Mila seufzte. „Ist schon in Ordnung, du willst ja nicht darüber reden, also wechseln wir das Thema. Das hier wird mir zu blöd", meinte sie und wank ab. Sie konnte mit Elon weiter darüber sprechen.
Chris seufzte ebenfalls wiederholt, lehnte sich zurück in seinen Stuhl und trank von seiner Schokolade, auch wenn ihm irgendwie der Appetit vergangen war.
Mila trank einen weiteren Schluck, ehe sie wieder zu Chris blickte. „Es sind bald Ferien. Was kann man denn hier so machen?", wollte sie wissen, um das Thema zu wechseln.
Ich gehe in den Ferien immer mit Elon und seinem Vater campen oder ich muss mit, meine Familie besuchen. Aber ansonsten gibt es hier leider nicht viel. Es gibt zwei Mal im Jahr eine Art Straßenfest mit Riesenrad und so weiter", erklärte Chris, der versucht einige positive Aspekte der Kleinstadt zu filtern, damit sie nicht so langweilig wirkte wie sie war.
„Straßenfest und Campen? Das klingt an sich nicht schlecht", meinte sie, weil es sie an die Kindheit mit ihrem Vater erinnerte.
„Ja, es ist eine Art Tradition bei ihnen und seit einigen Jahren hab ich mich da reingeschlichen", erklärte Chris begeistert. „Meistens bleiben wir eine Woche, im Sommer sogar noch länger. Mit Zelten, angeln, Feuer und allem was dazu gehört", fuhr er beinahe schon schwärmend fort.
„Angeln?", fragte Mila, die sich schon immer für diesen Sport interessiert hatte. Doch da man sich dabei nass oder gar dreckig machen konnte, hatte ihre Mutter sich immer vehement dagegen gewehrt.
Dort gab es nämlich nicht die Möglichkeit in sauberen Hallen zu angeln, wie es ihr beim Schwimmen möglich war.
Aber genau das war es, was sie reizte. „Glaubst du, er würde mich auch mitnehmen?", wollte sie wissen und entschied sich Elon darauf anzusprechen.
„Ähm ... sicherlich", lachte Chris, als hätte Mila gerade einen Witz erzählt, den sie selbst nicht kannte.
„Ich war früher mit meinem Vater immer campen, aber seit einigen Jahren hat er keine Zeit mehr dazu und Mutter ist sehr ... speziell", erklärte sie und nahm einen weiteren Bisschen ihres Essens.
„Du erzählst irgendwie immer nur davon, was deine Mutter dir alles verbreitet. Hast du denn keine schönen Erinnerungen an sie?", fragte Chris, dem das langsam alles andere als gesund erschien.
Mila gab einen nachdenklichen Laut von sich. „Meine liebste Erinnerung ist die, als ich krank war und sie sich um mich gekümmert hat", erklärte sie. „Aber auch sonst habe ich gut Erinnerungen an sie", meinte sie, schien aber unsicher
Chris hob vielsagend eine schwarze, geschwungene Augenbraue, die seine Skepsis bestärkte. „Ich bin mir sicher, deine Mutter ist eine nette Lady. Elon hat erzählt, dass er mal bei euch zum Essen war, aber Elon kann auch an sich nicht gut mit Eltern", versuchte Chris ein wenig das Thema zu lenken, damit Mila sich nicht unnötig Gedanken machte.
„Mutter hat spezielle Vorstellungen, wie Leute sein sollen, mit denen ich mich abgebe. Ich stimme da nicht mit ihr überein, aber ich habe gelernt auf meine Mutter zu hören", erklärte sie, als würde es sie nicht so sehr stören, doch innerlich begann sie sich zu fragen, ob das wirklich so war. Doch den Gedanken verwarf sie gleich wieder.
„Ich war früher der Liebling meiner Mutter, bevor meine kleine Schwester zur Welt kam", versuchte Chris ein wenig mitzusprechen. Irgendwie schien er dort ein Thema angeschnitten zu haben, was er lieber nicht hätte tun sollen. „Hast du schon von dem bevorstehenden Herbstball gehört?", fügte er jedoch sofort hinzu.
Der Themawechsel kam Mila gelegen und sie stellte fest, dass es schwieriger war mit Menschen wie Elon und Chris zu sprechen, als mit den Leuten, mit denen sie sonst umgeben war.
„Nein, habe ich nicht. Was ist das denn?"
„Naja ... ein Ball mit Herbstmotto", lachte Chris und schien es so plump zu halten wie es klang. „Es ist ein Schulball, der noch vor Halloween stattfindet. Ich dachte du gehst vielleicht hin."
„Schulball klingt vertraut", meinte sie und ahnte bereits, dass sich die Schulbälle, die sie kannte, wohl von dem dieser Schule unterschieden.
„Ja, es ... ist ein ganz normaler Schulball ... so mit Musik und Tanz", erklärte er und räusperte sich ein wenig nervös.
„Gibt es denn Tänze, die man hier kennen muss? Oder tanzt ihr irgendwie?", fragte sie neugierig.
„Ich denke irgendwie ... also nichts vorschriftsmäßiges, falls du das meinst", versicherte er.
Mila gab erneut einen nachdenklichen Laut von sich. Wenn die Leute nicht wirklich tanzten, würde es keinen Spaß machen, weil Mila fand, dass die meisten einfach nur dumm herumwackelten. „Partnertänze wären schön gewesen", seufzte sie nachdenklich.
„Ähm ... also willst du nicht hin?", fragte er vorsichtig, wenn auch etwas enttäuscht.
