Takjin erwachte von seinem eigenen Nieser.
Hustend rollte er sich auf die Seite und stellte fest, dass sich die winzige Höhle um ihn drehte. Sein ganzer Körper schmerzte, jedoch war es nicht der scharfe, klar zu fassende Schmerz eines Wolfsbisses, sondern ein unbestimmtes Drücken und Ziehen in allen Gliedern. Takjins Kopf pochte so stark, als sei er gegen eine Wand gerannt.
Er setzte sich langsam auf. Sein Mund war trocken, sein Hals kratzte. Ihm war gleichzeitig heiß und kalt, seine Augen tränten. Obwohl er gerade erst wach geworden war, fühlte er sich so müde, dass er sich einfach wieder hinlegte und weiter schlief.
Er wachte wieder und wieder auf, jedes Mal nur für wenige Minuten. Mal war es hell, mal dunkel, einmal regnete es. Takjin rollte sich auf seinem Erdhügel zusammen und wusste nicht mehr, wie viel Zeit verging.
Irgendwann wurde der Hunger so stark, dass Takjin nicht mehr einschlafen konnte, obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte.
Er stand auf und wankte zu der magischen Kiste herüber, um sich etwas zu essen zu holen.
Als er den Deckel aufstemmte, fand er einen Brief von Dokarestmus.
Takjin blinzelte und sah an dem Papier vorbei, das auf einem Stapel frischer Kartoffeln lag, dazwischen befand sich Brot, Fleisch und sogar eine Schale mit Suppe. Takjin nahm die Suppe und stellte fest, dass sie noch lauwarm war. Er schlürfte sie aus der Holzschale und die Wärme flutete seinen Magen. Das Schlucken tat weh.
Takjin war schon früher krank gewesen. Die Bäckersfrau hatte immer betont, dass er viel essen und trinken sollte, um wieder gesund zu werden. Also quälte er sich, trotz der Schmerzen, durch zwei Stücke Fleisch und einige gebackene Kartoffeln. Dann trank er etwas Wasser.
Schließlich, obwohl er zum Umfallen müde war, nahm er den Brief und las ihn.
Lieber Takjin, stand da.
Mit deiner Hilfe ist mir die Flucht geglückt! Ich bin zurück auf Soregrat, meiner wunderbaren Heimat. Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich es mich macht, wieder zuhause zu sein. Dies ist ein Geschenk, dass man nicht in Gold aufwiegen kann – ich werde mit Kartoffeln und Fleisch beginnen, mein Freund!
Jetzt ist die Zeit gekommen, dir deine Dienste zu vergelten. Was immer du brauchst, schreib mir und ich werde versuchen, es dir zu verschaffen. Leider kann ich nicht mit Reichtum dienen, doch vielleicht reicht dir für den Anfang etwas Essen? Und täglich eine warme Suppe kann ich dir versprechen!
Ich stehe tief in deiner Schuld,
Dokarestmus.
Takjin, warum meldest du dich nicht? Ich mache mir Sorgen – geht es dir gut?
Die letzte Zeile schien später hinzugefügt worden zu sein. Takjin konnte nur rätseln, wie viele Tage er durch die Krankheit verschlafen hatte. Mit steifen Fingern machte er sich daran, eine kurze Antwort zu kritzeln:
Ich bin krank, ahber sonst geht es mir gut. Danke für das Essen. Tut mir leihd, dass ich mich nicht gemeldet habe.
Er legte das Papier in die Kiste und schleppte sich zurück auf den Erdhügel. Essen und Schreiben hatten ihn erschöpft, nun rollte er sich wieder zusammen und seine Augen fielen zu. Takjin fühlte sich, als ob etwas seine ganze Kraft aus ihm herausgesaugt hatte. Er atmete schwer und langsam und war bald wieder eingeschlafen.
Als er diesmal erwachte, fühlte er sich immer noch erschlagen, doch er konnte aufstehen und durch die Höhle wandern.
Als er die Kiste öffnete, hatte Dokarestmus einen neuen Zettel gesandt.
Hallo Takjin,
ich hatte vergessen, dass du womöglich in einer Höhle ohne Decke sitzt. Die wenigsten Verstecke meiner Kiste sind dauerhaft als Wohnung geeignet. In der Kiste findest du einen goldenen Apfel, iss den. Er sollte helfen.
Dokarestmus.
Takjin fand den Apfel und begutachtete ihn. Das Ding hatte die Form und das Gewicht eines Apfels, doch seine Haut war golden – genauso kühl und hart und glänzend wie das Metall. Als Takjin hineinbiss, stellte sich die Härte immerhin als Täuschung heraus, doch die Kälte drang tief in seinen Körper vor. Takjin fröstelte, doch er aß weiter, im Vertrauen darauf, dass Dokarestmus ihn nicht anlügen würde.
Er fühlte sich nach dem Essen tatsächlich stärker und begann, eine Botschaft an seinen geheimnisvollen Retter zu verfassen.
Hallo Dokarestmus,
wie viehle Kisten hast du denn?
Danke führ den Apfel, es geht mir schon viehl besser.
Ich muss fragen ... Takjin zögerte. Er wusste nicht, wie er seine Frage formulieren sollte. Er hatte das Gefühl, aufdringlich zu klingen, aber andererseits hatte Dokarestmus die Insel mehrfach angesprochen.
Wo liegt Soregrat? Ich würde gerne zu dir kommen, hiehr draußen habe ich keine Freunde mehr.
Takjin
Er legte den Zettel mit einem mulmigen Gefühl in die Kiste, dann durchsuchte er die Vorräte und fand eine Schüssel mit neuer, warmer Suppe zuoberst auf dem Stapel. Takjin nahm sich ein Brot dazu und tunkte es in die Suppe, während er auf Dokarestmus' Antwort wartete.
Er musste immer noch niesen und sein Husten hörte sich rau und keuchend an, aber Takjins Lebensgeister waren zurückgekehrt. Die Hoffnung, dass er möglicherweise nach Soregrat kommen könnte, war genug, um seinen Kampfgeist zu wecken.
Seine Kindheit in Birkengrund hatte ihm einen unbeugsamen, stets optimistischen Willen verliehen, wie Takjin nun erkannte, als er über der warmen Suppe seine Situation rekapitulierte. Andere hätten vielleicht aufgegeben, doch er hatte es geschafft – hatte den Verrat verwunden, war den Monstern entkommen und hatte gegen alle Wahrscheinlichkeit einen Freund gefunden, der ihm helfen konnte.
Die magische Kiste machte leise „Wupp!“
Takjin beendete seine Mahlzeit hastig und stemmte dann den Deckel auf.
Hallo Takjin, hatte Dokarestmus geschrieben,
Zu deiner ersten Frage: Es gibt insgesamt noch vier Kisten, nachdem ich jene aus meiner Gefangenschaft zerstört habe.
Soregrat ist schwer zu erreichen, denn die Insel ist verborgen. Doch du bist hier immer willkommen, junger Freund! Wenn du herkommen willst, so musst du mir etwas über die Gegend erzählen, in der du dich befindest. Es gibt drei mögliche Orte, wo du sein kannst. (Dass du nicht bei der Kiste auf Soregrat bist, steht jedenfalls fest.)
So oder so wird es für dich eine gefährliche Reise, bis du in einen Bereich kommst, wo ich dich aufsammeln kann. Wenn du dazu bereit bist – was mich sehr freuen würde – dann sag mir, wo du dich befindest und ich werde mir alle Mühe geben, dich für deine Reise auszurüsten.
Dokarestmus