Mila trat nur aus dem Grund auf Mario zu, damit dieser nicht auf den ungebetenen Besucher aufmerksam wurde. „Vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, mir etwas anderes zu holen", sagte sie und schenkte ihm ein Lächeln.
Mario richtete seine Aufmerksamkeit sofort auf Mila und reichte ihr ein Glas. Hoffentlich nicht wieder so etwas gemixtes, wie zuvor. Das hatte ihr überhaupt nicht geschmeckt.
„Ich hab dich immerhin eingeladen und ein Gastgeber muss sich um seine Gäste kümmern", erwiderte er mit einem charmanten Lächeln und hielt Mila sein Glas entgegen, um anzustoßen.
Mila musste über diese Bemerkung lächeln und stieß mit ihm an. Dass er sich scheinbar nur um sie kümmerte und die anderen machen ließ, was sie wollten, war ihr nicht entgangen. Aber sie war auch die Neue und das erste Mal hier. Wahrscheinlich war das der Grund.
Ohne den Blick von Mila zu nehmen nippte er gelassen an seinem Glas und schien die Rothaarige zu beobachten.
„Ich mag übrigens dein Kostüm", meinte Mario und musterte sie anerkennend.
„Vielen Danke. Ich habe es noch von einer Faschingsfeier", erklärte sie mit einem Lächeln und drehte sich ein wenig, damit die Münzen klappern konnten. Ein weiterer Versuch Chris ein wenig Zeit zu geben, sich von Mario zu entfernen.
„Ich finde es passt sehr gut zu dir. Doch das ist ja das Schöne an Kostümpartys. Man kann Sachen tragen, die man normalerweise nicht tragen würde", erklärte Mario mit einer melodischen Stimme und machte eine ausschweifende Handbewegung in Richtung der Gäste.
Mila, der es bisher am besten gefallen hatte, die Kostüme der Gäste zu betrachten, musste nicken. „Es haben sich alle sehr viel Mühe gegeben mit ihren Kostümen", sagte sie anerkennend. Es gab wirklich einige sehr gewagte Kreationen und Mila hatte das Gefühl, die meisten Frauen trugen extra sehr freizügige Kleidung, so wie sie. Auch wenn sie es wohl aus anderen Gründen tat, denn sie hatte nicht vor einen Jungen abzuschleppen.
Auch wenn Mario ihr Recht wohl gesonnen schien, dachte sie nicht wirklich daran, auf ihn einzugehen. Zumindest noch nicht.
Sie kannte ihn nicht gut genug und dass sie sich zu diesem Date mit Chris überreden lassen hatte, war auch nicht das Beste gewesen, was sie hätte tun können. Sie hasste es, mit den Gefühlen anderer zu spielen.
Doch bei Chris würde sie aufpassen müssen. Es war wohl am besten, wenn sie einfach etwas tranken und sie ihm so subtil vermittelte, dass sie nicht zusammenpassten. Am besten so, dass er es selbst merkte, ohne dass sie ihn abservieren musste.
Während sie an ihrem Getränk nippte, überlegte sie sich, wie sie das am besten anstellen konnte. Das Problem war auch, dass sie Chris kaum kannte. So würde es sicherlich nicht leicht werden, die richtigen Worte zu finden.
Plötzlich wandte Mario von Mila seinen Blick ab, als er seinen Namen rufen hörte und genervt seufzte.
„Ich bin gleich wieder bei dir", versprach Mario zwinkernd und begab sich an den Pool, zu den Jungs, die ihn gerufen hatten. Unter ihnen auch Janik.
Mila blickte ihm hinterher und war froh, dass sie wieder ein wenig Ruhe hatte. Sie mochte Mario, doch in seiner Gegenwart war es, als würde sie permanent im Mittelpunkt stehen und das gefiel ihr nicht so gut. Allerdings vergaß sie es auch gern einmal, wenn er mit ihr sprach. Dann fühlte sie sich eigentlich wohl.
So oder so war es nicht ganz so leicht, diese ganze Partyathmosphäre auszublenden. Auf der einen Seite war sie froh, dass ihre Mutter ihr durch ihre Abwesenheit die Chance gab soziale Kontakte zu knüpfen, doch auf der anderen Seite fragte sie sich, ob das so eine gute Idee gewesen war.
Das hier war nicht das, was sie gewohnt war und das war nicht der einzige Grund, warum sie sich unwohl fühlte. Es waren ihr zu viele Menschen da und weder die Getränke, noch die Musik war nach ihrem Geschmack. Natürlich konnte sie sich unterhalten, doch mit wem? Noch dazu war die Lautstärke wirklich störend.
Ein wenig zögernd bewegte sich Mila langsam rückwärts weg vom Pool, um ein wenig mehr Privatsphäre zu bekommen. Chris war bereits verschwunden und suchte vermutlich Elon... vielleicht waren sie auch bereits weg.
Sie würde es verstehen, auch sie hatte das Bedürfnis zu gehen. Sie hatte diese Erfahrung gemacht und würde sie bewahren, doch ob sie so schnell eine weitere Party besuchte, war fraglich. Vielleicht eine mit weniger Gästen?
Sie würde Mario nach kleineren Veranstaltungen fragen, denn an sich war es sicher nicht so verkehrt ein paar Mal aus dem Haus kommen zu können, während sie hier war. Noch dazu gefiel ihr die Mottosache recht gut. Es war eine Möglichkeit aus ihrer Haut auszubrechen.
