Mila schnaubte. „Komm mir jetzt bloß nicht mit Magie", warnte sie. Aber war es nicht das, was sie befürchtete?
„Davon hab ich nichts gesagt!", rechtfertigte er sich und wusch seine Hände somit in Unschuld. „Ich will damit nur sagen... dass sich hier viele... Anomalien sammeln", versuchte er es galant zu umschreiben, was ihm allerdings nicht wirklich gelingen wollte.
Mila verzog das Gesicht. „Ich wusste schon immer, dass ich anders bin. Aber Anomalie hat mich noch niemand genannt." Mila wirkte beleidigt, doch sie tat es mehr aus der Angst heraus. Sie wusste nicht, was sie von Elons Worten halten sollte und was hier vor sich ging. Anomalien oder Magie. War der Unterschied so groß?
Elon seufzte mit einem ergebenen Ton erneut und setzte sich mit einem Mal auf, um sich zu Mila zu drehen und sie beim Sprechen anzusehen. „Es... ist schwer zu erklären und ich weiß auch nicht wie man sowas erklären soll, weil das eigentlich die Eltern machen aber... wurdest du vielleicht adoptiert?", fragte er geradewegs heraus, als hätte er keine Geduld mehr mit sich selbst.
Mila zischte verärgert. „Nein ich wurde nicht adoptiert", antwortete sie verärgert und wurde sogar ein wenig laut. Sie fand die Frage sehr dreist, vor allem, weil sie schon wieder das Gefühl hatte, dass er ausweichen würde.
Elon legte den Kopf schief, als würde er ihr nicht glauben. „Vielleicht weißt du es auch nur nicht?", schlug er vor. Er verstand immerhin selbst nicht, was sie hier machte. Wenn sie nichts von all dem wusste und auch nicht adoptiert war, war das wirklich sehr eigenartig.
Nun war es an Mila ungeduldig zu werden. „Elon, sag was du sagen willst und versuch dich nicht rauszureden oder das Thema zu wechseln."
Der Angesprochene rollte die Augen und raufte sich kurz die Haare, als er sich in seinen Sitz erneut zurücklehnte.
„Ich red mich nicht raus, ich versuche dir zu helfen!", keifte er zurück.
„Erklär mir doch einfach was vorgefallen ist", brummte Mila wenig erfreut über Elon. „Oder zeig es mir."
Elon hielt Milas braunem Blick stand, auch wenn er diesen in der Dunkelheit kaum erkennen konnte. Nach wenigen Sekunden, sprang plötzlich der Motor des Wagens, so wie die Lichter darin an, ohne dass Elon sich bewegt hatte.
Mila zuckte heftig zusammen und spürte wie ihr Herz gegen ihre Brust hämmerte. „Was... war denn das?", wollte sie ein wenig überrumpelt wissen. So viel zum Leuchten! Das war kein Leuchten. Und da versuchte er ihr auch noch zu erklären, dass es keine Magie war. Wie sonst nannte er das hier?
Wiederholt blickte sie zum Lenkrad, doch es war nicht mal der Schlüssel im Schloss. Was ging hier nur vor sich? Der Motor wurde wieder leise, als er sich ausschaltete und es somit erneut still wurde.
Milas Herz hämmerte wild in ihrer Brust und sie blickte entsetzt zu Elon. „Sag mir nicht hier gibt es Geister", bat sie inständig und mit Angst in der Stimme. Das alles überforderte sie zunehmend und sie wusste einfach nicht, was sie glauben sollte. Hatte Elon das getan oder gab es hier in dieser Gegend eine andere Macht?
„Nein... keine Geister", erklärte er nüchtern und fragte sich wirklich, ob Mila ihn gerade zum Narren hielt. „Hör zu, ich werde es dir jetzt einmal erklären, aber versprich mir, dass du zu diesem Sonderunterricht gehen wirst", bot Elon ernst an.
