„Warum bist du plötzlich so komisch?", wollte Mila wissen und legte sich mit Decke auf die ausgezogene Couch. Ihren Blick dabei auf Elon gerichtet, den sie kaum sehen konnte. Die fremde Umgebung und die Geräusche des Waldes machten sie nervös. „Hab ich dich irgendwie verärgert?", wollte sie wissen, auch weil sie noch ein wenig mit ihm sprechen und sich nicht auf die Geräusche konzentrieren wollte.
„Nein", murmelte Elon unzufrieden und zwang sich die Augen zu schließen. Doch er konnte einfach nicht schlafen, trotz der Dunkelheit und Stille.
„Elon?", fragte Mila plötzlich leise. „Ich hab Angst", flüsterte sie mit fast weinerlicher Stimme.
Elon seufzte leise. „Oh Gott", hauchte er frustriert zu sich selbst. Was hatte er sich da nur ins Haus geholt? „Was soll das heißen? Soll ich das Licht anlassen?"
„Nein, aber kannst du weiter herkommen?", fragte sie leise, weil sie hoffte, dass seine Gegenwart ihr helfen würde.
„Meinst du das ernst?", erwiderte er fassungslos und wandte ihr sogar seinen Blick zu, um sie zu mustern.
„Ja", war die schlichte Antwort, die jedoch sehr leise war. „Ich bin es nicht gewohnt so zu schlafen, das macht mir Angst", versuchte sie sich zu erklären und Elon konnte sehen, wie sie die Decke über ihren Kopf gezogen hatte und nur die Augen freiließ, damit sie ihn sehen konnte.
„Ist doch nicht wahr", grummelte Elon undeutlich vor sich hin, als er sich aufrichtete und mit seiner dünnen Decke über den Schultern zu Mila rüber schlurfte. Kraftlos setzte er sich mit Mila hinter sich auf das Bett und blickte aus dem Fenster, wo es bereits tief dunkel war und lediglich vereinzelte Eulen zu hören waren. „Also ... und jetzt?"
Ein Geräusch, das hier im Wald normal war und sich wie ein Hirsch anhörte, sorgte dafür dass Mila zusammenzuckte und sich ein wenig zitternd an Elon lehnte.
Dieser versteifte sich sichtlich und starrte mit aufgerissenen Augen in die Schwärze.
„Soll ich dir vielleicht ein Hörspiel oder so an machen?", bot er an und schien nach den richtigen Worten zu ringen.
„Stört dich das nicht beim Schlafen?", fragte sie vorsichtig, aber man hörte ihr an, dass das wohl eine gute Idee war.
„Nicht so sehr wie wenn du bei jedem Geräusch still in dich wimmerst", erwiderte er und zog sein Handy aus der Hosentasche. „Magst du ... ‚Herr der Fliegen'?", bot er an und zeigte Mila das Display auf seinem Handy, wo er ein Hörbuch aus dem Internet gesucht hatte.
„Das kenn ich nicht", meinte sie leise und betrachtete das Display verwirrt.
„Du kennst ‚Herr der Fliegen' nicht?", fragte er fast schon schockiert und zeigte auf das Cover des Buches, als hätte Mila es auf dem Handy nicht gesehen.
Sie schüttelte leicht den Kopf. „Nein, aber das da klingt interessant", meinte sie und deutete auf ein anderes Cover.
Fragend blickte Elon sie an und folgte ihrer Deutung, auf das Cover, auf dem ein Mädchen mit feuerrotem Haar abgebildet war. „Was ist das?", fragte er irritiert und tippte darauf. Zum Vorschein kam ein Titel mit goldener Schrift geschrieben, was recht edel aussah und so gar nicht das war, was er in Aussicht hatte.
„Wir können ja mal reinhören", meinte sie vorsichtig und ihre Augen sahen Elon bittend an.
