Chris sah reichlich unzufrieden aus, als er Elon musterte, während sie zu Fuß zum Hause von Mario liefen. Elon hatte zwei Straßen weiter parken müssen, was zum einen an fehlenden Parkplätzen lag, aber auch dran, dass Mario lieber nicht ihr Auto sehen sollte. Noch dazu wollte Elon es vermeiden Erbrochenes, von betrunkenen Teenies oder schlimmeres an seinem Auto zu finden. Doch das war nicht der ganze Grund für Chris Missfallen. Elon hatte sich zwar dazu erbarmt die Weste anzuziehen, doch durch die Jeansjacke, die er darüber trug, konnte man diese so gut wie nicht sehen. Noch dazu trug er seine graue Mütze, die er immer trug und die ihn deswegen zu einer Signalleuchte machte.
So würde Mario doch sofort merken, wer sie waren.
Chris seufzte innerlich und setzte sich die Maske auf, die fast sein gesamtes Gesicht verbarg. Zumindest würde er damit nicht auffallen. Hoffte er. Auch wenn Elon wohl die ganze Zeit in seiner Nähe bleiben würde. Was nicht so praktisch war.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass er dich nicht erkennen wird, nur weil du dir eine Maske aufsetzt oder?", fragte Elon beiläufig und konnte bereits die entfernte Musik laut dröhnen hören, als sie den Lichtern immer näherkamen. Elon lief es schaurig den Rücken runter. Er hatte wirklich andere Pläne für seinen Samstagabend gehabt.
Aber vielleicht würde es gar nicht so schlimm werden. Hoffen konnte er.
„Vielleicht oder vielleicht nicht", meinte Chris, als wäre es ihm egal. „Aber es verschafft mir Zeit."
Elon seufzte, als er bereits sah wie ein beschwipstes Mädchen lachend die Treppen in der Einfahrt runterpurzelte. Das war ja schon schmerzhaft für die Augen... „Okay wir haben das Haus gesehen. Können wir jetzt gehen?", fragte Elon und wollte sich gerade wieder umdrehen, um zum Auto zurück zu laufen, als Chris ihn zu fassen bekam und mit sich weiter zog.
„Wir sind wegen Mila hier", erklärte er, als wäre das logisch und zog Elon einfach weiter auf den Eingang zu. Zum Glück hatte dieser Recht gehabt. Alle Türen, auch die in den Garten, standen offen und jeder konnte kommen und gehen, wie er wollte.
Es war auch schon weit nach Beginn der Party, wo die Türen noch geschlossen blieben und die Gäste empfangen wurden. Doch zu der Uhrzeit war es viel offener.
Außerdem war schon ein Großteil der Leute betrunken, was Elon überhaupt nicht gefiel.
Chris war das aber egal. Er drängelte sich, noch immer Elon hinter sich herziehend, durch die Tür und dann durch die Leute, die sich im Erdgeschoss, das wohl eine Stube war, sammelten.
Eine Mischung von Bier, billigem Wodka und Schweiß stieg ihm in die Nase, die ihn dazu bewegte, sich nach einem Fenster umzusehen. Das war einfach nur widerlich! Wer konnte es genießen sich hier rein zu zwängen und sich an all diese Leute zu drücken?
Chris suchte mit seinen Augen die Umgebung ab, doch er konnte Mila nicht finden. Wahrscheinlich war sie auch gar nicht der Typ, der sich hier bewegte. Er konnte sich vorstellen, dass sie draußen war. Dort war zwar auch viel los, aber wesentlich mehr Platz. Der Garten war groß.
Elon verlor Chris Arm, als der Weg aus der Menge raus immer enger wurde, die Leute sich gegeneinander drängten und das Tanzen nannten. Elon verzog widerwillig das Gesicht, als ein Pärchen, das wohl gerade intim werden wollte, sich gegen ihn drückte. Energisch schob er die beiden unsanft beiseite, um aus der Menge rauszukommen. Doch Chris war bereits verloren... so viel dazu, dass er ihn nicht allein stehen lassen sollte. Doch es war wohl auch besser halbwegs seine Ruhe zu haben.