„Das liegt nicht in meiner Hand. Ich habe meine Mutter bereits versucht zu überreden", erklärte sie und rieb sich die Schläfe. Die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer und die Angst auch. Sie verstand diesen Ort nicht und er wurde mit jeder Minute gruseliger. Gerade, weil sich Elon einfach nicht erklären wollte!
„Weder du noch deine Mutter scheinen das hier zu verstehen. Es kann gefährlich werden, wenn du da nicht hingehst", erklärte er beharrlich. „Es gibt manche Blutlinien, die über das normale menschliche Wesen hinausgehen. Wenn du so eine Kraft ungezügelt durch die Welt laufen lässt, kann es nur böse enden."
Milas Blick wurde nicht verständnisvoller sondern nur verwirrter. „Blutlinien?", fragte sie. „Wesen? Kraft?" Von was sprach dieser Mann? Wollte er sie zum Narren halten?
„Es gibt gewisse Menschen, die eine Gabe besitzen, musst du wissen", versuchte er es nochmal langsamer, damit Mila ihm folgen konnte.
„Das heißt du hast eine Gabe?", fragte sie und schien nachdenklich. Also war er es doch gewesen, der den Motor angelassen hatte? Aber das erklärte noch immer nicht alles. Es stellte sie sogar vor neue Fragen. „Kannst du Dinge lebendig machen?" Mila wusste nicht, wo sie mit ihren Fragen anfangen sollte, daher begann sie mit dieser. Auch wenn es noch viele andere gab. Das schien ihr durch das Leuchten am sinnvollsten.
Ratlos blickte Elon sie an und schüttelte leicht den Kopf, als wüsste er nicht, was er mit ihr anfangen sollte.
„Sieht dieses Auto für dich lebendig aus?", fragte er irritiert und klopfte auf die Armaturen des Wagens. „Nein ich... ich kann Strom erzeugen und dementsprechend lenken. Zumindest wenn ich nicht so unkonzentriert bin", fügte er leise hinzu und mied Milas Blick.
Mila blinzelte. Sie hatte nicht mit so einer direkten Antwort gerechnet, auch wenn sie sehr verrückt klang. Generell sollte sie ihn für verrückt halten, doch irgendwie hatte sie ein ganz seltsames Gefühl. „Ah", machte sie halb verstehend und halb nachdenklich. „Nur Strom oder generell Bioenergie?" Sie wusste nicht woher diese Frage kam, aber irgendwie war sie neugierig. Das klang alles so interessant und Elon hatte definitiv etwas gemacht. Ob das nun der Wahrheit entsprach, was er ihr sagte oder nicht, war Mila im Moment egal. Sie spielte mit, denn sie wollte mehr erfahren. Selbst wenn es sich später nur als Geschichte rausstellen würde.
Elon rollte die Augen und klappte die Sonnenblende vor ihm auf, um den Spiegel zu öffnen. Er hatte mehr eingesteckt als er mitbekommen hatte. Dabei wollte er seine Schulter nicht mal sehen, die bereits höllisch schmerzte. „Keine Ahnung was das ist, aber alles jenseits Elektrizität übersteigt meinen Horizont", erklärte er und zuckte zusammen, als er seinen Wangenknochen berührte, der bereits dunkelrot wurde.
Mila seufzte. Er wirkte so abwehrend, dass sie nicht glaubte, dass er weiter sprechen würde. Auch wenn ein seltsames Gefühl in ihrer Brust zurück blieb, entschied sie sich das Thema erst einmal auf Eis zu legen. Sie konnte später auch noch überprüfen, ob das stimmte, was er ihr erzählte. „Los. Fahr zu mir, damit ich dich versorgen kann. Oder auch gleich ins Krankenhaus. Warum hast du dich so verprügeln lassen? Du hättest ihm doch schocken können." Sie sagte es, um das Thema doch noch einmal anzuschneiden, aber da sich Sorge wegen Elons Verletzungen in ihr breit machte, war es ihr plötzlich nicht mehr so wichtig. Lieber war es ihr, wenn Elons Wunden erst einmal versorgt wurden.
