~Haus der Erde~
Das rötliche Licht der Flamme, die in dem großen Ofen gefangen war, tauchte den Raum in flackernde Schatten.
Von seinem Licht beschienen arbeitete eine junge Frau und rührte in einer Mischung, die an Lehmbrühe erinnerte. Ihr Haar war kurz geschnitten und wirkte fast schwarz, doch durch den Schein der Flammen tauchten immer wieder rote Stellen darin auf.
Ihre goldenen Augen waren gebannt auf die Mischung geheftet und neben ihr konnte man eine große Form erkennen. Sie war in Stein gehauen worden und man konnte sie zusammen klappen.
Man hätte wohl ein Feuerwerk um sie herum veranstalten können, doch Tizia würde ihre Arbeit keine Sekunde aus den Augen lassen. Ihre verrußten Hände hielten den Stab fest im Griff und auch wenn es nicht so wirkte als würde es sie großartig viel Kraft kosten diesen stetig in Bewegung zu halten, so würde es jeden anderen wohl doch nach mindestens drei Minuten die Puste rauben. Doch die junge Erdmagierin war es bereits gewohnt diese zeitaufwändige und vor allem anstrengende Arbeit zu verrichten. Doch sie liebte es und konnte sich nichts anderes vorstellen um ihrem Arbeitszwang nachzugehen.
Golems gießen hatte sie von klein auf gelernt und selbst hier auf der Elementary konnte sie diesem Drang nachkommen.
Die Esse, in der sie im Moment arbeitete, gehörte zur Schule und wurde fast nie genutzt. Sie war auch relativ klein, doch Tizia war nicht wählerisch. Hauptsache sie konnte hier arbeiten.
Leise erklang eines ihrer Glöckchen, das an einem Seidenband an ihrem Arm hing und gerade gegen den Topf schlug, in dem die junge Frau rührte.
Der Klang der Glocke war ein Geräusch, das sie schon seit Jahren kannte und so störte sie sich nicht daran. Auch an ihrem anderen Arm befanden sich zwei der Glocken und sie gehörten bereits zu ihr, wie ihre recht trockenen, teilweise sehr in Mitleidenschaft gezogenen, ehemals roten Haare.
Angestrengt, jedoch noch immer energiegeladen wischte sie sich mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn ehe sie sich erhob um die Kohlen des Feuers mit einem Eisen aufzuwühlen. Einige Funken sprangen über und die Flammen erhoben sich in einem wildem durcheinander.
Schnell begab Tizia sich zurück zu ihrer Brühe, um diese in die vorgefertigte Form zu gießen, bevor das Feuer wieder langsam abklingen würde.
Sie war gerade damit fertig, als sich die Tür zur Esse öffnete.
Tizia schob das fertig gefüllte Golemgrundgerüst über das Feuer und erst dann wandte sie sich zu der Frau um, die gerade den Raum betreten hatte.
Ihre schwarzen Haare waren zu einem lockeren Knoten in ihrem Nacken gebunden und ein Kranz aus Blumen zierte ihr Haupt.
Cerises schmale, kastanienbraune Augen blickten zu Tizia und die leicht abfallenden Augenbrauen wirkten so, als wäre sie traurig. Doch Tizia wusste es besser.
Cerise sah auch so aus, als sich beide Frauen das erste Mal begegnet waren. In der Nachhilfestunde für magische Runen, die Cerise Tizia gegeben hatte. Das war auch der Grund, warum Tizia diese hier duldete. Sie war eine gute Ratgeberin und hatte Ahnung vom Golembau. Nicht so viel wie Tizia, aber in den Runen war sie wesentlich besser.
Die einzige Sache die Tizia gewillt war in ihrem Golembau zu perfektionieren.
