https://www.deviantart.com/ifritnox/art/714174973
»Iljan.«
Der junge Vampir zuckte zusammen und fuhr herum. Merkanto registrierte, wie Iljan das rothaarige Mädchen hinter sich schob, dann zuckten die Augenbrauen von Iljan unsicher, als er Merkanto erkannte.
»Was willst du?«, fragte Iljan schließlich misstrauisch.
»Dein Vater sagte, dass du geflohen bist.«
Merkanto merkte, dass dies die falschen Worte waren. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung hatte Iljan den Degen gezogen und richtete die Waffe auf Merkanto. Das Mädchen hinter dem Rücken des Vampirs knurrte wie ein wildes Tier.
Merkanto hob eilig die Hände. Er wusste, wie schnell Iljan sein konnte. »Warte, Iljan! Bitte, hör mir zu! Um unserer Freundschaft willen!«
Freundschaft war vielleicht ein zu starkes Wort, doch Merkanto hoffte, dass Iljan sich an die gegenseitige Zuneigung erinnerte und die Waffe nicht einsetzte. Sie hatten einander oft getroffen, seit Merkanto mit Iljans Vater der Berater der Königin war. Dem Magier war es immer so erschienen, als sei Iljan zu ihm weitaus freundlicher, als es Diplomatie und Höflichkeit geboten. So, als würde er Sympathie für den Magier hegen, in ihm mehr sehen als bloß einen weiteren Diener der Dunkelheit.
»Ich gehe nicht zurück«, erklärte Iljan mit fester Stimme. »Egal, was du sagst.«
»Geh nicht zurück«, sagte Merkanto.
Iljan stockte. »Was?«
»Ich sagte: Geh nicht zurück. Bleib bei deinem Plan«, Merkanto merkte, dass er Iljan überrascht hatte. »Wir sind gekommen, um mit dir zu gehen.«
Die Offenbarung zeigte nicht die erwartete Wirkung. Iljan drehte sich im Kreis, suchte. »Wer ist bei dir?!«
Merkanto hätte sich ohrfeigen können. Er war Diplomat, bei allen Höllenkreisen! Wieso konnte er nicht besser darauf achten, was er sagte?
»Askook, komm heraus. Langsam«, befahl Merkanto laut.
Der rote Feuerdrache schälte sich raschelnd aus dem Gebüsch. Iljan und das Mädchen wichen fluchend zurück.
»Wir sind wirklich nicht hier, um euch aufzuhalten!«, rief Merkanto laut und hoffte, Iljan trotzdem zu überzeugen. »Wir wollen mit dir gehen.«
»Warum?«, fragte Iljan.
Askook war zum Stillstand gekommen, Iljan mit erhobenem Degen erstarrt. Der Vampir war seit einigen Wochen auf der Flucht. Es war schwierig gewesen, ihn aufzuspüren. Merkanto durfte diese Chance nicht verpassen.
»Ich will schon lange weg«, sagte er. »Du warst doch in meinem Büro, Iljan. Erinnerst du dich nicht an die Vögel?«
Iljan warf einen schnellen Blick zu Merkanto, behielt dann weiter den Drachen im Auge. Die Luft knisterte vor Anspannung.
»Doch«, sagte Iljan dann.
»Ich will ins Sonnenland«, sagte Merkanto. »Das ist … na, ein alberner Kindheitstraum von mir. Aber er hat mich nie losgelassen. Ich habe mir meine Eltern nicht ausgesucht, ich fand es immer unfair, dass ich ihretwegen hier sein muss – Krieg führen, kämpfen, lügen und betrügen. Ich mochte dich, Iljan, denn als Kind warst du so wunderbar ehrlich.«
Es war ein seltsames Gefühl, diesen Jungen anzubetteln, den er aufwachsen gesehen hatte. »Ich kann nicht zurück zu deinem Vater«, flehte Merkanto. »Er würde mich umbringen. Nimm mich mit!«
»Und der Drache?«, fragte Iljan.
»Will auch mit«, knurrte Askook mit seiner tiefen Stimme. Er nickte zu Merkanto herüber. »Aus dem gleichen Grund.«
»Wir sind das Schattenreich leid«, sagte Merkanto. Iljan ließ den Degen sinken, der Kampf schien geschafft.
»Dann … glaubt ihr an meinen Plan?«, fragte Iljan unsicher.
»Natürlich tun sie das«, das Mädchen war schon beinahe wieder aus Merkantos Bewusstsein verschwunden, als sie zum ersten Mal sprach. In vertrauter Geste legte sie Iljan eine Hand auf die Schulter. »Weil du Recht hast.«
Zögerlich steckte Iljan den Degen weg. »Nun denn … das hier ist Jackie. Jackie, das ist Merkanto, er ist Kriegsmagier und Berater.«
»Und Askook ist ein Laufbursche«, stellte Merkanto den Drachen vor. »Ein Bote.«
Der Drache neigte den Kopf und Iljan nickte ihm zu.
Das Mädchen, Jackie, lachte auf. »Bei dem Beruf würde ich auch fliehen wollen.«
Askook fletschte die Zähne und ließ ein grollendes Lachen hören. Merkanto lachte mit.
Das Prickeln in der Luft war verschwunden.