Elon klappte den Spiegel wieder zu und ließ den Motor an. Diesmal jedoch mit dem Schlüssel. Es schien, als würde er dieses Thema schnell beenden wollen, daher war Mila verwundert, als er es erneut anschnitt.
„Eigentlich dürfen wir unsere Fähigkeiten nicht außerhalb der Schule benutzen. Erst recht nicht, wenn Verletzungsgefahr besteht. Aber auch wenn ich ihn nicht absichtlich schocken will, passiert es einfach. Allerdings hatten wir bereits so oft ein Gemenge, dass er sich wohl dran gewöhnt hat", erklärte Elon und hielt sich an Milas Sitz fest, um rückwärts aus der Sackgasse zu fahren. So konnte er unmöglich nach Hause gehen. Allein die Erklärung gegenüber seinem Vater wäre zu unangenehm.
„Tut das weh?", fragte sie neugierig und betrachtete Elon. Er sah wirklich schrecklich aus. Sollte sie ihm anbieten bei ihr zu übernachten? Ihre Mutter war immerhin nicht da.
„Was?", fragte er abwesend, während seine Konzentration dem Weg galt. Sobald er draußen war, legte er den ersten Gang ein und folgte weiter der Straße, von dem sie zuvor abgekommen waren.
„Wenn du jemanden schockst", meinte sie und blickte ihn neugierig an. Irgendwie gelang es ihr nicht dieses Thema fallen zu lassen. Vor allem wenn Elon selbst damit anfing.
Ihre Frage schien Elon selbst nachdenklich zu stimmen. Tat es weh? Er konnte sich blass daran erinnern, wie es die ersten Male gewesen war.
„Ich weiß noch, dass es früher immer gekitzelt hat, wenn die Energie meinen Körper verließ. Aber wirklichen Schmerz habe ich nie empfunden. Ich denke, weil es einfach natürlich für mich ist", erklärte er nachdenklich und schien ein wenig abwesend. Diese Nachdenklichkeit war es, die Mila das Gefühl gab, dass es stimmte, was er sagte. Dennoch würde sie es nicht glauben, solange sie es nicht gesehen hatte. Und ihr kam schon eine Idee, wie sie testen konnte, ob er wirklich das konnte, was er sagte.
„Hm~ würde es mir wehtun?", wollte sie vorsichtig wissen. Das würde immerhin eine Möglichkeit sein herauszufinden, ob Elon die Wahrheit sagte.
Dieser lachte über Milas Fragen leise. Es war merkwürdig ausgefragt zu werden. Das kannte er so nicht.
„Was, du meinst, wenn ich dir ein paar Volt verpassen würde?", fragte er und blickte Mila kurz fragend an, ehe er wieder auf die Straße blickte, denn sie waren dort angekommen, wo sie beide wohnten.
„Ja, ich bin neugierig", erklärte sie und fragte sich, ob er es machen würde. Wenn er sich zurückzog war klar, dass etwas nicht stimmte und wenn er es tun würde, müsste Mila ihre Weltsicht ein wenig überdenken. Noch fühlte sich nichts davon wirklich real an.
Er zuckte belustigt die Schultern. „Ich denke es ist nicht anders, als wenn du einfach so einen Stromschlag bekommen würdest. Es kommt eher auf die Stärke an", erklärte er, was Mila doch überraschte. Sagte er ihr zu? Während sie noch darüber nachdachte hielt er langsam in seiner Einfahrt an. Die Lichter zu Hause waren bereits ausgeschaltet. Womöglich war sein Vater schon schlafen oder er war noch nicht zu Hause.
„Komm erstmal zu mir. Dann verarzten wir dich", meinte Mila und dachte noch immer daran, wie es sich wohl anfühlte. Wie bei einem normalen Schlag wenn beide Personen elektrisch geladen waren?