Dieser hielt ihrem Blick nicht lange stand, ehe er mit einem Seufzen das Handy aufdrehte, das Video auswählte und auf dem Tisch platzierte. Elon ließ sich lustlos neben Mila nieder, um sich hinzulegen, wobei er zwar versuchte genügend Abstand zu halten, doch so groß war die Couch leider nicht.
Aber Mila schien das nicht zu stören. Sie machte ihm ebenfalls Platz und schien sich an die Seite zu rollen. Die junge Frau war recht schmal, weshalb sie nur wenig Platze einnahm.
Elon blieb ruhig auf dem Rücken liegen und lauschte den weiblichen Worten des Handys, aus dem die Geschichte ertönte, die Mila sich ausgesucht hatte.
'Prolog
„Setz dich, mein Kind und lass mich dir eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten erzählen. Vor etlichen Jahrtausenden, zur Zeit der Vampir-Dynastie-"
„Es gab eine Vampir-Dynastie?"
„Ja, vor langer, langer Zeit. Und mitten in dieser, befand sich ein Mädchen mit kirschrotem Haar, wie deines ..."'
„Vampire ... ist das dein Ernst?", fragte er und drehte den Kopf zu Mila, um sie fragend anzublicken.
Diese zuckte lediglich stumm die Schultern und warteten darauf, wie es weiter gehen würde.
'Kapitel 1
Regen prasselte auf die Straßen und tauchte die große Stadt in einen Schleier aus grauen Farben. Das Plätschern des Wassers, auf den gepflasterten Wegen, war kaum zu überhören und wer nicht musste, war heute nicht draußen unterwegs. Es war nicht nur nass, sondern auch kalt und windig. Selbst in diesem gräulichen Nebel wirkten die Gebäude noch prunkvoll und majestätisch, doch nichts davon übertraf das Schloss des Highlords, der Vampire. Es ragte in dem einheitlichen Grau wie ein goldener Zufluchtsort in den Himmel.'
Bereits jetzt bereute Elon es, ihr das Angebot gemacht zu haben. Während er hoffte, dass Mila einschlief und er es endlich würde ausschalten können, bemerkte er, wie sie die Augen offenhielt und wohl angespannt zuhörte.
Irgendwann schien sie aber wirklich müde zu werden und schloss die Augen. Dennoch merkte Elon, dass sie immer noch zuhörte.
Es war ein Teufelskreis. Vermutlich würde sie sofort aufwachen, wenn er es ausmachen würde. Dabei hatte er definitiv genug von diesem schmierigen Vampir-Highlord-Adonis, der versuchte sein angebetetes Mauerblümchen zu erobern. Wieso sollte ein Herrscher mit einem kompletten Harem nach einer kleinen unscheinbaren Vampirin dürsten? Da war ‚Herr der Fliegen' definitiv die bessere Wahl gewesen.
Als er schließlich hörte, wie Milas Atem leiser wurde, seufzte er zufrieden. Er würde es wohl gleich ausmachen können. Zumindest schien sie zu schlafen.
Probeweise wartete er noch einige Sekunden, in denen die Vorleserin gerade berichtete, wie der Highlord die holde Maid unsittlich betatschte, der das anscheinend gar nicht gefiel. Gleichzeitig fragte er sich allerdings, wieso er überhaupt zugehört hatte und besonders wieso Mila sowas hörte. Das hatte doch rein gar nichts mit Literatur zu tun! Leise setzte er sich in der Dunkelheit auf und warf einen prüfenden Blick zu Mila, ehe er das Hörspiel leise mit einem Klick zum Verstummen brachte.
Mila schlief friedlich weiter und schien davon nichts bemerkt zu haben. Was ihn beruhigte. Er sollte sich jetzt auch endlich hinlegen.
Er spielte zwar mit dem Gedanken wieder auf den Billardtisch zu klettern, doch selbst dafür war er viel zu müde und das ganze Gerede über Highlords, Vampire und ‚Fruchtbarkeit' hatte ihn doch mehr mitgenommen als gedacht. Wer hätte auch gedacht, dass es so anstrengend war, sowas zu hören? Er ließ sich wieder neben Mila nieder, deckte sich mit der dünnen Decke zu und versuchte zu schlafen.
