Elon hielt eine Weile inne und musterte Milas Blick. Meinte sie das ernst? Er war doch nicht einer ihrer Angestellten! Sie war doch immerhin kein kleines Kind mehr, was den Wasserkocher nicht bedienen durfte.
„Bitte... aber lass es dir nicht zur Gewohnheit werden", meinte Elon und begab sich zurück in das Erdgeschoss wo die Küche ihren Platz hatte.
Als er diese betrat war er nur milde über die Ausstattung überrascht.
Ein wenig nervös begann er damit die Schränke nach einer Tasse und Tee abzusuchen. Er entschied sich für Pfefferminze, da dieser Kräutertee war und sicherlich gut bei Erkältungen. Einen speziellen Krankentee fand er nicht.
Noch dazu hatte sie keinen speziellen Tee gewünscht, sondern nur Tee! Also konnte sie ihn gar nicht darauf festnageln. Der Wasserkocher war zwar laut aber dafür schnell und zauberte binnen einigen Sekunden frisch gekochtes Wasser herbei, welches er in eine champagnerfarbene Tasse mit Teebeutel goss.
Er nahm sich auch noch einen Löffel und eine kleine Schale Zucker, die er beim Suchen nach der Tasse gefunden hatte und lief dann vorsichtig wieder die Treppe nach oben.
Vielleicht schlief sie schon und der Tee war unnötig und er konnte endlich gehen. Doch als er das Zimmer betrat, öffnete sie die Augen und blickte ihn erschöpft an.
Elon zwang sich zu einem gepressten Lächeln und hielt verheißungsvoll den Tee in die Höhe.
„Es war nicht einfach, aber ich habe deine Prüfung bestanden. Pfefferminztee und Zucker dazu", präsentierte er seine Zubereitung beim Abstellen auf den Beistelltisch, als hätte er eine vollkommen neue Kreation erschaffen, die es zu verehren galt.
Mila lachte leise und setzte sich ein wenig auf, damit sie nach dem Tee greifen konnte. Doch zuerst machte sie sich mehrere Löffel Zucker in die Tasse. Sie mochte ihren Tee am liebsten sehr süß.
Mit verzerrtem Gesicht besah sich Elon Milas Zubereitung, als würde sie sein Werk schänden. „Hast du einen Antikörper gegen Diabetes in deiner Blutlaufbahn oder ist es dir einfach egal, dass du Karies kriegen könntest?", fragte Elon und beobachtete unverständlich wie Mila den flüssigen Sirup trank.
„Ich versuche süß zu sein, ich dachte das hilft", meinte sie und Elon konnte ein leichtes Lächeln sehen, das sie aber hinter der Tasse versteckte, aus der sie nun trank. Aber da der Tee zu heiß war, musste sie ihn erst einmal ein wenig abkühlen lassen, indem sie in die Tasse pustete.
„Das war ja grauenhaft. Sag bloß du hattest schon mal einen Freund", lachte Elon ungläubig und blickte erneut zu der Vitrine, in welcher das Erbstück ihres Großvaters stand.
„Nicht das, was du unter einem Freund definierst", erklärte sie und beobachtete seinen Blick, während sie versuchte sich so zu setzen, dass sie sich an die Wand lehnen konnte. Das Kissen dabei in ihrem Rücken. So war es einfach viel leichter zu trinken.
„Einen festen Freund", korrigierte er und drehte sich wieder zu der Rothaarigen um. „Mit den Sprüchen kannst du doch nie weit gekommen sein."
„Meine Mutter war kurz am überlegen, mich zu verloben, doch seine Manieren waren ihr dann doch zu schlecht", erklärte Mila leise und nahm vorsichtig einen Schluck Tee. Auf Elons zweite Bemerkung ging sie gar nicht weiter ein. Sie wusste ja, dass ihre Sprüche nicht gut waren, aber in ihrem bisherigen Umfeld hatte sie damit auch nie Punkten können.
Ungläubig hob Elon die Augenbrauen und schien ihr nicht wirklich glauben zu schenken.
„Du bist doch nicht mal volljährig. Und ist sowas wie Zwangsheirat nicht verboten? Als was arbeitet deine Mutter überhaupt? Scheich?"
„Mutter ist Anwältin", erklärte Mila mürrisch. „In unserer Umgebung war das normal, dass die Eltern ihre Kinder verlobten. Aber ich bin froh, dass sich Mutter umentschieden hat. Ich hab ihn gehasst."
Elon schnaubte verächtlich und konnte einfach nicht fassen, dass das Milas einziges Problem war.
„Das ist alles? Du möchtest den Typen nicht aber wenn er dir Frühstück ans Bett bringt nimmst du es in Kauf dein Leben in die Tonne zu treten, damit deine Mutter, die noch dazu Anwältin ist, Scheine zählen kann bis sie ins Grab fällt?"
