Die weiche Bettdecke, die Sezuna einhüllte, fühlte sich himmlisch an. Sie konnte sich gar nicht recht daran erinnern, wann sie zuletzt in einem richtigen Bett geschlafen hatte. Als sie zu Hause bei ihren Eltern war, hatte sie eines... doch das war in keiner Weise zu vergleichen mit der weichen Matratze auf der sie hier nächtigte.
Die gleißenden Sonnenstrahlen zwangen sie die Lider zu öffnen, obwohl sie sich am liebsten einfach umgedreht hätte, um weiter zu schlafen. Sonnenstrahlen... Tagesanbruch! Sezuna erinnerte sich sofort, wo sie war und hätte am liebsten einfach die Augen wieder geschlossen, um der Realität zu entfliehen. Doch leider war das nicht möglich, denn nach dem letzten Tag schwirrten ihr noch immer die Wörter Bestrafung und Hinrichtung durch den Kopf.
Schnell sprang sie auf, warf das Nachthemd von sich, schmiss sich das weiße Unterkleid über und zog mühsam das Korsett an, ehe sie es versuchte zu schnüren. Es gelang ihr nicht ansatzweise so eng zu ziehen, wie Chiana es am gestrigen Abend geschnürt hatte, doch das war auch gut. So war es viel angenehmer. Schnell streifte sie sich auch noch den Yukata über, ehe sie ihre Haare kämmte und zu einem Zopf flocht. Diesen wickelte sie schließlich zu einem Knoten.
Sie stürmte aus ihrer Tür, um langsam und leise Chianas Zimmertür neben der ihren zu öffnen, nur um festzustellen, dass diese bereits wach war und sich durch das Quietschen der Tür zu ihr umwandte.
„Du bist zu spät", waren ihre seufzenden Worte, statt einer Begrüßung. „Beeil dich. Hol die Öle und massier mich. Du hast gehört, der Highlord wünscht mich in seinen Gemächern", dirigierte sie hektisch und rieb sich angestrengt die Schläfen. Sezuna nickte und eilte auf die Öle zu, ehe sie diese griff, die Chiana ihr am Abend erklärt hatte. Damit kam sie zurück und begann damit die Öle auf Chianas nackter Haut zu verteilen und einzumassieren. „Das braucht viel mehr Übung", murmelte Chiana, ehe sie sich erhob. Sezuna war so erschrocken, dass sie zurückstolperte und über ihre Füße fiel, ehe sie auf dem Boden landete. „Bring mir meine Sachen, wir haben kaum noch Zeit", sagte die Schwarzhaarige und wartete darauf, dass Sezuna sich beeilte. Doch die Rothaarige war so langsam, dass sich Chiana dazu entschied, sich selbst anzukleiden und die Haare zu bürsten.
Fertig angekleidet in einem weißen Aufzug der schon fast aufreizend wirkte, stellte sie sich fertig in den Raum, um sich im Spiegel zu betrachten.
„Du wirst mich zu seinen Räumen begleiten und bei den Wachen warten", erklärte sie, ohne den Blick von dem Spiegel abzuwenden und den letzten Feinschliff anzusetzen.
Sezuna nickte und wirkte recht niedergeschlagen. Sie hatte gleich ihre erste Aufgabe versaut. Das war ja wunderbar.
„Komm jetzt", wies Chiana an und verließ den Raum.
Wie sie Sezuna gestern beigebracht hatte, lief diese zwei Schritte hinter ihr und hielt den Blick gesenkt.
„Die Wachen vor dem Schlafgemach des Higlords sind taub und stumm. Man hat ihnen die Zungen herausgeschnitten und das Trommelfell zerstochen, damit sie nichts belauschen können und ausplaudern", erklärte Chiana, als wäre es das normalste der Welt. Sezuna hingegen wurde blass.
„Sie dienen nur dem Highlord. Du wirst dich zu ihnen knien und auf mich warten."