„Du bist ja schon wieder vollkommen verschmutzt“, bemerkte Cerise stirnrunzelnd und seufzte als sie Tizia einmal gründlich von oben bis unten musterte, ehe sie den Korb kurz auf dem Tisch neben ihr abstellte, um sich mit der Hand Luft zuzufächern. „Könnten wir zur Abwechslung bitte mal außerhalb dieser Sauna speisen? Ich dachte eher an das Labyrinth oder den Garten“, murmelte die zierliche Frau und hustete bei dem Qualm der in ihre Richtung schlug.
„Ich bin in wenigen Minuten fertig“, versicherte Tizia. Sie würde noch warten müssen, bis das Golemgrundgerüst die richtige Temperatur hatte. Dann konnte sie dieses aus dem Feuer holen und abkühlen lassen. Es brauchte dann sowieso eine Weile, ehe sie weiter machen konnte.
Cerise verdrehte die Augen.
„Ich werde vorgehen“, entschied sie. Manchmal fragte sie sich wirklich, wieso sie mit jemanden wie Tizia befreundet war. Cerise war die Tochter einer Adligen und aufgewachsen in einer Gesellschaft, die sich von den meisten Schülern dieser Schule unterschied. Trotz der Tatsache, dass sie schon mehrere Jahre hier war, kam ihr vieles einfach noch so fremd vor.
Wie konnte Tizia es nur mögen solche Arbeiten zu verrichten? Der Dreck und der Gestank war nichts für sie.
Die Golemgießerin schnaubte und griff nach einem dreckigem Stück Leinen um ihr Gesicht daran abzuwischen.
„Jetzt hab dich doch nicht so!“, rief sie ihr nach, als Cerise bereits dazu ansetzte den stickigen Raum zu verlassen. „Perfektion braucht nun mal seine Zeit, aber dir muss ich das ja nicht sagen Prinzesschen“, kicherte Tizia neckend und stocherte erneut ein wenig im Feuer, um es zu entflammen.
Mit einem leisen Knurren hielt Cerise inne und verkniff sich einen bissigen Kommentar. Auch wenn es sich für eine Adlige nicht schickte auf eine solche Bemerkung zu reagieren, so musste sie sich doch eingestehen, dass sie mit dieser Behauptung nicht so falsch lag wie Cerise es gern hätte.
Sie selbst war eine Perfektionistin in dem, was sie machte. Nur bezog sich das auf andere Dinge. Dennoch konnte sie es verstehen. Also seufzte sie leise. „Ich werde dennoch draußen auf dich warten. Keine Angst, ich esse es dir nicht weg“, erklärte die Schwarzhaarige. Hier drin war es ihr zu stickig.
Tizia nickte, um ihr Einverständnis auszudrücken, denn sie wusste, dass Cerise diesen Ort lieber wieder verlassen würde. Im Gegensatz zu Tizia fühlte sie sich hier unwohl.
Cerise verließ den Raum und wartete davor.
Wie überall in den Schulgebäuden gab es auch hier einige Sofaecken mit kleinen Tischen, wo Schüler sitzen und reden konnten.
Diese Sofas hier hatten ein Blumenmuster, das Cerise schon immer gefallen hatte.
Sie ließ sich also nieder und wartete darauf, dass Tizia ihre Arbeit beendete.
Ungeduldig wippte die Erdmagierin mit den Beinen auf und ab und blickte immer wieder zu der verschlossenen Tür, vor der sie Tizia jeden Augenblick erwartete.
Wie lange konnte es denn dauern ein bisschen Lehm zu formen?!
Seufzend lehnte sie sich zurück in die Polster und beachtete nicht die leeren Gänge auf denen sich hörbar einzelne Schritte näherten.
Das verwunderte Cerise doch ein wenig, weshalb sie begann zu lauschen.
Schließlich lief ein junger Mann auf sie zu, der ein wenig verwundert wirkte, als er sie entdeckte. Ähnlich verwundert, wie Cerise war, denn aus dieser Richtung kam nur selten jemand. Dort lag eigentlich nichts Interessantes.
