„Essen ist da!", rief Elon von unten, während Mila noch immer im Bett lag. Sie hatte wirklich großen Hunger, denn ihr Magen hatte heute außer Brühe und Tee nicht viel zu beißen bekommen. Es wurde höchste Zeit.
Und weil er wusste, dass Kranke besonders viele Nährstoffe brauchten, hatte er sich dazu entschieden ihr etwas Ordentliches zu bestellen. Pizza war seiner Meinung nach die beste Energiequelle, die man sich per Lieferdienst nach Hause liefern lassen konnte. Deshalb nahm er diese entgegen und bezahlte mit dem Geld, das sie ihm in die Hand gedrückt hatte und lief dann mit den beiden Pizzakartons zu ihr nach oben.
Oben angekommen legte er Mila die beiden Verpackungen auf den Schoß und rutschte neben sie auf das Bett drauf. „Ich hoffe du hast keine Allergien oder sowas", meinte er und griff sich den oberen Karton, um ihn sich selbst auf den Schoß zu legen.
Mila blickte den Karton auf ihrer Bettdecke ein wenig irritiert an. „Was ist das?", wollte sie wissen und hob vorsichtig den Deckel an. Ihr kam der Geruch von Knoblauch entgegen, was gut war, denn das half gegen ihre Halsschmerzen. Allerdings war da auch Schafskäse und Sucuk. Es roch köstlich, schien aber nur so vor Fett zu schwimmen.
„Meinst du das etwas ernst?", fragte Elon verstört und blickte Mila ungläubig an. „Du hast doch wohl schon mal Pizza gegessen oder?"
Mila blickte zu ihm auf und schüttelte den Kopf. „Nein. Ich glaube nicht, dass es sowas bei uns schon einmal gab", erklärte sie und überlegte, wie sie die Pizza am besten essen sollte.
Elon beobachtete sie nach wie vor mit ausdruckslosem Blick. „Du verarscht mich", meinte er noch immer und schien einfach nicht zu verstehen, wieso Mila noch nie Pizza gegessen hatte.
Mila schüttelte erneut den Kopf. „Nein, tue ich nicht. Meine Mutter achtet sehr auf gesunde Ernährung und das hier sieht nicht gesund aus", erklärte sie. Aber es duftete verdammt lecker und weil sie so großen Hunger hatte, machte sie es einfach wie Elon, der bereits ein Stück Pizza in der Hand hielt.
„Nicht gesund? Siehst du nicht die Tomaten und... da sind Gewürze drauf. Ist wie eine Suppe mit Brot", versprach ihr Elon und deutete auf den roten Belag am Boden der Pizza, als wäre es offensichtlich.
Mila lachte bei diesem Vergleich und biss hinein. Sofort breitete sich der Geschmack in ihren Mund aus und sie gab einen wolligen Laut von sich, der fast schon an ein zufriedenes Stöhnen erinnerte. Das war so lecker!
„Soll ich... euch beide allein lassen?", fragte Elon und deutete abwechselnd auf Mila und ihr Essen. Er wusste ja das Pizza gut schmeckte, aber dass Mila so darauf fliegen würde hatte er nicht erwartet.
„Mutter ist kein Freund von zu vielen Gewürzen, daher ist unser Essen immer nur recht schwach gewürzt. Ich mag es aber am liebsten schön salzig und scharf", erklärte Mila, die es einfach genoss einmal etwas anderes zu essen, als sie es gewohnt war.
Elon, der noch immer Mila beobachtete, musste tatsächlich lächeln bei dem Anblick wie sich Mila die frische Pizza in den Mund schaufelte.
„Dann wird dir das Essen von Chris Mutter gefallen. Sie experimentiert gerne herum", meinte Elon leise und senkte den Blick um ebenfalls sein Essen zu verspeisen.
„Du tust ja schon so, als wären wir zusammen", murmelte Mila und nahm sich das nächste Stück Pizza, um es förmlich zu verschlingen.
„Alles nur eine Frage der Zeit", erwiderte Elon mit einem wissenden Lächeln und biss ebenfalls in seine Pizza.
„Wenn du dir so sicher bist, dass er mich für sich gewinnt, warum ist der Gute dann noch nicht vergeben? Du willst mir doch nicht sagen, dass er nur auf das richtige Mädchen gewartet hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier keine Frauen gibt, die sein Typ sind", meinte sie mit vollem Mund und hatte Mühe richtig zu sprechen.
„Jeder Mensch hat seine Fehler", wich Elon murmelnd aus und nahm einen großen Bissen, um eine Ausrede zu haben, nicht zu antworten.
„Aha", gab Mila von sich und aß selbst weiter. Chris machte sie schon ein wenig neugierig.
So wie Elon von ihm sprach und wie Chris sich selbst gab, waren zwei verschiedene Dinge. Zum einen schien er doch recht offen und freundlich. Immerhin war er von allein auf Mila zugekommen. Doch so wie Elon erzählte, schien er es nötig zu haben seinen Freund vorzuschicken.
Wobei Mila nicht genau wusste, ob Chris ahnte, was Elon hier tat. Machte er es auf dessen Wunsch, oder weil Elon es für sinnvoller hielt Chris zu verkuppeln, statt ihn selbst machen zu lassen?