Sezuna schluckte. „Jawohl", sagte sie leise. Die Hände nervös vor ihrem Bauch gefaltet folgte sie Chiana durch die Gänge. Vorbei an zahlreichen Frauen die ihr mit neidischem Blicke folgten und hinaus durch die Türen. Die Bauten waren prachtvoll, geradezu anbetungswürdig. Doch Sezuna konnte nur an ihr Versagen denken. Sie durfte nicht versagen!
Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich bremsen, nicht in Chianas Rücken hineinzulaufen, die vor ihr zum Stehen gekommen war. Die Wachen, die stur geradeaus blickten, ließen sie hindurch und Chiana gab Sezuna ein stummes Handzeichen hier zu warten, bevor diese hindurchschritt.
Sezuna erhaschte einen kurzen Blick auf den dunkelblonden Mann, der scheinbar bereits auf sie gewartet hatte, ehe sich die Türen schlossen. Dann kniete sich die Rothaarige zu Boden, wie Chiana es ihr gesagt hatte, doch dort blieb sie nicht lange.
Denn die Tür ging wieder auf und der Highlord trat mit Chiana zusammen auf den Gang.
Die Schwarzhaarige gab Sezuna in einer Geste zu verstehen, dass sie sich erheben und ihnen folgen sollte. Schnell war Sezuna wieder auf den Beinen und folgte den beiden, die hinaus in einen der Innenhöfe schritten.
Chiana, die dicht neben dem Highlord lief, schien fast schon peinlich berührt von der Situation. Was war passiert? Sezuna, deren Kopf mit Fragen gefüllt war, genoss die frische Luft und stellte sich für eine Sekunde vor keine Sklavin in diesen Mauern zu sein. Es könnte so schön sein...
„Du bist ganz schön hochmütig geworden, wenn du gleich bei allem was ich sage nur von dem einen ausgehst", brach schließlich der Blonde das Schweigen und lief weiter. Sein stiller Begleiter mit ausreichendem Abstand neben ihm. Derselbe, der auch schon gestern an seiner Seite gewesen war.
Chiana senkte den Blick. „Ihr verlangt sonst nicht nach meiner Gegenwart, wenn euch nur nach einem Spaziergang zu Mute ist", sagte sie langsam und leise. Ihre Stimme zeigte deutlich, wie peinlich es ihr war.
„Du bist nicht nur meine Favoritin, weil du gut im Bett bist, sondern auch, weil ich deine Gegenwart genieße", erklärte der Blonde ohne Scham. „Außerdem steht heute die Begutachtung der neuen Mädchen an, die du ausgesucht hast. Ich möchte, dass du dabei bist und sie mir vorstellst und mir erklärst, warum du und meine Mutter sie erwählt habt. Ich bin neugierig nach welchen Kriterien ihr beiden euch einigt."
Chiana senkte den Blick, wobei ihre violetten Augen hinter dichten schwarzen Wimpern verschwanden. „Seid ihr neugierig?", fragte sie mit einem Schmunzeln. Der Mann verlangsamte seine Schritte ein wenig und blickte zur Seite, in die Richtung, in der sich die Palastterrasse befand. Dort stand dieselbe ältere Dame, die bei der Begutachtung dabei gewesen war und unterhielt sich gerade mit einem der Dienstmädchen.
„Ich würde nur gerne verstehen... es ist mir auch ein Rätsel, wieso du das Kind bei dir aufgenommen hast", mit diesen Worten deutete er mit einer Kopfbewegung auf Sezuna und lief wieder normal weiter. Chiana gab ein leises Seufzen von sich.
„Es war eher Mitleid. Das kleine Ding ist vollkommen verwahrlost. Allerdings scheint sie auch nicht gerade als Kammerzofe zu taugen", erklärte sie, als würde Sezuna nicht gerade direkt hinter ihr laufen und wandte den Blick zu ihrem Begleiter. Dieser lachte leise auf, ehe er den Kopf schüttelte, ihren Blick jedoch nicht erwiderte.
„Vielleicht bist du auch einfach zu anspruchsvoll?", warf er nun, mit einem herablassenden Unterton, ein.
