Mila wandte den Blick ab. „Du warst doch nicht etwa beim See! Mila, ich habe dir gesagt, du sollst nicht in dieser Brühe schwimmen gehen", donnerte ihre Mütter wütend und schien sich nicht einmal daran zu stören, dass sie Besuch hatten. Mila biss sich auf ihre Lippen.
„Ich war nicht schwimmen, ich war nur spazieren", versicherte sie leise, aber ihr war anzusehen, wie schlecht sie sich dabei fühlte von ihrer Mutter so angefahren zu werden.
„Clarice", zischte Jonathan plötzlich und blickte sie vielsagend mit wütendem Blick an. „Was geht hier vor sich?", fragte er nach einer Schweigeminute, in der er versuchte die Stimmung zu entschärfen.
Elon dagegen wirkte einfach nur erschrocken und angespannt von dem plötzlichen Stimmungswechsel seitens Milas Mutter.
Clarice blickte ihren Mann direkt an. „Ich habe ihr verboten in diesem See zu schwimmen. Er ist so dreckig und schlecht für ihre Gesundheit", erklärte sie sich, als würde sie nicht verstehen, warum ihr Mann so verärgert war.
„Das ist etwas, worüber man in normaler Lautstärke sprechen kann. Außerdem sagte sie doch, dass sie nur spazieren war", erwiderte Milas Vater gelassen und aß gemütlich weiter die Vorspeise.
„Aber sie war allein unterwegs. Wenn sie von Anfang an nicht allein gegangen wäre, dann wäre sie auch gar nicht erst in dieses Unwetter geraten", erklärte Clarice, als wäre das offensichtlich. Mila versuchte sich aus dem Gespräch rauszuhalten. Sie wollte nicht schon wieder eine Anstandsdame. „Und sie hat auch nicht gesagt wo sie hin geht! Stell dir vor sie hätte ihr Telefon verloren."
„Dann wäre sie nach Hause gelaufen", mutmaßte Jonathan und seufzte schwer. Besorgt blickte er zu seiner Tochter, welche nur stumm auf ihren Teller starrte. Sie hielt ihr Besteck so fest umklammert, dass ihre Knochen bereits weiß hervortraten.
„Nun, sie war ja nicht allein. Da waren reichlich Kinder und Familien in dem klinisch verseuchten See", mischte sich Elon beiläufig ein.
Milas Blick schnellte zu ihm und sie wirkte, als würde sie ihm am liebsten den Kopf für diese Bemerkung abschlagen. Wollte er ihre Mutter noch mehr ärgern? Am Ende würde diese noch zu einer Gesundheitsbehörde rennen und den See absperren lassen.
Den anderen Anwesenden schien es ähnlich zu gehen, denn Jonathan blickte ihn an, als würde er ihn warnen wollen und Clarice sah aus, als würden ihr gleich die grauen Augen aus dem Kopf fallen.
Elon dagegen blickte abwechselnd zu den drei Anwesenden und schien stumm zu fragen, ob er was Falsches gesagt hatte.
„Ich vergaß... kein Humor. Verzeiht, Lady Milas Mutter", gab Elon von sich und versuchte sich wieder unsichtbar zu machen, indem er einfach weiter aß.
„Du hast dich ihm nicht einmal vorgestellt?", fragte ihr Vater etwas verwirrt an seine Frau gerichtet. Mila räusperte sich.
„Du dich auch nicht", sagte sie leise und musste ganz leicht schmunzeln.
„Ich bin nun einmal davon ausgegangen, dass wenn jemand schon unsere Tochter zu sich einlädt, dass dieser jemand wenigstens ihren Nachnamen kennt", zischte Clarice und trank erneut ihr Glas aus, als sie Anna zu sich schnipste.
„Ich habe mich vor der Klasse vorgestellt", murmelte Mila ganz leise und überlegte, ob es so eine gute Idee gewesen war sich einzumischen.
„Du hast mich erwischt. Ich hab nicht zugehört", gestand Elon ohne Umschweife und legte sich ganz im melodramatischen Stil die Hand aufs Herz, als würde er tiefsitzende Schmerzen empfinden.