Chris bemerkte nicht einmal, dass Elon verschwunden war und setzte seinen Weg einfach hinaus in den Garten fort.
Als er diesen erreichte, war die frische Luft wirklich wohltuen, obwohl er eigentlich gerade von draußen gekommen war. Doch die laute Musik und der Gestank in der Stube waren nichts für ihn.
Sein Blick glitt über die Wiese, auf der sich viele Schüler tummelten, als er die kupferfarbenen Haare entdeckte, die nur einer Person gehören konnten. Hoffte er, sonst würde es peinlich werden.
Chris blieb wie angewurzelt stehen, während seine Augen groß wurden. Er hatte es sich einfacher vorgestellt zu ihr hin zu gehen. Immerhin war sie sie und er er. Was sollte er sagen? Sollte er sich eher gelassen geben oder vielleicht aufgedrehter? Wieso war das nur so schwer?
Vielleicht sollte er ihr einfach ein Kompliment über das Kostüm machen, das sie trug. Es ähnelte einer Bauchtänzerin. Es verdeckte nicht sonderlich viel und hatte reichlich Perlen und Münzen, die wohl auch klimperten. Die Haare trug sie hochgesteckt und vor dem Gesicht hatte sie einen Schleier in blassem Rosa, der perfekt zu dem Rot ihrer restlichen Kleidung passte.
Sie wirkte zwar eher wie eine exotische Bauchtänzerin, aber sie war einfach perfekt. Chris verstand wirklich nicht was Elon gegen sie hatte, dabei sah sie aus wie ein bezaubernder Engel, der dem Schönheitshimmel entstiegen war. Chris blieb der Mund offen stehen, ohne dass er es überhaupt merkte. Ihr Anblick zog ihn einfach in ihren Bann.
Allerdings kam er nicht umhin zu bemerken, dass sie sich scheinbar unwohl fühlte. Sie sprach zwar mit Mario, der an ihrer Seite stand, doch sie hielt zu den anderen einen gewissen Sicherheitsabstand und das Glas Punsch schien sie auch nicht wirklich zu beachten. Stattdessen spielte sie damit lediglich in ihren Händen herum, was ihr einen nervösen Ausdruck verlieh.
Das machte die Sache natürlich einfacher... er musste sie nur irgendwie von Mario wegbekommen, ohne selbst hinzugehen. Immerhin wäre es zu auffällig, wenn sich Chris einfach zu ihnen stellt. Mario würde ihn sicher fragen wer er war und sobald er sprach, würde er wissen wer er war... Er musste einen anderen Weg finden.
Chris hörte zwar nicht, was sie besprachen, aber Mila und Mario unterhielten sich, ehe Mila ihm mit einem schwachen Lächeln das Glas reichte. Mario schien überschwänglich etwas zu erklären, ehe Mila leicht nickte. Daraufhin verließ Mario sie und steuerte auf die Stube zu.
Mila blickte ihm kurz nach, bevor sie sich von der Masse zurückzog und nah an den Zaun herantrat. So weit von den anderen weg, wie ihr möglich war.
Sie schien Abstand von allem zu suchen, was an sich seine Chance wäre... doch ob sie es so gut fand, wenn er sie nun bedrängte? Vermutlich würde Elon ihm jetzt einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen. Immerhin waren sie extra dafür hergekommen und nun traute er sich einfach nicht!
Entschlossen kniff der Schwarzhaarige die Augen zu, um tief durchzuatmen und seine Maske zu richten, ehe er auf Mila zulief.
Da sie ihren Blick in den Himmel gerichtet hatte, schien sie ihn nicht zu bemerken.