Chiana zuckte die Schultern. „Das ist möglich. Aber sie ist eine junge Vampirin. Sie sollte sehr schnell lernen", erklärte die Schwarzhaarige und spielte mit einer Strähne.
„Eine Vampirin, ja?", fragte der Highlord neugierig, als hätte er es am gestrigen Abend nicht schon vernommen. „Was macht eine Vampirin denn als Sklavin hier?", fragte er, da es selten war, dass Vampire in seinem Harem auftauchten. Wenn dann kamen sie freiwillig, oder waren Gefangene aus fremden, oder verfeindeten Clans. Sezuna schwieg und sah weiterhin zu Boden.
„Der Highlord hat dich angesprochen", erklärte Chiana zerknirscht.
Sezuna hob ruckartig den Kopf, senkte ihn aber sofort wieder. Dennoch hatte sie einen kurzen Blick auf die schönen, braunen Augen des Highlords werfen können. Sie hatte ihn sich ganz anderes vorgestellt und dabei war er ein sehr attraktiver, junger Mann. Kein Wunder, dass die meisten Frauen um seine Aufmerksamkeit buhlten.
„Meine Eltern fielen im Krieg, Mylord", erklärte Sezuna mit leiser Stimme, hielt dabei aber den Kopf gesenkt. Nun wandte sich der Highlord zu ihr um, um sie abermals zu mustern.
„Waren sie Soldaten?", fragte er nun interessiert, während Chiana ein wenig nervös zu Sezuna schaute. Sie hoffte nur, dass diese nichts Unangebrachtes sagen würde. So etwas konnte viel ausmachen. Der Ton, der Wortlaut, die genauen Wörter. Alles spielte eine Rolle. Und das Kind hatte noch keine Ahnung von diesem Tanz. Das Problem war nur, dass alles auf Chiana zurückfallen würde.
„Das weiß ich nicht, Mylord", erklärte Sezuna niedergeschlagen. „Ich war zu jung, um zu verstehen, was sie taten", fügte sie leise hinzu und dachte an ihre Kindheit zurück. „Aber mein Vater sagte, ihre Aufgabe bestände darin, Informationen zu sammeln. Bitte verzeiht meine Unwissenheit, Mylord", stammelte Sezuna reichlich unbeholfen und wenn sie gekonnt hätte, wäre sie weggelaufen. Die Aufmerksamkeit die der Mann ihr zuteilwerden ließ, fühlte sich in Verbindung mit ihrer Vergangenheit mehr als erdrückend an. Vermutlich wollte er wissen, ob sie aus einem verfeindeten Clan kam, oder ob ihre Eltern in seinen Armeen Zugange waren. Er selbst schien allerdings eher belustigt über ihre Ahnungslosigkeit, über ihre eigene Herkunft zu sein, als wütend.
„Wie heißt du?", fragte er nach einer Weile in der er wohl einige Blicke mit dem Mann und Chiana ausgetauscht hatte.
„Sezuna, Mylord", erklärte die Rothaarige leise. Ihr gefiel diese Aufmerksamkeit überhaupt nicht. Sie wollte am liebsten weg und sich verstecken. Oder im Boden versinken. Es war besser, wenn starke Männer sie nicht bemerkten. Das hatte sie auf der Straße gelernt. Man sollte die Aufmerksamkeit von anderen nicht auf sich ziehen, wenn man überleben wollte.
„Sezuna", wiederholte er langsam und hielt einen Moment inne, ehe er weiterging und sowohl sein Begleiter, als auch Chiana ihm eilig folgten. Sezuna war mehr als froh, dass sie weitergingen. Somit konnte er sie nicht weiter mustern.
„Hast du schon mal als Zofe gearbeitet, Sezuna?", fragte er nun im Gehen, ohne den Blick wieder auf sie zu lenken. Stattdessen lief er weiter geradeaus und ließ seinen Blick umherschweifen.