„Zu dir? Was willst du denn machen?", fragte er irritiert und zog seine Jacke kurz aus, um endlich diese dämliche Weste loszuwerden und seine Jacke darauf wieder anzuziehen.
„Dich verarzten", erklärte sie ruhig. „Danach mich umziehen."
Elon seufzte schwer. An sich wäre er eigentlich dagegen von der keifenden Nachbarin Hilfe anzunehmen, doch der Gedanke mit seinem entstellten Gesicht dieses Haus zu betreten, war noch unattraktiver.
„Na gut", murmelte er undeutlich und öffnete leise seine Autotür.
Mila stieg ebenfalls aus und lief auf ihre Haustür zu, während sie in ihrer kleinen Handtasche wühlte. Wo war der Schlüssel?
Vermutlich hatte er sich wieder in dem Futter versteckt. Wäre nichts neues, doch als Mila begann selbst dieses abzutasten, wurde sie noch immer nicht fündig. Oh nein, das war gar nicht gut.
„Mist, ich hab den Schlüssel verloren und das Dienstmädchen ist nicht mehr da", sagte sie sichtlich niedergeschlagen.
Elon kam hinter ihr zum Stehen und blickte ihr wenig begeistert über die Schulter. Ein schweres Seufzen, gefolgt von dramatischen Augen schließen. „Dann wird es also doch das Fort. Hast du niemanden, den du anrufen kannst?", fragte er und setzte bereits dazu an, den Vorgarten zu verlassen.
„Meine Mutter ist nicht vor Morgen hier", sagte sie und ließ die Schultern hängen. „Ich habe nicht einmal die Nummer vom Dienstmädchen."
Unschlüssig ließ Elon die Schlüssel am Ring in seiner Hand hin und her wirbeln.
„Willst du mit ins Fort?", bot er murmelnd an und kratzte sich unzufrieden den Hinterkopf unter der Mütze, um sie nicht ansehen zu müssen. Immerhin waren dort eigentlich Mädchen verboten!
Mila lächelte dankbar und auch ein wenig erschöpft. Sie hatte sich bereits Sorgen gemacht, was sie tun sollte. Es war zu kalt, um in diesem Aufzug draußen zu schlafen und zurück zu Mario wollte sie nicht. Da sie niemanden sonst kannte, hätte sie wahrscheinlich sowieso an der Haustür von Kaden und seinem Vater geklopft. Doch da er fragte, blieb ihr diese Peinlichkeit zum Glück erspart. „Ja, bitte. Meine einzige andere Option wäre dein Vater oder Mario."
Ungläubig zog Elon die Brauen zusammen und machte sich wieder zurück zum Auto. „Du kennst meinen Vater doch gar nicht", meinte er darauf skeptisch und ließ den Motor wieder an. Hoffentlich war sein Vater noch nicht da und konnte das Auto somit nicht hören.
„Nein, aber er ist ein Nachbar. Das wäre naheliegend", erklärte sie leise und stieg wieder ein.
Elon schnaubte und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Nein, wäre es nicht", erklärte er und wartete bis Mila ihre Tür schloss und er losfahren konnte.
„Na, wenn du meinst", murmelte sie und musste feststellen, dass ihr kalt wurde.
Sie hätte sich vielleicht eine Jacke mitnehmen sollen, denn so wie das Klima hier schwankte... aus welchen angeblichen Gründen auch immer, war es nur logisch darauf vorbereitet zu sein. „Ich kenne meinen Vater schon eine Weile", fügte er hinzu und hielt bereits einige Minuten später vor dem Wald an einem Parkplatz, von wo aus sie zu Fuß weitermussten.
Mila stieg aus und folgte Elon, während sie sich die Arme rieb. Die Kleidung war wirklich nicht ideal für diese Uhrzeit.