Wütendes Gebrüll hallte aus der Trainingshalle und hielt die anderen Bewohner davon ab diese zu betreten.
Mehrere Knochen umkreisten Chaastiel, welche er immer wieder um sich herum stoßen ließ, in alles was ihm in den Weg kam.
Egal ob Wände, Übungsgeräte oder andere Leute, die trainieren wollten.
Was für eine Demütigung, von einer Frau niedergestreckt zu werden und dadurch seine eigene Beute von sich weg zu treiben!
Hätte sie ihn nicht abgelenkt, wäre die rothaarige Vampirin jetzt in Gewahrsam. Die beiden anderen hätten sie nie gefunden und der Mann, dessen blaues Auge wütend aufleuchtete würde nicht das Gefühl haben, versagt zu haben.
Wieder ließ er die spitzen Knochen in die Wände schießen, als sich plötzlich die Tür öffnete, doch er ignorierte es.
„Chaastiel!“, rief eine weibliche, strenge Stimme und der angesprochene wirbelte wütend herum. Wäre es nicht gerade die Assistentin vom Boss gewesen, hätte er auch nach ihr mit Geschossen gezielt. „Er will dich sprechen“, gab sie nur nüchtern von sich und ignorierte die zahlreichen Gebeine, die um ihn herum wirbelten.
Chaastiels Augen verengten sich und er knurrte, weil er einfach noch zu wütend war, um ein Wort hervorzubringen. Doch er setzte ein Nicken hinterher, denn er wusste, dass der Boss nicht gern wartete. Außerdem war er sehr mächtig, wie Chaastiel nur zu gut wusste.
Er versuchte sich ein wenig zu beruhigen, als er der Frau in den Gang folgte.
Ein Mann, der ihnen über den Weg lief, grinste Chaastiel spöttisch an und fand sich danach festgenagelt an der Wand wieder.
Die Assistentin des Bosses kommentierte dies nur mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Tja, Chaastiel, das wird wohl doch erstmal nichts mit der Beförderung“, lachte eine Frau, die in einer Gruppe stand, zu dem wütenden Mann, der vielleicht halb so groß war wie sie.
„Da kriegt wohl jemand Ärger“, gab der Mann bei der Frau in einem Singsang von sich und lachte ebenfalls.
Chaastiel knurrte auf und ohne hinzusehen prasselte ein wahrer Knochenregen auf die beiden herab und die Frau schrie auf, als sich einer durch ihr Bein bohrte.
Die Assistentin, die immer noch voraus lief, seufzte leise.
„Du bist wirklich ein schlechter Verlierer“, sagte sie leise und stieß eine Tür auf, um einen weiteren Gang zu betreten, in dem jedoch weniger Leute unterwegs waren.
„Ich hätte ihr viel schlimmeres antun können, aber das heb ich mir für jemand anderes auf“, zischte Chaastiel wütend und vergrub seine Fäuste in seiner blauen Trainingsjacke. Er wusste, dass er Sezuna lebend hier abliefern musste, doch er hatte sie beobachtet. Wie oft sie mit dem Vampir durch die Stadt geturtelt war... er hatte sicher keinen Wert für seinen Boss, aber einen großen Wert für die Rothaarige.
Außerdem musste die Rothaarige nur am Leben sein. Sicherlich war der Boss nicht wütend, wenn er ihr beide Beine und beide Arme brach. Das heilte bei Vampiren immerhin wieder.
Aber vorher würde sie zusehen müssen, wie er ihren Freund Stück für Stück auseinander nahm.
In seinen Fantasien versunken betrat er das Arbeitszimmer des Bosses und war nicht verwundert schon wieder einen anderen Mann hinter dem Schreibtisch vorzufinden.
Es war immer ein anderer Mann, doch er verkörperte die Stimme des Bosses. Also würde Chaastiel zuhören, auch wenn er nicht sonderlich begeistert war.
Er hielt in der Mitte des Raumes inne und versuchte sich gerade hinzustellen, als Geste des Respekts.
„Entspann dich Chaastiel. Ich will nur mit dir reden“, gab der blonde Mann von sich und stand auf, um zu Chaastiel rüber zu gehen.