„Sie will nur, dass ich jemanden habe, der sich um mich kümmert und auf mich aufpasst", erklärte Mila, als wäre es normal. „Und ein Mann, der mir das Essen ans Bett bringt und mich verwöhnt ist doch nicht falsch." Sie konnte Elons Standpunkt wirklich nicht nachvollziehen. Es gab genug Ehen, die nichts mit Liebe zu tun hatten und nur dazu dienten, das Familienunternehmen zu bereichern. Liebe konnte man auch anders finden.
„Gott, du bist ja wirklich komplett gehirngewaschen. Ist deine Mutter vielleicht ein Illuminati oder sowas? Oder lernt man das im Jurastudium?", fragte er neugierig und musterte Mila mit einem verständnislosen Kopfschütteln.
„Ich weiß, dass du unsere Ansichten nicht teilst, genauso, wie es uns schwer fällt Dinge, die du tust, nachzuvollziehen. Die Welten, aus denen wir stammen sind einfach viel zu unterschiedlich", gab Mila leise von sich und trank einen etwas größeren Schluck Tee, da dieser nun abgekühlt war.
„Was ist denn an mir so rätselhaft, was du nicht verstehst?", fragte er misstrauisch und erhob sich, um an sich herab zu blicken.
„Die Art und Weise wie du Dinge betrachtest", versuchte sie sich zu erklären. „Wie du mit anderen umgehst und wie du dein Leben lebst."
Elon blickte sie nüchtern an. „Du meinst wie ein normaler Mensch?", fragte er verheißungsvoll und wirkte angestrengt, als er sich auf Milas Bett fallen ließ. „Ich bin halt weltoffen, das verstehst du nicht."
„Ich bin anders aufgewachsen als du", wich Mila ein wenig aus. „Natürlich verstehe ich das nicht. Ich kenne es so nicht."
Unbeeindruckt hob Elon eine Augenbraue, als würde er sie fragen wollen, ob sie das ernst meinte. „Du meinst in Bezug auf deine Mutter?"
„Ja. Bei uns ist es schlimm seinen Eltern zu widersprechen", erklärte Mila leise und wusste nicht so recht, wie sie es Elon erklären sollte. „Wenn man das tut wird man ausgeschlossen und von den anderen nicht mehr beachtet. Außerdem gibt es Ärger."
Der Blonde verschränkte nachdenklich die Arme hinter seinem Kopf und schien nachzudenken, während er die Decke des Himmelbettes musterte. „Ist deine Mutter vielleicht so streng mit dir, weil du dich manchmal komisch verhältst?", fragte er ohne den Blick abzuwenden.
Mila schüttelte den Kopf. „Ich finde nicht, dass sie streng ist. Sie weiß eben, was sie von mir möchte und was nicht", erklärte sie leise. „Und komisch verhalten... eigentlich nicht. Ich bin nur sehr oft krank."
Elon seufzte schwer, als hätte ihm die Decke alles angetan. „Also gibt es keinen Grund warum sie so zu dir ist? Warst du als Kind vielleicht störrischer, weswegen sie dich jetzt so kontrolliert?", versuchte er es erneut, auch wenn Mila nicht verstand was genau er suchte.
Mila blickte nachdenklich zur Decke. „Ich war als Kind anders. Aber nicht störrisch. Vater meinte ich war ein wenig aufgedrehter, aber für ein Kind normal. Dann bin ich schwer krank geworden", erklärte sie leise. „Mutter hat Tag und Nacht an meinem Bett verbracht. Zwischenzeitlich haben sie geglaubt, dass ich sterben würde."
Elon blieb still am Fußende liegen und lauschte lediglich Milas Worten. Diese Frau war ihm wirklich ein Rätsel, aber keines, das er nicht lösen konnte. „Du wurdest krank?", fragte er nach und schien nachdenklich. „Was genau hattest du denn?"
„Das konnte keiner so genau sagen. Man vermutet einen Virus. Ich lag lange mit Fieber im Bett und sogar einige Tage im Koma. Ich war noch zu klein, um mich genau daran zu erinnern", erklärte sie langsam. Sie kannte nur die Erzählungen und das waren nicht viele, denn jedes Mal wenn sie ihre Eltern darauf ansprach, brachen diese bei den Erinnerungen in Tränen aus. Was sie verstehen konnte. Es muss eine schwere Zeit für sie gewesen sein.
„Aber du erinnerst dich an das, was vor der Krankheit war?", fragte er und rollte sich zur Seite, um sich ein wenig aufzustützen und Mila anzusehen.
Diese überlegte. „Sehr schwach. Ich war zu jung. Ich war erst fünf Jahre", murmelte sie und fragte sich, warum Elon das wissen wollte.
Er war einfach unerklärlich für sie. Plötzlich lächelte er sacht und schloss die Augen als er sich wieder auf den Rücken fallen ließ.
„Jedenfalls, wenn deine Mutter einen Verlobten für dich sucht, Chris Mutter führt ein Cateringunternehmen und ist dementsprechend eine begnadete Köchin. Ich kann es nur empfehlen", wechselte er plötzlich das Thema.