Was auch immer es war, Mila würde es spätestens bei dem Date herausfinden. Sollte sie so gemein sein und Chris sagen, dass sie das machte, weil sie bei Elon eine Schuld zu begleichen hatte? Lustig wäre es, aber war sie so grausam?
Noch dazu kam die Tatsache, dass Mario gesagt hatte, sie wären ein schwules Pärchen. Irgendwie passte das alles hier nicht zusammen und Mila verstand nicht wieso. Womöglich brauchte Chris ein Alibi-Date für die Hochzeit und Elon wollte es ihr nicht unter die Nase reiben, wieso? Sie wusste es nicht, sondern konnte nur mutmaßen.
Oder einer der Parteien log sie an. Vielleicht Mario? Aber was hatte er davon?
Nachdenklich knabberte Mila auf den letzten Stückchen Pizza. Was konnte hinter dieser ganzen Sache stecken?
„Liest du eigentlich auch mal was anderes als nur Sachbücher?", fragte Elon plötzlich und deutete mit seinem Stück Pizza in der Hand auf ihr Regal. Er hatte nicht einmal die Hälfte seiner Pizza fertig.
„Nur manchmal. Ich hatte in New York eine Freundin, die mir ihre Bücher geliehen hat. Ich selbst komme eher selten zum Lesen und finde auch nur selten etwas, was mir gefällt", erklärte Mila und beobachtete Elon neugierig.
„Und was liest du dann so? Ich nehme mal an du kennst ‚Wer die Nachtigall stört'. Oder irre ich mich Scout?", fragte er und erhob sich, um die tiefergelegenen Bücher zu mustern.
„Schullektüre, wie Shakespeare oder philosophische Text. Aber die meisten davon findest du in unserer kleinen Bibliothek", erklärte Mila und knabberte weiter an ihrer Pizza herum.
„Du hast Shakespeare gelesen?", fragte er interessiert und wandte sich zu Mila um.
„Es war Schullektüre", erklärte Mila, als wäre das normal. „Wir haben ‚Der Sturm' und ‚Romeo und Julia' gelesen. Aber in so vielen Fassungen, auch die, die nicht von Shakespeare waren. Irgendwelche Übersetzungen."
Elon lachte leise, als er sich vor das Regal setzte und ein Buch hervorzog.
„Ich hab gehört die Originalfassungen sollen auch nicht so einfach sein. Meine Mutter war immer ein großer Fan von klassischer Literatur, aber die Originalfassungen hatte ich noch nie in den Händen", erklärte Elon und begann in dem Buch zu blättern.
„Sie ist schwierig und ich lese lieber aktuelle Literatur, aber die wird in der Schule selten abgefragt. Ich glaube ich habe hier nur eine Reihe, die ich als Kind geliebt habe", erklärte Mila und zeigte auf die Schublade, die unter dem Regal war. „Der Zauberer der Smaragdenstadt."
Elon folgte der Deutung der Rothaarigen und zog die Schublade auf, um das grün eingeschlagene Buch zu mustern. Nicht ganz so überraschend bei einem Buch, in dem das Wort ‚Smaragd' vorkam. Doch die Buchstaben glichen nicht dem gewöhnlichen ABC was er kannte.
„Ist das russisch?", fragte er irritiert und drehte das Buch mehrmals in den Händen, bis er es sogar einmal durchblätterte. Doch auch der Inhalt war in denselben Buchstaben gedruckt.
„Ja. Es gibt auch noch eine deutsche Version davon, aber eine englische habe ich nie gefunden", meinte Mila und lachte leise. „Mein Kindermädchen hat es mir damals immer vorgelesen. So habe ich Russisch gelernt, weil sie mir immer alles übersetzen musste. Aber mittlerweile liebe ich dieses Buch."
Elon lachte leise, doch leicht schnaubend.
„Sie liest keine Bücher, sondern nur welche die sie nicht versteht. Du weißt, dass es reichlich Bücher gibt, die deine Sprache beherbergen?", fragte er und legte das Buch zurück in die Schublade.
„Ja, aber die Kinderbücher habe ich schon alle aussortiert und gespendet. Da bin ich rausgewachsen und ich wüsste auch nicht, was aktuell gerade so angesagt ist. Aber ich mag Filme", erklärte sie und deutete auf einen geschlossenen Schrank. Elon hatte vermutet, dass dort ihre Kleider drin waren, doch als er diesen öffnete, kam eine riesige Bibliothek an Filmen zum Vorschein.
Er machte große Augen, wusste gar nicht wo er anfangen sollte. Was war nur mit dieser Frau.
„Was... sammelst du willkürlich oder hat das alles ein bestimmtes Genre?", fragte er und suchte die Titel nach Filmen ab, die er kannte.
„Willkürlich. Meistens schickt mein Vater mir etwas, was mir gefallen könnte. Ich habe Romeo und Julia, aber auch Underworld, oder Avengers", erklärte die Rothaarige. „Und eine DVD, die sich Naruto nennt, aber damit bin ich irgendwie nicht warm geworden. Oder eher hab ich es nicht verstanden, das schien eine Serie oder so zu sein."
Elon suchte eine Weile, doch er konnte bei der Menge an Titeln und Umschlägen nichts finden. Dabei war der Kram schon alphabetisch sortiert!
„Das ist ein Anime... du hast doch schon mal was von Animes gehört oder?", fragte er und wandte Mila nun einem eindringlichen Blick zu.