Der Schwarzhaarige tat wie ihm gesagt wurde und legte den Kopf ein wenig schief, als er kurz den Kopfhörer im Ohr des Mannes aufblitzen sah, mit dem er mit seinem eigentlichen Boss kommunizierte.
„Ich hab gehört die Freundin der Vampirin ist entkommen“, begann er und umkreiste Chaastiel einmal, bevor er sich an den Schreibtisch lehnte. „Wie konnte das passieren?“
Chaastiel kannte das Spiel bereits, das er spielte. Er gab so wenige Informationen wie nur möglich, damit Chaastiel selbst erzählen musste, was geschehen war... welche Fehler er begangen hatte.
„Ich habe sie unterschätzt“, erklärte Chaastiel wiederwillig. „Die rothaarige Vampirin war so schwach, dass ich automatisch davon ausgegangen bin, dass es auch die anderen sind“, erklärte er wenig begeistert.
„Körperliche Stärke ist von keinen von ihnen das, was sie ausmacht“, erklärte der Boss und Chaastiel knirschte mit den Zähnen.
„Mal abgesehen davon, dass du mehr als tief in der Scheiße steckst... wie sind sie hier rein gekommen?“, fragte er nun und Chaastiel blickte fast automatisch zu einer der Kameras, die in den Räumen hing, durch die er ihn beobachtete.
„Durch den Tunnel“, gab der Schwarzhaarige knapp zurück und verspannte sich, da er bereits ahnte von wem sie diese Information bekommen hatten.
„Ich hab nichts dagegen, wenn du dich ein wenig vergnügst. Mit was auch immer. Das ist mir egal, solange du ablieferst. Aber du hast unseren Stützpunkt gefährdet... das ist inakzeptabel“, erklärte er, während seine Stimme immer lauter wurde. Er ging näher an ihn heran, bis er vor Chaastiel stehen blieb, der keinen Zentimeter zurück wich und zu ihm rauf sah. „Bring mir Sezuna und ich werde vielleicht nochmal überlegen, ob ich dich einen Kopf kürzer machen sollte. Verstanden?“, flüsterte er bedrohlich doch Chaastiels Blick glitt automatisch zu einer der oberen Kameras.
„Klar und deutlich.“
„Wunderbar“, sagte der Mann und trat einen Schritt zurück. „Aber um eine Strafe wirst du trotzdem nicht drum herum kommen“, fügte er hinzu. „Damit du lernst, dass du diese Fehler nicht wieder tust“, damit macht der Mann, der als Sprachrohr für den Boss diente, eine Handbewegung, die Chaastiel bedeutete, dass er den Raum verlassen sollte.
Dieser biss die Zähne zusammen, neigte verabschiedend den Kopf und verließ die Räume.
Draußen warteten bereits zwei stämmige Männer auf ihn, die unter den Mitgliedern dieser Organisation nur zu bekannt waren. Sie waren die Strafvollzieher des Bosses.
Er erinnerte sich noch daran, als er sich einmal gewehrt hatte. Es hatte alles nur noch schlimmer gemacht.
Für den Boss stand eine solche Prozedur für Unterwürfigkeit.
Besonders nach den zahlreichen Ausbrüchen, die es bereits gab, war Loyalität für ihn eines der wichtigsten Prioritäten.
'Es ist wichtig zu wissen wo man steht', sagte er immer zu seinen Untertanen und ließ es sie auch spüren.
Wer Ausgang wollte, musste sich den verdienen.
Wer Respekt wollte, musste sich den von den anderen Bewohnern holen.
Nur die Stärksten überleben.
Stumm ließ Chaastiel die Lektion über sich ergehen und wurde letztlich doch wieder in die Aufenthaltshalle entlassen.
Er hasste diese Prozedere.
Verletzungen zierten nur diejenigen, die ihre Aufgaben nicht richtig erledigten.
Diejenigen, die er selbst verspottete und nun war er einer von ihnen.
