.
„Du kannst mich mal“, lachte Kaden ironisch auf. Das konnte doch nicht sein Ernst sein.
Jemand wie er?
Nun lehnte sich Reyes mit einem schallenden Lachen wieder zurück und seufzte einmal tief.
„Siehst du, dass mag ich so an die Kaden. Du denkst du kannst mich ausspielen aber im Endeffekt weißt du eigentlich ganz genau, wie sehr du doch auf mich angewiesen bist. Du hast eine unerschütterliche Maske, die du nicht mal ablegst, wenn du mit dir allein bist. Das könnte nützlich sein“, ergänzte er nun und nahm einen weiteren Schluck.
Kaden blickte ihn böse entgegen und dachte über seine Worte nach.
Leider hatte Reyes Recht. Kaden brauchte die Informationen von ihm. Aber ob für ihn arbeiten eine gute Option war?
„Angenommen ich nehme dein Angebot ab. Was willst du, dass ich tue?“, fragte er skeptisch.
Reyes grinste und schüttelte den Kopf.
„Keine Sorge, ich bin kein Zuhälter“, gab er zurück und fuhr mit den Fingern über das beschlagene Glas. „Es gibt einige Leute, die vermutlich vergessen haben, dass ich mit ihnen, wie jetzt mit euch, noch einige Sachen zu klären habe. Ich würde es weniger Arbeit als einen freundschaftlichen Dienst nennen.
Du gehst zu den Leuten und weißt sie gründlich darauf hin, dass sie sich doch bitte melden sollen“, erklärte Reyes in einem unschuldigen Ton.
Kaden hob die Augenbraue. „Ich treibe also deine Schulden ein“, sagte er nüchtern. „Wie kommst du auf die Idee, dass ich dafür geeignet wäre?“
Reyes antwortete nicht sofort, sondern musterte ihn nur mit einem Lächeln.
„Ich weiß nicht. Ich hab... es im Gefühl“, gab er zurück, doch Kaden spürte den unverkennbaren Unterton.
Doch im Endeffekt hatte er keine Wahl, es war der einzige Anhaltspunkt, den er hatte.
„Deal“, sagte Kaden ohne Umschweife als ihm auffiel das Alexa die Zeit davon lief.
Das Lächeln des Mannes verformte sich zu einem Grinsen.
„Hervorragend. Ich werde dich kontaktieren, sollte ich dich brauchen. Keine Sorge ich finde schon einen Weg. Was Sezuna und Stephanie angeht... Versuch es mal an der alten Waldhütte. Sie liegt ein gutes Stück östlich des Flusses. Ich hab gehört, dass dort ein Obdachloser hausen soll. Sie ist schwer zu finden weil sie in einen Berg gebaut wurde. Sieh sie dir am besten mal an. Den Rest findest du schon selbst. Ach und Kaden-“, ergänzte er noch, als dieser dazu ansetzte aufzustehen. „Wenn ich du wäre, würde ich hingehen wenn er nicht da ist.“
Der Vampir wartete noch bis er was ergänzte, etwas wie einen Grund. Doch stattdessen bekam er nur einen warnenden Blick und sonst nichts.
Das gefiel Kaden überhaupt nicht, aber Alexa rann die Zeit immer mehr davon.
Dennoch würde er Reyes Rat befolgen. Zumindest ein bisschen. Er würde einfach Orion mitnehmen. Vielleicht auch die beiden Frauen, aber diese würden nur aus der Entfernung agieren. Eventuell konnte Lika das Gelände mit einer Kamera, oder ähnliches erkunden.
Es war leichter als gedacht die Hütte zu finden, wie Kaden feststellen musste. Sie war klein und schmal, wobei sie mehr an eine Toilettenkabine erinnerte, als an ein Haus.
„Na wunderbar“, kommentierte Orion und spielte an seinem Ohr herum. Er konnte sich einfach nicht an das Micro gewöhnen, das Lika ihm verpasst hatte. „Dafür der ganze Aufwand?“, fragte er nicht sonderlich begeistert.
Kaden hatte ihn zur Unterstützung mitgenommen und fragte sich jetzt, ob das wirklich nötig gewesen war. Vielleicht hatte Reyes ihn ja reingelegt.
Kaden ging auf das spröde Holz zu und rüttelte an dem Türknauf.
Sie war zwar verschlossen aber auch ziemlich locker.
Mit einem genervten Tritt gegen die Tür stieß Kaden diese auf und fand... nichts.
Hier war nichts, außer einer eingelassenen Klappe im Boden, die jedoch sehr mechanisch und gesichert aussah.
„Lika?“, fragte Kaden und blickte auf die Klappe nieder, in der Hoffnung sie konnte was mit dem Bild anfangen.
„Ich sehe es“, erklärte Lika über das Funkgerät, das auch Kaden in seinem Ohr hatte. „Geh ein bisschen näher ran und ein wenig nach links“, kommandierte Lika und Kaden folgte ihrer Anweisung. „Siehst du da diese Lichtpunkte. Es ist eine Art Schloss. Es braucht eine Art mechanische Authentifizierung“, erklärte Lika nachdenklich.
Kaden seufzte und schloss die Augen.
„Kannst du das auch für Idioten übersetzen?“, fragte dieser, wobei er sich ziemlich sicher war, dass er es auch dann nicht verstehen würde.
„Du brauchst einen Schlüssel. Meist eine Karte, mit einem Magnetstreifen“, erklärte Lika nachdenklich, als Sezuna ihre Stimme erhob und etwas sagte.
Beide Frauen diskutierten kurz und Kaden verstand nur Bahnhof.
Schließlich meldete sich Lika wieder zu Wort: „Kannst du das kleine Gerät, was ich dir mitgegeben habe, daran befestigen?“, fragte die Blauhaarige und Kaden holte das knöpfförmige Etwas hervor und musterte es.