Sie hoffte, dass Halloween hier auch so groß gefeiert wurde, dann konnte sie einen ganzen Abend lang anders sein. Wahrscheinlich war ihre Mutter wieder arbeiten, dann hatte sie wenigstens freie Bahn. Jetzt aber brauchte sie ein wenig Abstand und Ruhe.
Es war das einzige was ihr blieb. Und wenn sie sich hier so umsah, konnte sie sich gut vorstellen, dass Mario auch dazu großes plante.
Wahrscheinlich zu groß für ihren Geschmack.
Mila blickte noch immer zum Pool, um Mario zu sehen, falls er wieder auf sie zu kam, dabei lief sie aber weiter rückwärts. Soweit sie gesehen hatte war da niemand. Wahrscheinlich weil dort die Musik nicht so gut zu hören war und es auch eng war. Aber der Platz am Zaun, der leicht von Büschen und Bäumen verhangen war, wäre ideal zum Ausruhen und verstecken.
Sie hoffte nur nicht mehr allzu lange bleiben zu müssen. Womöglich wäre es eine weitaus sinnvollere Idee, einfach zu verschwinden und im Nachhinein Bauchschmerzen vorzuschieben. Immerhin war sie vor ein paar Tagen noch schrecklich krank gewesen. Da war es gar nicht mal so abwegig, dass das die Nachwirkungen waren.
Vielleicht sollte sie wirklich einfach zu Mario gehen und sagen, dass es ihr nicht gut ging und dann nach Hause gehen. Das war sicher keine schlechte Idee. Und wenn sie ehrlich war, dann machte ihr die Musik schon Kopfschmerzen, also war das nicht einmal wirklich gelogen.
Sie hatte sich ihr Wochenende definitiv anders vorgestellt. Weniger geschmacklose Musik und Personen. Und vor allem eine Auszeit von ihrer Mutter. Sie war nicht da und eigentlich hätte es gereicht einfach zu Hause zu bleiben. Doch Mila wollte sich auch nicht immer nur verkriechen.
Vielleicht könnte sie heute noch ein wenig an den See gehen. Er war immerhin hier in der Nähe. Dort würde es ruhig sein und sie könnte den Sternenhimmel betrachten und sich etwas erholen.
Immerhin war ihre Mutter nicht da und würde es nie erfahren, wenn sie auch nur in die Nähe dieses Wasserlochs gehen würde. Doch weiter als das sollte sie wohl wirklich nicht denken.
Auch wenn sie gern darin schwimmen würde, würde das ihre Mutter wohl mitbekommen.
Mila seufzte und überlegte gerade, ob sie Mario sagen sollte, dass sie Kopfschmerzen hatte und Heim wollte, als es neben der Musik plötzlich laut wurde.
Sie verzog die Lippen und blickte auf die Menge. Wahrscheinlich fing schon wieder jemand Betrunkenes eine Schlägerei an. Wäre am heutigen Abend nicht das erste Mal. Es war wirklich Zeit zu gehen.
Und dank dem lauten Gerangel, was im Haus stattfand, würde man ihr Verschwinden ohnehin nicht bemerken. Also trat Mila langsam aus ihrem Versteck hervor und blickte sich zunächst vorsichtig um.
Sie wollte nicht versehentlich in das Gemenge hineinrennen. Das würde nur dafür sorgen, dass sie auffiel.
Allerdings schien sich die Streiterei nach draußen zu verlagern.
Mila zuckte überrascht zusammen, als ein lautes Krachen ertönte, welches sie zur Quelle blicken ließ. Mila sah reichlich verwirrt zur Terrasse, die neben ihr stand, wo Elon ihr im Grunde zu Füßen lag. Was um Himmels Willen ging hier vor sich?
Warum ausgerechnet Elon?
„Das du auch immer wieder ungeladen auftauchst", seufzte Mario und fuhr sich durch die Haare, während er auf den am Boden Liegenden zu lief.
Elon erhob sich derweil mühevoll und hielt sich die vermeintlich verletzte Schulter. Erwiderte allerdings nichts. Lediglich sein Blick war feindselig auf Mario gerichtet, welcher keine großen Mühen zu haben schien, mit Elon fertig zu werden. Er wirkte eher amüsiert über seinen Aufenthalt. „Dass du dich überhaupt noch hier her traust, beteuert nur, dass du ein Intelligenz Insolvenzler bist", erwiderte er in normaler Lautstärke, auch wenn deutlich wurde, dass er nur mit Elon sprach. Keiner der beiden schien den Aufruhr mitzubekommen, der um sie herum stattfand. Dicht vor ihm kam Mario letztlich zum Stehen und umfasste Elons Kiefer mit einer Hand, als würde er ihn erwürgen wollen. Doch stattdessen hielt er inne und musterte ihn. „Und du hattest wirklich geglaubt, dass du eine Chance gegen mich hast? Dabei sollte dir doch eigentlich klar sein, dass du immer die zweite Wahl bleiben wirst", erklärte Mario leise, als sich langsam ein hämisches Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete, während Elons Augen immer wütender wurden. Mit einem wütenden Knurren schlug Elon Marios Hand von seinem Gesicht und ging mit einem hellem Aufleuchten auf ihn los.
Mila riss die Augen auf und starrte auf die Szene. Was war das? Warum leuchtete Elon?
Sollte sie dazwischen gehen?