„Ich werde es mir anschauen", sagte sie, auch wenn sie noch nicht wusste, ob es ihr gefallen würde. Sie liebte Tänze, die elegant waren, aber dieses discoartige mochte sie nicht sonderlich. Aber darauf würde es wohl hinauslaufen.
„Wir ... könnten es uns ja auch zusammen anschauen", bot Chris unschuldig an und versuchte sich an einem bittenden Lächeln.
Mila wirkte überrascht. Ihr erstes Date war noch nicht einmal vorbei und da bat er sie schon um ein weiteres?
Sie lachte leise. „Ich hatte eigentlich eher das Gefühl, dass du nach diesem Treffen nicht noch einmal etwas mit mir machen wollen würdest", erklärte sie, weil Chris nicht sonderlich entspannt wirkte.
„Was? Doch! Wie kommst du darauf?", fragte er irritiert und schien vollkommen verwirrt, wie sie nur auf sowas kommen könnte.
„Du wirkst nicht, als würdest du dich in meiner Gegenwart wohlfühlen", erklärte sie und deutete auf seinen Teller, der noch komplett voll war. Außerdem wirkte er in ihren Augen unruhig und nervös, als würde er gleich aufspringen und wegrennen.
„Tut mir leid. Ich bin nur so aufgeregt, weil ... es hat mich überrascht, dass du mich ausgefragt hast", gestand er und stupste eines der Bruschettas an, weil ihm nicht nach essen war. „Ich bin schrecklich in sowas."
Mila machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wir müssen uns nicht über Dinge unterhalten, die dir unangenehm sind", sagte sie, auch wenn sie wusste, dass das wohl die interessantesten Dinge waren.
„Doch ... wenn du fragst ... und es ist vielleicht besser, wenn du weißt, dass ich nicht unbedingt wie die anderen bin die dir normalerweise zusammen bist."
„Was meinst du damit?", frage sie, weil sie ihm nicht ganz folgen konnte, während sie ihr letzte Stück Bruschetta aß.
„Du gehst wahrscheinlich eher mit anderen Typen aus ... welche die größer sind und ... mehr Geld haben", setzte Chris unsicher an und wusste nicht so recht wie er sich mitteilen sollte.
„Ich gehe eigentlich eher gar nicht mit Typen aus", meinte Mila nachdenklich. „Zumindest nicht in Cafés, oder alleine", versuchte sie zu erklären. Bisher gab es keine solchen Dates, wie mit Chris. Nicht mit einem jungen Mann allein.
„Wie meinst du das?", fragte er mit einem leisen fragenden lachen, auch wenn es ein wenig ängstlich klang.
„Ich zähle die paar Male als ich mit einem Jungen zusammen war nicht als Date, weil immer irgendjemand dabei gewesen ist", erklärte Mila. „Und im Grunde waren es nur Freunde."
Fragend hob Chris die Augenbrauen und wusste nicht so recht was er darauf erwidern sollte. Jedes Mal wenn Mila etwas aus ihrem gewohnten Umfeld berichtete, war es immer wieder aufs Neue merkwürdig. Und doch machte es sie irgendwie zu etwas besonderem.
Mila, die nun komplett fertig war mit ihrem Essen, lehnte sich ein wenig zurück und beobachtete Chris. Er war nicht der gesprächigste und irgendwie war das komisch. Normalerweise erzählten die Leute, mit denen sie unterwegs war, immer etwas. Selbst wenn es nur belangloses Geschwafel war.
Mila überlegte kurz, was für ein Thema sie anschneiden konnte, um dieses Gespräch am Laufen zu halten, als sie in der Nähe einen Hund bellen hörte. Es gab hier eine Menge Tiere, wie sie festgestellt hatte. Ihre Mutter war kein Freund davon und so hatte sie den Kindheitswunsch einmal auf einem Pferd zu reiten, schnell aufgegeben.
„Magst du Tiere?", wollte sie unvermittelt wissen, weil sie hoffte so ein Gespräch mit ihm zu führen. Über ein Thema, das nicht dafür sorgte, dass er sich sofort unwohl fühlte.
„Ja, wir haben einige Kaninchen und Vögel. Und du?", antwortete Chris und folgte Milas Blick in Richtung Hund.
„Ich wollte immer ein Tier, aber dort wo wir wohnten war das nicht möglich", erklärte sie und lachte dann leise. „Ich wollte immer ein Pferd haben. Allerdings durfte ich nicht einmal Reitunterricht nehmen, obwohl das in unserer Gesellschaft gar nicht so unüblich war."
Chris wandte ihr den Blick zu und musterte wie sie fast schon sehnsüchtig dem Hund nachsah. „Wenn du das so sagst, klingt es fast als wärst du aus einer anderen Welt", murmelte er leise um sie nicht in ihrer Verträumtheit zu stören.
„Gefühlt bin ich das auch", meinte sie. „Bei uns musste man sich immer an Regeln halten, selbst wenn man mit anderen Leuten sprach. Ich glaube ich habe noch nie so ungezwungen mit Leuten geredet, wie hier. Aber daran gewöhnt habe ich mich noch nicht", gestand sie leise.
„Weißt du, es gibt einen Hof bei uns in der Nähe. Wenn du möchtest könnten wir da mal zusammen hin. Meine Mutter kennt die Besitzer", bot Chris an und strahlte fast schon in freudiger Erwartung.
„Ja?", fragte Mila, da sie Bauernhöfe interessant fand. Wohl auch, weil das in ihrer Vergangenheit nie ein Thema war.
Chris nickte lediglich und lächelte erwartungsvoll. Womöglich konnte er Mila doch noch beeindrucken. Und wenn es über ein Pferd war womit er sich überhaupt nicht auskannte.