„Wie denn?“, fragte er nachdenklich und Lika erklärte ihn kurz, was er zu tun hatte.
Kaden brauchte ein bisschen, bis er das Gerät so hatte, wie Lika es wollte und dann begann es zu blinken.
Das tat es mehrere Male, ehe die Klappe plötzlich ein leises Geräusch von sich gab und mit einem Klicken aufging.
Kaden hob beeindruckt die Augenbrauen.
„Ich will es gar nicht wissen“, nuschelte er nur, bevor er einmal kurz pfiff, um Orion wie einen Hund zu sich zu rufen.
Wütend über diese Geste schubste er Kaden den steilen und dunklen Abhang hinunter und stieg kurz darauf hinterher.
„Blöder Idiot“, murmelte Orion leise, da seine Stimme von den dunklen, nassen Gängen wieder zurück geworfen wurde.
Mit einem schmerzenden Stöhnen rieb sich Kaden den Schädel und richtete sich wieder auf.
„Kannst du uns noch sehen?“, fragte Orion leise in das Mikro, um durch das Echo keine vermeintliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
„Ja“, erklang Likas Stimme, die jedoch nicht mehr ganz so klar war, wie vorher. Vielleicht hatte er da Mikro beschädigt? Orion kannte sich mit solchen Dingen nicht aus.
„Ihr seid allerdings recht weit unter der Erde“, erklärte Lika weiter und Sezuna murmelte irgendwas unverständliches, das Lika auflachen ließ. Orion fragte besser nicht nach und blickte zu Kaden, der sich mittlerweile in dem dunklen Gang umsah.
„Hier ist ein Tunnel. Denkst du wir können durch, ohne den Empfang zu verlieren?“, fragte Kaden, der bereits dazu ansetzte den steinernen Gang zu betreten.
„Wir können es nur versuchen“, erklang Likas Stimme, die ein wenig skeptisch klang.
Im Hintergrund konnte Kaden Sezunas besorgte Stimme hören: „Was, wenn wir den Empfang verlieren?“, fragte diese leise und mit Angst in der Stimme. Ihr gefiel es offensichtlich nicht, dass die beiden Männer da unten waren.
Kaden, der Sezunas Worte, durch den raschelnden Empfang, nicht verstanden hatte seufzte.
„Eine andere Wahl haben wir wohl sowieso nicht“, gab Orion zurück und machte sich gemeinsam mit Kaden auf den Weg durch die engen, verwinkelten Minen.
Die Wände waren eher unsauber aus den Stein gehauen worden und überall lagen noch große Steine herum. Manchmal wurden Abzweigungen auch von riesigen Felsbrocken versperrt und ab und an gab es Pfeiler, welche den Schacht hielten.
In einer Kuhle im Fels konnte man sogar einen kaputten Mienenkarren erkennen.
Gut, dass sie Sezuna nicht mitgenommen hatten.
Selbst wenn es irgendeiner gestattet hätte bei den letzten Ereignissen die ihr im Wald widerfahren waren, so hätte sie es wohl keine zwei Sekunden hier unten ausgehalten. Ihre Platzangst hätte sie viel zu sehr abgelenkt.
„Es muss ein altes Bergwerk sein“, murmelte Lika bedenklich, die nebenbei Informationen im Internet suchte, wo der Gang hinführen könnte.
„Wartet kurz“, erklang Sezunas Stimme und beide Männer blieben stehen.
Sezuna wandte sich an Lika: „Kennst du das, wenn du einen Raum berechnest, auf Grund der Größe und Anzahl der Schritte, die du brauchst, um ihn zu durchqueren?“, fragte sie und Lika blickte sie mit großen Augen an.
„Äh“, machte sie und Sezuna lächelte ein wenig entschuldigend.
„Jedenfalls stimmt die Größe nicht mit dem überein, was du hier als Notizen hast“, erklärte sie und sprach dann wieder mit den Männern. „Geht mal bitte fünf Schritte zurück und wendet euch nach rechts“, wies sie an und als beide dies getan hatten, starrten sie auf eine Wand.
„Und jetzt?“, fragte Orion, der nicht sonderlich begeistert war, hier unten länger zu verweilen, als nötig. Vor allem, da er Sezuna überhaupt nicht folgen konnte.
„Da dürfte keine Wand sein“, erklärte die Rothaarige einfach.
„Das heißt?“, fragte Kaden unverständlich und drückte den Kopfhörer fester ins Ohr, da die Stimmen der Frauen immer undeutlicher wurden.
Orion dagegen trat auf die Wand zu, um sie abzutasten.
„Das ist nicht der Stein der im Rest des Tunnels vorhanden ist. Die Farbe ist anders... sie muss extra errichtet worden sein. Da stellt sich nur die Frage wer was zu verstecken hat“, fragte sich der Werwolf nachdenklich, während er die Ränder der errichteten Wand abfühlte.
Er wusste nicht genau, was er getan hatte, doch es kam ein mechanisches Klicken und plötzlich stand der Stein einige Millimeter ab.
„Eine Tür“, erklärte Orion leise und schaffte es diese ein Stück aufzuziehen.
Dahinter befand sich lediglich ein weiterer, dunkler Gang, doch die beiden waren sich sicher, dass dieser hier sie weiter führen würde, als der andere. Warum sonst sollte er hinter einer gut versteckten Tür verborgen sein?
„Wir gehen jetzt rein“, erklärte Kaden und trat hinter Orion in den neuen Gang.
Kaum hatte er das getan, hörte er nur noch das leise Knacken in seinen Kopfhörern, aber von der Stimme, die gerade noch mit ihm gesprochen hatte, war nichts mehr zu hören.