„Tust du das jemals?", wollte sie wissen und verdrehte die Augen. Wie oft hatte sie ihn schon im Unterricht schlafen sehen? Oft genug, um sich sehr gut daran zu erinnern. Aber das war vielleicht hier kein so guter Platz, um das auszudiskutieren. Aber in dem Moment fiel ihr etwas ein und sie drehte sich zu ihrer Mutter. „Ach ja, Mutter. Der Lehrer hat mich gefragt, ob ich Zeit hätte einigen Schülern Nachhilfe zu geben", erklärte sie und es war kein wirkliches Gefühl daraus zu hören.
Ein fast hysterisches Kichern entkam Clarice Kehle. „Und was soll das heißen? Du hast bereits genug zu erledigen, mit dem Unterricht, den du nachholen musst. Wenn ich nur endlich einen vernünftigen Hauslehrer für dich finden würde", diskutierte die ältere Frau mit sich selbst und ließ ihre Vorspeise komplett außen vor und machte sich über den Wein her.
„Möchtest du das denn gerne machen?", fragte ihr Vater stattdessen neugierig und ignorierte seine Frau.
Mila konzentrierte sich nun auf ihren Vater, was ihr nicht leichtfiel. „Ich würde es schon ganz gerne machen, bis Mutter einen neuen Lehrer für mich gefunden hat. So kann ich den Stoff noch einmal wiederholen und würde anderen damit helfen. Ich meine ich gehe ihn ja sowieso noch einmal durch, dann kann ich das auch mit anderen zusammen machen", versuchte sie sich zu erklären.
Ihr Vater nickte zustimmend und blickte zu seiner Frau.
„Das klingt doch nach einem vernünftigen Plan, oder?", meinte er und schien so zu tun, als hätte die vorige Diskussion nie existiert. Die rothaarige Mutter dagegen knirschte lediglich mit den Zähnen, was als eine Art wiederwillige Zustimmung galt. Zu oft hatten die drei bereits eine solche Unterhaltung geführt.
Aber wenn ihr Vater im Haus war, dann waren solche Unterhaltungen viel angenehmer. So stand er gegeben ihre Mutter und sie musste nicht selbst versuchen etwas zu erklären. Außerdem schien ihre Mutter dann ein wenig ruhiger zu sein.
„Dann werde ich es meinem Lehrer mitteilen und ihm auch sagen, dass es nur so lange geht, bis ich meinen neuen Hauslehrer habe", erklärte Mila und blickte ihre Mutter an und hoffte auf Zustimmung.
Diese atmete lautstark mehrmals ein und wieder aus, während sie einen tiefen Schluck Wein nahm und darauf ihre Mundwinkel mit der Serviette abtupfte. „Befristet Mila. Ist das klar?", meinte ihre Mutter plötzlich streng, um nicht zu nachsichtig zu wirken.
Mila strahlte. „Ja, natürlich. Versprochen", versicherte sie und wirkte wieder gut gelaunt. Alles was vorher gewesen war, schien bei ihr vergessen.
Ganz im Gegenteil zu Elon, der mehr als irritiert zwischen den Nadasdys hin und her blickte.
„Ihr seid wirklich eine merkwürdige Sippschaft", murmelte Elon rätselnd und verstand einfach nicht was gerade hier geschehen war. Zuerst war alles feindselig gesinnt, dann stritten alle, dann gab es kalten Krieg und jetzt war alles wieder gut?
„Denk einmal nach, bevor du etwas sagst", zischte Mila ihm leise zu. Wieso musste er immer gleich mit allem rausplatzen?
Elon seufzte angestrengt und begann in den Resten seiner Vorspeise zu stochern.
„Ich wünschte du würdest endlich mal ein wenig Spaß verstehen. Du musst in einer traurigen Welt leben. Kannst du überhaupt Farben sehen?", warf Elon zurück und triefte in seiner Bemerkung nur so vor Bissigkeit.
Diese Bissigkeit überraschte Mila sehr und sie schwieg, beobachtete aber, wie ihr Vater sich zu Elon lehnte und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Sie wirkte zwar verwundert, war aber dennoch neugierig. Hatte sich ihr Vater nun etwa gegen sie verschworen und endlich den Sohn gefunden, den er niemals hatte, mit dem er über sie lästern konnte? Sie wagte es zu bezweifeln. Doch die Frage blieb offen.
Vielleicht warnte er ihn ja auch, dass er sie nicht mehr so anfuhr? Mila konnte es nicht sagen und es beschäftigte sie sehr.
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Könnt ihr Elons Reaktion nachvollziehen?
Wie findet ihr das generelle Gespräch?
Was glaubt ihr hat Milas Vater Elon zugeflüstert?