Mila wirkte überrascht. „Warum versuchst du die ganze Zeit mich mit Chris ... zu verkuppeln?", wollte sie wissen und zeigte das erste Mal, dass sie gar nicht so wenig verstand, wie sie anderen gerne versuchte weiß zu machen.
„Das sagte ich doch schon. Er mag dich", wiederholte er.
„Ja, aber denkst du nicht, dass wenn er mich mag, es auch er sein sollte, der mir das sagt und nicht du?", wollte sie wissen und leerte die Tasse Tee. Es ging ihr schon ein wenig besser, aber das lag wohl auch an den Tabletten, die sie genommen hatte, während Elon ihr den Tee zubereitet hatte.
„Er ist... nun einmal nicht so offensiv. Ich gebe ihm nur einen Schubs in die richtige Richtung", erklärte Elon und gestikulierte unentschlossen mit den Armen in der Luft herum.
Mila seufzte. „Eigentlich versuchst du nicht ihn zu schubsen, sondern mich. Ich soll ihn doch fragen, obwohl ich ihn nicht kenne. Damit gebe ich ihm nur das Gefühl etwas von ihm zu wollen, obwohl das vorgespielt wäre. Wenn er mich fragt dann muss er nicht erwarten dass ich etwas für ihn empfinde, selbst wenn ich zustimme", versuchte sich Mila zu erklären. „Hältst du es wirklich für richtig so mit den Gefühlen deines Freundes zu spielen?"
Elon rollte die Augen.
„Du weißt doch gar nicht, ob du etwas für ihn empfindest. Wie du schon sagtest, kennst du ihn nicht. Abgesehen davon bist du mir so oder so was schuldig. Also liegt das nicht in deinem Interesse. Und wenn ich so darüber nachdenke hab ich dich heute nach Hause gefahren. Das wären dann also schon zwei Gefallen."
Mila seufzte. „Wenn du wirklich gewollt hättest, dass Chris und ich uns näher kennenlernen, dann hättest du dafür sorgen können, dass er mich heimfährt. Immerhin hat er damit geprahlt den Führerschein zu haben", murmelte sie und hustete leise. „Was willst du also jetzt schon wieder von mir?"
„Er hat kein Auto. Und es ist immer gut einen Gefallen irgendwo gut zu haben. Frag ihn erstmal nach einem Date. Mal schauen was ich dann damit anfange."
Mila schloss die Augen. „Na gut, wie du willst", murrte sie nicht begeistert. Dieser Junge war ihr ein Rätsel. Und sie hatte ein wenig Angst davor, was er noch so von ihr wollte.
„Sehr gut!", meinte er plötzlich und sprang auf seine Füße, um sich ausgiebig zu strecken. „Dann werde ich drauf warten, dass du ihn fragst. Versuch es aber noch diese Woche hinzukriegen, denn seine Schwester heiratet demnächst. Er wird sich sicher freuen dich seiner Familie vorführen zu können", meinte Elon grinsend. „Brauchst du noch was?"
Mila blinzelte. „Ich glaube nicht, dass er mich gleich mit zu einer Hochzeit nehmen wird. Außerdem reden wir von einem Date. Nicht von einer Beziehung", gab Mila nüchtern von sich.
Elon musste sich ein breites, diabolisch Grinsen verkneifen. Womöglich sollte er Mila nicht gleich verscheuchen, doch sie kannte Chris überhaupt nicht. Natürlich würde das kein normaler Mensch tun. Aber Chris war nicht normal.
„Aus einem Date kann eine Beziehung werden. Lass dich einfach drauf ein", beharrte er.
„Das ist wirklich unglaublich. So viele seltsame Leute auf einen Haufen sind mir noch nie begegnet", murmelte die Rothaarige und lehnte sich gegen die Wand. Sie überlegte kurz, ob sie Elon fragen sollte, ob er ihr vielleicht etwas zu essen brachte, doch das war nicht so sinnvoll. „Ich werde mir etwas zu essen bestellen. Möchtest du auch etwas? Ich lade dich ein", erklärte sie leise.
Misstrauisch verengte Elon die dunkelblauen Augen. „Ohne Hintergedanken? Ich will meine Schuld bei dir nicht verlieren", fragte Elon lauernd.
Was für ein Kerl. „Ja, ohne Hintergedanken. Es sei denn du willst in die Küche gehen und mir etwas machen", erklärte sie und blickte ihn ganz lieb an.
Elon riss erschrocken die Augen auf. „Ich glaube nicht, dass du willst dass ich in deiner Küche etwas anfasse", versprach er und begann erneut Milas Bücherregal zu durchwühlen.
„Ich nehme an das heißt ja, was das Bestellen betrifft", murmelte sie und deutete auf ihren Computer. „Bist du so lieb und bestellst etwas über den PC oder gibst mir den Laptop?"