„Nein, Mylord", sagte Sezuna leise. Sie erwähnte nicht, dass sie selbst eine Zofe besessen hatte, als sie kleiner war. Und ein Kindermädchen und einen Hauslehrer. Ihre Familie musste reich gewesen sein. Bis ihre Eltern im Krieg starben und ihr Haus eben jenem Krieg zum Opfer fiel.
„Hätte sie mehr Erfahrung, wäre sie nicht so schlecht in ihrem Gebiet. Sie ist schon mehr als nur unbeholfen, wenn ich das so sagen darf", erklärte Chiana und faltete die Hände vor ihrem Bauch. Langsam kam der Mann wieder zum Stehen und wandte sich nun zu seiner Favoritin und hob ihr Kinn hoch, damit sie ihn ansah.
„Ich kenne jemanden, auf den das früher auch zugetroffen hat", flüsterte er und küsste sie sanft auf den Mundwinkel. Chianas weibliche Lippen umspielte ein zurückhaltendes Lächeln und ließ sie die Augen schließen. Nun wandte er sich zu Sezuna, die nervös mit ihren Händen spielte, jedoch noch immer den Kopf gesenkt trug.
„Knie dich hin", befahl er nun in einem kalten Ton.
Sezuna schluckte und ließ sich so fallen, wie es Chiana ihr beigebracht hatte und wie sie es die Stunden gestern am Abend immer wieder geübt hatte. Die Übung hatte sich nur bedingt ausgezahlt, denn Sezuna war nun einmal nicht sonderlich motorisch veranlagt. Dennoch konnte man einen kleinen Fortschritt erkennen, als sie ihre Stirn auf den Boden legte. Ihr Herz schlug heftig, weil sie Angst hatte, was nun passieren würde.
Sie sah nicht, was vor sich ging und auch Geräusche gab es keine. Vermutlich tauschten diese gerade verschwörerische Blicke aus, oder unterhielten sich stumm über sie mit Handzeichen. Sezuna zuckte ruckartig zusammen, als sie plötzlich zwei Hände an den Schultern fassten und sie aufsetzten. Vor ihr erschien Chiana, die sie wohl aufgerichtet hatte, damit sie nun kniend auf dem Boden saß. Ihr Herz schlug immer schneller und Panik überkam sie schon beinahe.
„Ich bin sicher, dass du ihr alles Nötige lehren kannst, was eine Kammerzofe braucht", erklärte die Stimme des Highlords. Erst jetzt fiel Sezuna auf, dass er gar nicht mehr vor, sondern anscheinend hinter ihr stand, wo sie ihn nicht sehen konnte. Sezunas Herz klopfte heftig und sie hasste es, ihn in ihrem Rücken zu haben. Dennoch wiederstand sie der Versuchung sich um zu drehen und nach zu schauen, was er dort tat. Das würde nur zu unnötigen Strafen führen. Ihr tat von den Knieübungen noch immer alles weh. Sezuna versuchte das Zittern zu unterdrücken, schaffte es aber nicht zu verhindern, dass sie zusammenzuckte, als sie etwas an ihrem Hals spürte. Dann gab es ein leises Klicken und die Rothaarige spürte das Gewicht an ihrem Hals. Es war nicht viel, aber es machte ihr deutlich, dass sie wohl im Moment ein Halsband trug. Automatisch griff sie danach und ihre Finger berührten Leder, das eng an ihrem Hals anlag.
„Steh auf", befahl er nun bestimmt und Sezuna tat wie ihr geheißen.
Sie erblickte kurz Chianas besorgte Augen und ihren Brustkorb der sich unregelmäßig hob und senkte. „Herzlichen Glückwunsch zu eurer neuen Kammerzofe", fügte er schon fast sarkastisch hinzu und trat wieder nach vorne, um neben der Schwarzhaarigen herzulaufen. Diese folgte ihm, während sie die Lider senkte und versuchte ein Grinsen zu unterdrücken. „Ihr habt wirklich einen eigenartigen Sinn für Humor", bemerkte Chiana und drehte sich kurz beim Laufen um, um Sezunas Hals zu begutachten.
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