Relativ schnell gelang es ihm, doch etwas störte Elon. Er spürte, wie sich etwas an ihn schmiegte und ihm plötzlich wärmer wurde. Dazu kam warmer Atem, der plötzlich seinen Hals streifte.
Es fühlte sich irgendwie angenehm an, aber in erster Linie war es ungewohnt.
Etwas drückte sich gegen ihn, schien ihn komplett zu umschlingen und festhalten zu wollen.
Elon grummelte unwillig und versuchte sich zu drehen, doch tatsächlich war es nicht die Decke, in die er sich zu fest gewickelt hatte. Blinzelnd öffnete er die Augen und versuchte etwas in der Dunkelheit zu erkennen, als er Mila erblickte.
Diese hatte sich an ihn geschmiegt und schien noch immer felsenfest zu schlafen. Zumindest spürte er, wie ihre Brust sich regelmäßig hob und senkte.
Wie sollte er es auch nicht spüren, so wie sie sich an ihn gekuschelt und gedrückt hatte? Er hätte einfach auf dem Tisch schlafen sollen!
Mila merkte wahrscheinlich nicht einmal, was Elon unruhig werden ließ.
Sie hatte die Arme fest um ihn geschlungen und schien ihn zu halten wie einen Teddy. Ihr Gesicht in seinen Nacken verborgen.
Er traute kaum sich zu rühren, so wie sie sich an ihn klammerte. Es hatte durchaus seinen Reiz und so im Halbschlaf, wie er noch war, war alles irgendwie surreal. Dennoch konnte er das nicht so stehenlassen. Am Ende würde sie ihrer Mutter davon erzählen und sie würde Elon Dinge unterstellen. Nein, sicher nicht! Das würde seinem Vater ja nur genehm kommen, der sowieso nur darauf wartete, dass Elon eine Freundin nach Hause brachte.
Vorsichtig rutschte er ein wenig zur Seite, auch wenn der Rand der Couch ihm nicht viel Platz ließ. Doch eine andere Wahl blieb ihm nicht, als sich über Mila zu rollen und das war wohl kontraproduktiv! Mit einem leisen Knurren zerrte er an Milas verschränkten Armen, die um ihn herum lagen, um sich von ihr zu lösen. Doch so recht wollte das nicht funktionieren.
Milas Atem wurde plötzlich unruhig und er spürte, wie sie sich verspannte. Wurde sie jetzt etwa wach?
Mürrische Laute verließen ihre Lippen und dann flatterten ihre Lider, als sie direkt in die Dunkelheit blinzelte und verschlafen versuchte etwas wahrzunehmen.
Eben noch im Traumland versunken, versuchte sie sich zu orientieren. Irgendwas hatte an ihr gezerrt, doch sie konnte nichts erkennen.
Müde atmete sie ein und nahm den Geruch wahr, der sie umgab. Nur stückchenweise drangen die Erinnerungen an den letzten Abend zu ihr durch. Sie war ja in der Hütte von Elon. War das die Decke, die so roch? Irgendwie nach ihm.
Wieso musste sie überhaupt aufwachen? Sie hatte eben noch so schön von dem Buch geträumt und sich in der Rolle der Protagonistin wiedergefunden.
Für sie war das Leben im Harem gar nicht so schlimm gewesen und der Highlord war so schön und romantisch zu ihr gewesen. Sie sehnte sich dahin zurück.
Doch je stärker sie versuchte wieder einzuschlafen, desto mehr wachte sie auf.
Und sie bemerkte, dass sie etwas Lebendes im Arm hielt. Mila blinzelte und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Und tatsächlich nahm sie langsam Umrisse wahr.
Schmiegte sie sich da an Elon?
~*~*~
Na, wer kennt das Hörbuch?
Was glaubt ihr was Mila träumt, dass sie sich so an die Wärmequelle schmiegt?