Ganz am Anfang seiner Arbeit hier hatte er einmal einen Fehler begangen, doch danach nie wieder. Er hatte seine Aufgaben immer mit Bravour erfüllt, was wohl auch der Grund war, warum er, trotz dieses Fehlers, seine Privilegien noch nicht eingebüßt hatte.
Ihm war weder der Ausgang, noch seine Wohnung verwehrt und er war auch nicht so weit hinabgestuft, dass er angekettet in den Kellern verbringen musste.
Dennoch wusste er, dass er sich keinen weiteren Fehler erlauben durfte.
Er ballte die Fäuste. Diese Rothaarige würde dafür bezahlen!
Sichtlich angespannt ließ sich Chaastiel auf eine Fensterbank im Aufenthaltsraum nieder und starrte wütende Löcher ins Leere, während er einen Knochensplitter zwischen seinen Fingern tanzen ließ.
Was dachten diese Nichtsnutze wer sie waren?!
Kamen aus irgendeinem Schloss von Adligen oder sonst was und meinten nun seine Ehre zu besudeln.
Als würde er etwas so erniedrigendes auf sich sitzen lassen.
Der Snas hörte, wie sich ihm zaghafte Schritte näherten und letztlich leise neben ihm Platz nahmen.
Er beachtete die Silberhaarige nicht und starrte weiter aus dem Fenster.
Chaastiel kannte sie. Kiki war die kleine Meerjungfrau, die erschaffen wurden war, doch sonst war sie nutzlos. Sie besaß keine Eigenschaften, die sie zu einer Kriegerin machten, dennoch war sie ein beliebtes Forschungsobjekt und würde, soweit er informiert war, heute Abend eine weitere Untersuchung über sich ergehen lassen.
Er selbst hatte mit diesen Dingen schon lange abgeschlossen. Und er interessierte sich auch nicht für das Schicksal anderer. Was also wollte sie hier?
„Ich hab von deinem Auftrag gehört“, begann sie leise und bereits jetzt ballte Chaastiel seine vermutlich geprellte Hand zur Faust und der Splitter begann sich schneller zu drehen.
*Halt die Klappe. Halt die Klappe. Halt die Klappe!*, am liebsten hätte ihr der Mann ins Gesicht geschrien, doch die Erniedrigung saß noch zu tief.
„Jeder macht mal Fehler. Keiner ist perfekt. Das hätte jedem passieren können“, gab sie leise von sich und setzte dazu an Chaastiel eine Hand auf die Schulter zu legen, als der Splitter um seine Faust plötzlich auf ihre Hand zuflog und diese durchbohrte, um sie gegen die Wand zu pinnen.
Kiki schrie kurz auf und versuchte den Splitter wieder hinauszuziehen.
„Du weißt nichts über mich“, zischte der Mann und beobachtete die anderen Anwesenden im Raum, die nun zu ihm rüber sahen. Er nahm jeden einzelnen einmal ins Visier, um seine Dominanz mit Blicken auszudrücken.
Er würde nicht so einfach wegen einer kleinen, dahergelaufenen Blutsaugerin seinen Ruf verlieren.
Die Betroffenen blickten weg und zu Boden und zeigten so, dass sie seine Stärke anerkannten.
Sie wussten, dass er sie nicht töten durfte, wenn er nicht nochmal Ärger vom Boss bekommen wollte, doch von quälen war nie die Rede.
„Versuch nie wieder mich anzufassen“, sagte Chaastiel leise an Kiki gerichtet und erhob sich. Die junge Frau versuchte den Splitter aus ihrer Hand zu ziehen, doch noch ließ Chaastiel das nicht zu.
Erst, als er den Raum verlassen hatte, ließ sich der Knochensplitter herausziehen und Kiki nahm die Hand in ihre andere und versuchte die Tränen zu verstecken.
Sie schluckte einmal und machte sich dann auf den Weg zum Arzt. Sie hasste ihn zwar, weil er ein brutaler Mistkerl war, dennoch sorgte er dafür, dass die Mitglieder keine Wunden, Narben, oder Behinderungen erhielten, die nicht von ihm gewollt waren. Er würde sich also um ihre Hand kümmern und hoffentlich diesen Schmerz beenden.