Cerise musterte den Mann. Sein dunkelbraunes, halbgelocktes Haar fiel ihm wirr um den Kopf und seine Rehbraunen Augen wirkten freundlich, als er sie bemerkte. Hätte er nicht die typische Schuluniform getragen, hätte er auch einer der Lehrer sein können. Durch seine Größe von fast zwei Metern und seinem selbstbewussten Gang, wirkte er sehr autoritär.
„Das Oberhaupt ruft uns zu einer Versammlung“, erklärte er fast schon unbeteiligt, schenkte Cerise aber ein Lächeln und lief an ihr vorbei. „In einer halben Stunde in der Mensa“, fügte er hinzu und drehte sich noch einmal ein Stück, um zu sehen, ob Cerise es auch wahrgenommen hatte.
Diese wirkte irritiert, bist ihr einfiel woher sie diesen Mann kannte. Devin war der Schülersprecher ihres Hauses.
Es war ihr ein regelrechtes Rätsel wie sie ihn hatte vergessen können, da er doch eine recht beliebte Position einnahm. Sowohl unter Schülern als auch unter Lehrern. Seine bemerkenswerte Ausstrahlung und Wortgewandtheit hatte ihm damals dazu verholfen an die Position des Repräsentanten der Schülerschaft des Erdhauses zu werden. Sie hatte ihn damals selbst gewählt und erinnerte sich sogar noch daran, wie viel unter den restlichen Frauen getuschelt wurde, ob er wohl noch zu haben war. Und Cerise konnte es ihnen nicht verübeln. Ein gutaussehender, junger, stattlicher Mann von Welt mit einem warmen Lächeln und offenem Herzen. Etwas was sie sich selbst wünschen würde, doch Devin der Schülersprecher? Nein wohl kaum... nie würde sie sich jemandem annähern der im selben Haus war wie sie.
„Kommst du jetzt oder soll ich noch einen Golem anfangen?“, rief Tizia von der Tür aus und zog sich ihre Schuluniform mit der olivgrünen gemusterten Korsage zurecht, die sie sich wohl wieder angezogen hatte. Dennoch ließ die Erscheinung ihrer Haare und ihrer dreckigen Haut zu wünschen übrig.
Cerise erhob sich. „Wie es scheint wird das Essen ausfallen müssen. Du hast noch 25 Minuten, um dich zu waschen und für eine Versammlung zurecht zu machen“, erklärte sie, denn es gehörte sich, dass sie pünktlich waren.
Tizia fuhr sich durch ihre Haare und ein wenig Staub wirbelte dabei auf.
„Muss das wirklich sein?“, wollte sie wissen.
„Ja, der Schülersprecher hat es gerade verkündet“, erklärte die Schwarzhaarige, was ihr ein fragendes ‚Hä‘, seitens Tizia einbrachte.
Also erklärte Cerise ihr was vorgefallen war, während sie zurück zu dem Wohnhaus der Frauen eilten, damit sich Tizia noch schnell die Haare waschen und eine neue Schuluniform anziehen konnte.
Obwohl die Uniform, die vorrangig aus schwarzem, magischen Stoff bestand, für das Zaubern und auch für Alchemie und Golembau gemacht worden war, so war sie doch nicht von Schmutz verschont geblieben.
„Zufrieden Majestät?“, gab Tizia sarkastisch an ihre Begleitung und wuschelte sich durch das noch nasse rotbraune Haar.
Cerise verdrehte die Augen, doch sie musste bei ihrer Bemerkung dennoch schmunzeln.
„Sowas gehört sich nicht, dass du mich wie den König anredest“, lachte sie unterschwellig und spielte mit einer ihrer schwarzen Strähnen herum, welche sich aus ihrem Haarknoten gelöst hatte und nun im kühlen Wind der Nacht tänzelte.
Zusammen mit Tizia lief sie über eine kleine Grünfläche, ehe sie erneut in ein Gebäude traten.
