Elon drehte sich ab und an kurz zu ihr um, um sie zu mustern. „Muss ich dir jetzt meine Jacke anbieten?", frage er und deutete kurz auf ihre halbherzigen Versuche sich aufzuwärmen. „Kein Wunder, dass du krank wirst, wenn du immer so rumläufst", meinte er und wartete nicht auf eine Antwort, während er sich die Jacke von den Schultern streifte, um sie Mila zu reichen.
„Ich laufe nicht immer so rum", bemerkte sie, nahm aber die Jacke mit einem: „Danke", entgegen.
„Mhm", gab er nur wenig überzeugt von sich und zückte seinen Schlüsselbund, um das Vorhängeschloss des sogenannten 'Fort' aufzuschließen. Das alte, verrostete 'Keine Mädchen erlaubt!'-Schild noch immer an dem Platz, wo es hingehörte. Mila wollte gar nicht wissen, wie lange er diese Hütte wohl bereits in Anspruch genommen hatte.
„Gehört sie eigentlich dir?", fragte sie und deutete mit dem Kopf auf die Tür. Vielleicht war sie Familienbesitz oder er hatte sie einfach beansprucht.
„Ähm ...", setzte Elon an und schien nachzudenken. „... Ja, so in der Art. Eigentlich gehört es der Stadt aber es weiß eigentlich keiner mehr, dass das Ding noch existiert."
„Verstehe", murmelte Mila. Nach den Dingen, die Elon dort gelagert hatte, hatte sie eigentlich etwas anderes erwartet.
Endlich hatte Elon das verrostete Schloss aufgeschlossen und steckte es sich in die Hosentasche, hielt allerdings inne, bevor er die Tür öffnete. „Das bleibt aber unter uns, okay?", meinte er verschwörerisch und blickte Mila feindselig an.
„Keine Sorge, ich werde es niemanden verraten", versprach sie. Was hatte sie auch davon?
„Gut", gewährte Elon ihr letztlich den Eintritt und öffnete damit die Tür. Sobald er den Raum betrat, schalteten sich auch schon die Lampen im Raum ein und spendeten das benötigte Licht zum Orientieren.
„Das ist praktisch", kommentierte Mila, da sie bemerkte, dass es wohl Teil seiner Fähigkeit war. Auch wenn es noch immer sehr eigenartig war so zu denken. Doch die Angst, die sie davor haben sollte, stellte sich irgendwie nicht ganz ein.
„Ja ... irgendwie schon", stimmte er Mila zu und blickte nach oben zu der nackten Glühbirne. Wenigstens hatte seine Fähigkeit einen praktischen Nutzen. Wenn er da so an andere Gaben dachte, sah das schon ganz anders aus.
„Weiß dein Vater davon?", fragte sie und begab sich Richtung Kamin, auch wenn dieser nicht brannte.
Elon beobachtete ihre Bewegungen genau. Man konnte dem Kamin ansehen, dass er wohl nicht mehr benutzt wurde, seit der eigentliche Besitzer hier gewesen war. Also lang vor Elons Zeit.
„Ja, weiß er. Er hat es damals mit mir und Chris zusammen ... aufgehübscht", erklärte Elon und lehnte abwartend an einer Kommode.
„Ich meinte eigentlich das mit den Fähigkeiten, aber das ist natürlich auch gut. Er wird also hier suchen, wenn du nicht nach Hause kommst?", fragte sie und ließ sich auf dem Teppich vor dem Kamin nieder.
„Da er mir die Fähigkeit vererbt hat, weiß er davon und ja, so in der Art. Nur würde er wohl nicht nach mir suchen", erklärte Elon und ließ sich die Couch runterrutschen, um auf dieser Platz zu nehmen. „Wieso fragst du?"
„Er würde nicht nach dir suchen?", fragte Mila ein wenig irritiert. Das war für sie kaum vorstellbar. Ihre Mutter und auch ihr Vater würden wohl alles verrückt machen, wenn sie zu lange weg wäre.