Als er schließlich nah genug dran war, um mit ihr sprechen zu können, ohne schreien zu müssen, blieb er stehen. Er wollte sie mit seiner plötzlichen Anwesenheit nicht erschrecken, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Eigentlich wollte er seine Worte genau überlegen, doch sie platzten wie immer unbedacht aus ihm heraus: „Dir scheint die Party nicht zu gefallen, warum bist du dann hier?", fragte er und hasste sich sofort selbst dafür.
Mila blickte nun zu ihm und wirkte überrascht, ehe sie ihn musterte. Dann lächelte sie vorsichtig. „Eine Erfahrung, die ich machen wollte", erklärte sie ruhig.
Idiot! Wieso hatte er nicht einfach nur ‚Hallo' gesagt? Stattdessen wirkte es, als würde er sie beschuldigen hier unnötige Luft weg zu atmen. Ob sie ihn erkannt hatte? Er konnte es nicht sagen.
„Ja... Erfahrungen sind toll. Die machen wir wohl alle mal", stimmte er zu und nickte steif, während er die Lippen zusammenkniff, um sich am Reden zu hindern. Erfahrungen wären toll... was Besseres fiel ihm wohl nicht ein, um das Gespräch am Laufen zu halten.
Wieso kam nur Müll raus, wenn er den Mund aufmachte, sobald er aufgeregt war?
Mila lachte leise. „Ich habe nicht oft die Möglichkeit solche Erfahrungen zu machen, daher sollte ich sie wohl genießen, aber die Musik... und das Trinken...", begann sie leise und wirkte irgendwie fehl am Platz.
„Du trinkst nicht?", fragte er ein wenig überrascht, denn das hatte er wirklich nicht erwartet. Immerhin schien sie eben zu diesen beliebten Leuten zu gehören, die sich reihenweise Alkohol die Kehle runter schütteten... weil es nun mal ‚cool' war.
Mila lachte wieder. „Doch, aber nicht dieses... Zeug und auch nicht so viel. Das ist... seltsam für mich", erklärte sie und lehnte sich ein wenig an den Zaun. „Bei den Veranstaltungen, bei denen ich sonst bin, wird auch Alkohol serviert, aber der schmeckt... besser", versuchte sie sich zu erklären.
Chris nickte lediglich stumm, obwohl sie bereits aufgehört hatte zu sprechen, doch er konnte seinen Blick einfach nicht von ihren leuchtenden Augen abwenden. Er sprach mit ihr... und das wie in einer normalen Unterhaltung! Er war so aufgeregt, dass er fast vergaß ihr auch zuzuhören. Die Nervosität kostete ihm wirklich alle Nerven.
„Das klingt... toll", murmelte er abwesend und bemerkte erst jetzt, dass er sie wieder angestarrt hatte.
Mila schenkte ihm einen nachdenklichen Blick. „Für mich wirkst du auch nicht unbedingt, als würdest du dich hier so sonderlich wohl fühlen", bemerkte sie leise.
Chris blinzelte, als hätte sie ihn soeben zurück auf die Erde katapultiert.
„Nein ich... also ich fühl mich wohl. Sogar sehr!", lachte er ein wenig zu euphorisch. Doch es stimmte. Er unterhielt sich mit Mila! Das war weiter als er je gekommen war. „Ich hab nur Elon irgendwo im Haus verloren, aber der findet sich schon zurecht", erklärte Chris mit einem Lachen und einer abtuenden Handbewegung.
Mila wirkte auf einmal sehr überrascht. „Elon ist hier? Mario erzählte mir, dass er nicht eingeladen wäre", sagte sie leise und nachdenklich. Gleichzeitig fragte sie sich, ob sie sich dann mit Chris unterhielt. Immerhin waren diese beiden doch immer zusammen anzutreffen und es würde irgendwie passen. Sie stellte sich so eine getarnte Pärchenaktivität schon niedlich vor. Aber gleichzeitig fragte sie sich, was Chris dann hier tat und warum er nicht bei Elon war. Aber generell konnte sie sich für einen Abend mit ihrem Freund bessere Dinge vorstellen, als eine solche Party zu besuchen. Aber was wusste sie schon über die Vorlieben der beiden.