„Was ist los mit dir, du bist so in Gedanken?“, wollte die Frau mit den dunkelroten Haaren wissen und Cerise lächelte ein wenig.
„Ich muss an Devin denken“, murmelte sie leise und wurde ein wenig rot.
Tizia hob eine Augenbraue. „Der Schülersprecher? Ich erinnere mich an ihn. Schwach.“
Cerise riss beinahe schon bestürzt die Augen auf und runzelte die Stirn, als sie zu Tizia hinaufblickte.
„Er ist überhaupt nicht schwach! Anscheinend hast du ihn wohl noch nie zuvor gesehen“, rechtfertigte sie sich und wandte kurz darauf den Blick wieder beschämt zu Boden, als sich ihre Wangen erröteten.
Tizia hob die Hände bei diesem ungewohnten Ausbruch an Gefühlen. „Nun beruhig dich mal. Ich meine nicht, dass er schwach ist, sondern dass ich mich schwach an ihn erinnere“, rechtfertigte sie sich und verdrehte innerlich die Augen.
Woher hätte sie denn wissen sollen, dass sie einen wunden Punkt bei ihr traf?
„Seit wann hast du denn überhaupt ein Auge auf den fabulösen Schülersprecher, Devin geworfen?“, fügte Tizia betont hochgestochen hinzu, in der Hoffnung Cerise ein wenig Spannung aus der Situation nehmen zu können.
Mit unruhigem Zupfen und Drehen zwirbelte die Schwarzhaarige ihre Strähne mit aufsteigender Nervosität und Verlegenheit.
„Das tuh‘ ich doch gar nicht!“, platze es aus ihr heraus, als sie den Kopf wieder hob und sie kurz darauf gefasst räusperte. „Ich meine... er ist nun mal ein sehr beliebter Schüler und jeder kennt ihn... und abgesehen davon gibt es sehr viele Frauen, die sich für ihn interessieren.“
Tizia hob ungläubig eine Braue und schielte mit ihrem goldenen Blick unauffällig zu Cerise.
„Natürlich...“, antwortete Tizia ironisch und tat so, als würde sie ihr diese Ausrede wirklich glauben. „Was soll denn so toll an ihm sein, dass... die anderen Frauen wie du sagst... ihn so toll finden? Hat er einen dicken Schwanz?“
Diese sehr direkte und ungehobelte Bemerkung verschlug Cerise für einen Augenblick die Sprache und sie starrte Tizia fassungslos an. Ihr Mund klappte leicht auf und dann wieder zu. Sie wirkte irgendwie wie ein Fisch, der nach Wasser rang und dabei brachte sie keinen Ton hervor.
Ihr fehlten schlicht weg die Worte und Tizia begann heftig zu lachen. Es war doch immer wieder witzig, wie die arme Cerise auf solche Sachen reagierte. Manchmal war sie wirklich so naiv, unschuldig und weltfremd, wie sie auf den ersten Blick aussah.
"Na wenn man vom Teufel spricht", flüsterte Tizia bei einem Blick in den Haupteingang, in dem das vermeintliche Gesprächsthema namens Devin stand. Cerise hob den braunen Blick und lief, bei dem Anblick des jungen Mannes in Verbindung mit Tizias vorigen Worten, hochrot an. Unweigerlich senkte sich der Blick der zierlichen Frau auf seinen Schritt wobei sie sich zügelte und verbissen die Augen zukniff. Dennoch war Tizia der Blick nicht entgangen und somit hatte sie große Mühe ein aufkommendes Lachen zu unterdrücken. "Wenn du möchtest kann ich ihn ja fragen ob er wirklich-", setzte Tizia unschuldig mit einem kicherndem Unterton an.
"Untersteh dich!", unterbrach Cerise diese mit einem eindringlichen Flüstern und zerrte Tizia so weit weg von dem Schülersprecher wie nur möglich, während Tizia laut auflachte.
Das konnte ja eine interessante Versammlung werden.