„Naja, er weiß, dass ich meistens hier bin. Wieso sollte er dann noch unnötig nachsehen?", fragte Elon unverständlich und verstand nicht was Milas Problem war.
„Hm", gab sie von sich und ließ davon ab ihre Arme zu reiben sondern begann ihre Schläfen zu massieren. Ihre Kopfschmerzen waren noch immer da und wurden stärker.
„Machst du dir Sorgen, dass deine Mutter nach dir suchen könnte?", fragte er provokant und verschränkte die Arme.
„Ja", seufzte sie. „Sie wäre absolut nicht erfreut darüber", erklärte sie wenig begeistert.
„Daraus macht sie auch kein wirkliches Geheimnis", murmelte Elon seufzend, jedoch eher zu sich selbst. Er wollte lieber keinen Streit mit Mila heraufprovozieren, nachdem er wusste wie treu sie dieser doch war. „Deine Mutter ... weiß nichts von der Schule oder?"
„Nein. Weiß sie nicht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich das richtig verstanden habe. Oder ob es in meiner Familie überhaupt jemand weiß", gab sie leise von sich und setzte sich bequem hin, während ihre Gedanken kreisten. Die letzten Stunden waren wirklich nicht so leicht zu verdauen.
„Es ist durchaus möglich, dass Mutationen neu entstehen. Womöglich weißt du deswegen nicht, weil deine Gabe nicht überliefert wurde sondern entstanden ist", erklärte Elon rätselnd und beobachtete Mila genau. Dabei hielt er noch immer seine Schulter mit verschränkten Armen fest.
Auch Mila rieb sich noch immer die Nasenwurzel. Diese Kopfschmerzen wollten einfach nicht nachlassen. Das Thema, bei dem sie gezwungen war viel zu denken, machte es nicht besser.
„Ich weiß nicht. Vielleicht ahnt mein Vater etwas. Manchmal ist er sehr seltsam", erklärte sie und erinnerte sich an ihre Kindheit zurück.
„Ach ja?", erwiderte Elon plötzlich hellwach und trat neugierig einen Schritt auf Mila zu.
„Als ich ein Kind war, ist er immer sehr seltsam mit mir umgegangen und hat sogar einmal meine Mutter angeschrien, weil sie irgendwas in meiner Gegenwart nicht erwähnen sollte", meinte sie nachdenklich. „Aber das ist schon lange her."
Elon setzte sich langsam auf das Sofa und lehnte sich zurück. „Es könnte auch ein normaler Ehestreit gewesen sein", wandte Elon ein, der nicht unnötig spekulieren wollte.
Mila zuckte die Schultern. „Na ja das könnte es schon sein, aber ich hab eher das Gefühl mein Vater will etwas vor mir verheimlichen und meine Mutter weiß nicht was, scheint aber immer wieder mal einige Punkte anzuschneiden. Aber es ist seit einiger Zeit ruhiger geworden", erklärte sie und fragte sich gleichzeitig, warum sie das Elon erzählte. Sie kannte ihn immer nicht sonderlich gut.
„Und du bist nie auf die Idee gekommen ... ich weiß ja auch nicht ... ihn darauf anzusprechen?", fragte Elon offen und machte keinen Hehl aus dem Sarkasmus in seinen Worten. Wie konnte Mila nur so desinteressiert an ihrem eigenen Leben sein?
„Nein", meinte sie und wirkte nachdenklich. „Mutter hat immer gesagt, dass ich ihn nicht darauf ansprechen soll, also habe ich es nicht gemacht", meinte sie und schien gedanklich wo anders.
„Das ist extrem traurig und ich hoffe das weißt du auch", merkte Elon letztlich mit einem Seufzen an und erhob sich wieder von dem Sofa, um sich einen kühlen, nassen Lappen auf die Schulter zu legen.
Mila zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht. Bisher habe ich nicht darüber nachgedacht", gestand sie. „Es war Mutters Wunsch, dass ich mich daran halte, was sie sagt, also hab ich es gemacht", erklärte sie rückblickend und nachdenklich.