„Ähm... was, ist er nicht?", meinte Chris nun schockiert, doch er musste dennoch nervös lachen. Verdammt, wieso dachte er auch nie nach, wenn er sprach! Doch es gab ihm auch die Möglichkeit Elon die Schuld zuzuschieben. „Das wusste ich nicht... er meinte er... er wäre eingeladen worden", erklärte Chris wenig überzeugend und versuche seine Hände in Unschuld zu waschen. Immerhin wusste er nicht wie nah sich Mila und Mario standen.
„Es ist mir eigentlich auch egal, ich freue mich nur darüber, dass ich bekannte Gesichter... oder zumindest bekannte Stimmen hier habe", erklärte sie und wirkte, als würde sie sich noch immer nicht so ganz wohl fühlen. „Im Grunde kenne ich ja nicht so viele Leute, außer dich und Elon. Und vielleicht Mario ein wenig."
Chris nickte langsam und ließ testweise seinen Blick über die Leute schweifen, die größtenteils den Pool belagerten. Doch Elon war nirgends zu sehen und Mario zum Glück auch nicht. „Ja, Mario... ist nett", stimmte er zu und räusperte sich kurz. Es war allein schon merkwürdig das auszusprechen.
Mila lachte leise. „Nett ist die kleine Schwester von scheiße", erklärte sie und fragte sich, ob sie damit recht hatte. Wenn ihr jemand sagte, sie sähe nett aus, würde sie das auch nicht als Kompliment werten.
Chris konnte nicht anders und musste ebenfalls lachen. Immerhin hatte sie nicht ganz Unrecht. Es war schließlich kein Geheimnis, dass er Mario nicht sonderlich wohl gesonnen war.
„Erwischt", gestand der Schwarzhaarige geschlagen.
„Das würde erklären, warum er dich und Elon nicht eingeladen hat", meinte die Rothaarige mit einem Lächeln und fragte sich, ob der Zeitpunkt jetzt vielleicht passend war, um ihn zu fragen und so ihre Schuld zu erfüllen.
Allerdings waren sie nicht mehr so allein, wie noch vor ein paar Minuten. Mario schien zurück, doch er wurde von einer jungen Frau aufgehalten, die sich wohl betrunken an ihn heran machte.
In den Händen hielt er zwei Gläser und gab ein ziemlich verärgertes: „Gott, ich wünschte, du würdest endlich mal die Klappe halten und mir nicht mehr auf die Nerven gehen. Ich will nichts von dir", von sich.
Chris zuckte zusammen, als er seine Stimme ebenfalls vernahm, doch konnte sich weder zu ihm umdrehen, noch weggehen. Verdammt! Dabei sollte er schleunigst von hier verschwinden!
„Hättest du Lust dich morgen Mittag mit mir am Café in der Straße vor der Schule zu treffen?", wollte Mila wissen, als sie sich vom Zaun abstieß und mit einem scheinbaren Lächeln in Richtung Mario bewegte.
Chris wirkte überrascht und blickte sich nun doch fragend um. Sprach sie etwa mit ihm? Oder doch mit Mario, der bereits näher war, als er angenommen hatte?
„Ich warte dort auf dich", erklärte sie noch, als sie an ihm vorbei ging und streifte mit ihrer Hand seinen Arm, ehe sie ihm noch einmal zu lächelte. Sie hoffte, dass sie den richtigen erwischt hatte. Zumindest kam ihr seine Stimme bekannt vor. Dennoch würde es peinlich werden, wenn sie den falschen gefragt hatte.
Chris blieb derweil wie versteinert stehen und strich sich verträumt die Stelle am Arm, wo Mila ihm eben noch berührt hatte. Sie hatte wirklich ihn gemeint... sie wollte mit ihm ausgehen!
Da sollte Elon ihn noch einmal auslachen, wenn er wieder ein Mädchen durch seine zu offensichtliche Art verscheuchte!