„Zum Wohlergehen deiner Mutter, dir und der Menschheit, solltest du zum Sonderunterricht gehen und deinen Vater konfrontieren. Immerhin wohne ich neben dir, was heißt ich werde in unmittelbarer Nähe sein, sobald die Bombe in dir losgeht", erklärte Elon ernst und zuckte kurz, als er eine empfindliche Stelle berührte.
„Ich würde ja gerne, aber Mutter will mich nicht lassen", erklärte sie noch einmal, als wäre ihre Mutter eine unsichtbare Wand. Dabei rieb sie sich weiter die Nasenwurzeln, denn ihre Kopfschmerzen wurden immer stärker.
„Zu viel getrunken?", wechselte Elon das Thema und hob verheißungsvoll eine Augenbraue.
„Ich habe eigentlich so gut wie gar nichts getrunken", meinte sie seufzend. „Das Zeug hat nicht geschmeckt."
Elon rollte stumm die Augen und öffnete die kleine Kühlbox hinter sich, wo er eine Wasserflasche hervorzog. Wie er die wohl am Laufen hielt? Immerhin waren sie hier mitten im Wald und er hatte gesagt, die Stadt wüsste nichts von dem Haus. Doch es dürfte wohl ein leichtes für ihn seinen, einen Generator immer wieder selbst neu aufzuladen. „Hier", bot Elon an und warf Mila die Flasche zu.
Diese fing sie ungeschickt auf und betrachtete sie kurz. „Danke", murmelte sie und nahm nach dem Öffnen einen Schluck. Sie seufzte zufrieden.
„Die Couch kann man ausziehen und drunter findest du auch eine Winterdecke und Kissen", erklärte Elon und deutete auf eine Schlaufe unter dem Sofa. „Essen und Getränke gibt es hier", fuhr er fort und deutete auf die Kühltruhe hinter ihm und einige Schränkte neben dem Spülbecken, was in einer Ecke der Hütte stand. Mila schätzte, dass es sich bei diesem Gebilde um eine provisorische Küche handelte. Die dunkelgrüne Farbe und das alte Modell der Truhe waren schrecklich und erinnerten mehr an die Siebziger als an etwas Geschmackvolles aus ihren Kreisen. Doch für Elon schien es zu reichen. „Ansonsten kannst du auch DVDs anschauen oder sowas, einen Kabelanschluss hab ich nämlich nicht", erklärte Elon letztlich mit einer wegwerfenden Handbewegung Richtung Fernseher und setzte sich auf den Billardtisch.
Mila betrachtete ihn nachdenklich. Er machte kein Geheimnis daraus, wie er die Geräte betrieb und das reizte sie. „Sag mal, Elon? Kannst du mit deinen Fähigkeiten auch richtige Blitzbälle schießen?", wollte sie wissen, weil sie an einen Film zurückdenken musste, den sie einmal im Fernsehen gesehen hatte. Da hatte jemand sowas ähnliches gemacht, aber dann hatte ihre Mutter den Fernseher ausgeschalten.
Irritiert runzelte Elon die Stirn. „Ich ... bin kein X-Men falls du das meinst", antwortete er vorsichtig, während er sich wieder erhob, um eine Decke von der Couch zu nehmen und auf den Billardtisch zu platzieren. „Vielleicht sowas ähnliches, aber an einem wirklichen Ball habe ich mich noch nicht versucht", fügte er dann doch hinzu, als er so selbst darüber nachgedacht hatte. Wieso wollte sie das überhaupt wissen?
„Echt nicht? Aber das wäre schon ziemlich interessant", meinte sie und blickte ihn weiter nachdenklich an, als wäre er gerade das Interessanteste in diesem Raum. Was ihrer Meinung nach auch so war. „Wenn du deine Fähigkeiten nutzt, fühlt es sich dann so an wie wenn man etwas berührt, was elektrisch geladen ist?"
~*~*~
Könnt ihr Milas Faszination nachvollziehen? Bzw kommst sie gut zur Geltung?
Wie findet ihr generell Milas Reaktionen auf die ganze Sache? Fehlt euch noch was?